Editorial

Das Internet geht an den Höchstbietenden

4. November 2015, 16:46 Uhr | Stefan Adelmann
© ICT CHANNEL

Die Deutsche Telekom will die gelockerte Netzneutralität für ihre Zwecke nutzen. Das könnte besonders kleinen Unternehmen in Bedrängnis bringen.

Es hätte so schön für das EU-Parlament sein können. Auf der einen Seite die Aktivisten und Bürger beruhigen, indem man sich ganz klar für die Netzneutralität ausspricht. Auf der anderen Seite der Netzbetreiber-Lobby einen kleinen Knochen hinwerfen, indem die Verfasser durch spärliche Definitionen klaffende Schlupflöcher im Gesetzestext schaffen, die allerdings noch lange keine Aufforderung zur wirtschaftlichen Massenerschließung sind. Jetzt haben wir den Salat. Die Tinte auf dem Manifest der EU ist kaum getrocknet, da prescht die Telekom schon nach vorne und stellt klar, wie die Zukunft der Datenübertragung über die eigenen Infrastrukturen auszusehen hat. Unternehmen, die gesicherte Geschwindigkeiten für ihre Dienste in Anspruch nehmen wollen, bekommen diese natürlich von den Bonnern gestellt – für einen gewissen Obolus, versteht sich.

Im Gegensatz zur EU spart der Netzbetreiber auch nicht an klaren Definitionen und legt die Zahlung gleich auf eine »Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent« fest. Eine Abgabe, die gerade kleinere Unternehmen wie Managed Service Provider oder Systemhäuser mit eigenem Rechenzentrum schnell in Bedrängnis bringen kann. Dass sich diese Anbieter hingegen Vorteile gegenüber Konzernen erkaufen könnten, wie es Telekom-Chef Timotheus Höttges beschreibt, scheint eher unrealistisch.

Sicherlich muss die Politik gerade Netzbetreibern Möglichkeiten schaffen für die Erschließung neuer Umsatzfelder und die Finanzierung des Infrastrukturausbaus. Da aber gerade ein sensibles Thema wie die Netzneutralität nicht nur zu Protesten, sondern gar zu einem ziemlich zackigen Stolperstein der IT-Wirtschaft avancieren kann, laufen aktuell die verschiedensten Lager Sturm gegen die Ankündigung der Telekom und anderer Netzbetreiber, die sogleich in den Netzmaut-Chor der Bonner einstimmten. Ob das Internet in einigen Jahren noch der fruchtbare Nährboden für zahlreiche innovative Geschäftsideen ist oder nur noch ein Überleben des Finanzstärksten ermöglicht, das könnte sich letztendlich in der tatsächlichen Beschaffenheit der so heiß diskutierten Spezialdienste entscheiden.

Mit besten Grüßen,

Stefan Adelmann

Redakteur CRN


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