Hersteller und Handel am Scheideweg

Chipkrise trifft auf Smartphone-Boom

15. Juni 2021, 14:34 Uhr | Lars Bube

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Zahlreiche Pleiten im Vertriebskanal am Horizont

Canalys-Prognose: Smartphonemarkt bis 2024
Die Chipknappheit wird dem steilen Aufschwung ein schnelles Ende bereiten
© Canalys

Diese Neuordnung der Vertriebskanäle, so die Analysten, könnte immerhin den spannenden Nebeneffekt haben, dass sich der Channel mehr für kleinere und neue Anbietern öffnet. Diese könnten dann in Teilen die bisher den großen Herstellern vorbehaltene Vertriebskraft der Distribution und des Fachhandels für sich nutzen. Weil die Pandemie das Einkaufsverhalten der Kunden weiter in Richtung Online gedreht hat, werden andere Hersteller im Gegenzug versuchen, ihren Vertrieb deutlich direkter zu gestalten und den Zwischenhandel weitgehend aus der Gleichung zu nehmen. Das wird sich letztendlich bis hinunter auf die Ebene der niedergelassenen TK-Fachhändler durchschlagen und auch ihr Geschäftsmodell in Frage stellen. Sie müssen sich und die Aufgabe ihrer Ladengeschäfte neu erfinden, und sie etwa zu Support- und Service-Standorten in ihrer Omnichannel-Strategie umbauen. Andernfalls werden sie über kurz oder lang obsolet und müssen aufgeben. „Infolgedessen werden viele Geschäfte in diesem Jahr schließen“, befürchtet Stanton.

Ähnlich akut bedroht sind viele der kleinen Hersteller, die von den Verknappungen gleich in mehrfacher Hinsicht deutlich härter getroffen werden. Aufgrund ihres deutlich kleineren Ordervolumens haben sie in der Beschaffung sowohl hinsichtlich der benötigten Mengen als auch der Preise eine erheblich schlechtere Ausgangsposition als eine Samsung, Apple oder Xiaomi. Sie werden also nicht nur deutlich weniger Chips bekommen als benötigt, sondern zugleich spürbar mehr dafür bezahlen müssen. Zumindest all jene, die Vorteil gegenüber den etablierten Marktführern bislang in knapper kalkulierten Preisen gesucht haben, können die Preissteigerungen nicht einfach an ihre Kunden weiterreichen und stehen damit vor einem gewaltigen Problem. „Die Smartphone-Hersteller müssen ihre betriebliche Effizienz verbessern und gleichzeitig die Margenerwartungen in ihrem Low-End-Portfolio für die Dauer der Einschränkungen senken. Andernfalls riskieren sie, Marktanteile an ihre Konkurrenten abzugeben“, fasst die Canalys VP of Mobility, Nicole Peng, zusammen.

Als wäre das nicht schon genug, arbeitet mit der – zumindest hinsichtlich der Gerätewelt – zügig voranschreitenden Umstellung auf den neuen Mobilfunkstandard 5G noch ein dritter Faktor gegen die kleineren Anbieter. Canalys geht davon aus, dass bis Jahresende beinahe schon jedes zweite verkaufte Gerät 5G-fähig und die Einstiegsschwelle für entsprechende Geräte auf etwa 300 US-Dollar gefallen sein wird. Dementsprechend zügig stellen auch die Chipfertiger ihre Modem-Produktion um. Dadurch wiederum sind laut Canalys ausgerechnet bei den günstigeren LTE-Modems deutlich größere Verknappungen zu erwarten. Die Analysten rechnen damit, dass es nicht allen kleinen Anbietern gelingen wird, in dieser höchst komplexen Lage eine sichere Nische für sich zu finden oder gar in neue Bereiche vorzustoßen. Für viele kleine Anbieter wird es daher in den nächsten Monaten um ihre nackte Existenz gehen. „Die neue Normalität für die Smartphone-Branche ist genauso rücksichtslos und wettbewerbsintensiv wie die alte“, fasst Stanton die anstehenden Verwerfungen zusammen.

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  1. Chipkrise trifft auf Smartphone-Boom
  2. Zahlreiche Pleiten im Vertriebskanal am Horizont
  3. Rückkehr zum schrumpfenden Markt

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