8. ITK-Spitzentreffen 2016

»Eine zweite Chance gibt es nicht«

6. Oktober 2016, 12:11 Uhr | Elisa Loy

Der Firmenverkauf ist eine Kunst und keine Wissenschaft, sagt M&A-Berater Bernhard Schmid von Global Value Management. Viel psychologisches Geschick und eine längere Phase der Vorbereitung helfen, Kardinalfehler zu vermeiden und Enttäuschungen vorzubeugen.

CRN: Herr Schmid, warum ist bei Firmenübernahmen Psychologie mehr gefragt als harte Kennzahlen?

Bernhard Schmid: Aus der Erfahrung vieler M&A-Transaktionen bin ich immer mehr der Meinung, dass die psychologische Komponente der Kaufpreis-Findung und das Übergabe- und Integrationskonzepts die entscheidende Rolle spielen. Bei fast jedem mittelständischen IT-Unternehmen lässt sich ein Verfahren finden, bei dem der Wert gegen Null tendiert oder einige zehn Millionen Euro ausmacht: seien es Ertrags- oder cash-flow-orientierte Verfahren unterschiedlicher Vorausschau und Risikoabzinsung, seien es Umsatz- oder EBIT-Multiple-, Peer-Group-Verfahren oder steuerlich orientierte Methoden. Daher ist es wichtig, Bauchgefühl und Kopf in einem kreativen Prozess in Einklang zu bringen und nur mit einem einzigen Standard-Verfahren zu arbeiten.

CRN: Geht es den Gesellschafter nicht in erster Linie darum, den höchstmöglichen Preis zu erzielen?

Schmid: Ganz klares: nein! Der vermeintlich hohe Preis kommt in der Regel nicht nach dem Motto zustande: »Schauen wir mal, was geht.« Er ist vielmehr Ausdruck einer Selbst-Wertschätzung des Unternehmers. Der Inhaber eines mittelständischen IT-Unternehmens steht vor seinem Lebenswerk und diesen Wert will er gesichert wissen. Erst recht, wenn er in schwierigen Zeiten sogar sein Haus für einen Firmenkredit grundpfandrechtlich gesichert haben sollte, was oft vorkommt. Auf der anderen Seite sehen sich »echte« Unternehmer auch in einer Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern, die einen erfolgreichen Verkauf mit ermöglicht haben. Der Unternehmer will sich ja auch Jahre später noch in guter Erinnerung halten, wenn er den Familien seiner Mitarbeiter am Sonntagmorgen beim Bäcker begegnet.

CRN: Die erste Reaktion bei Mitarbeitern auf einen Unternehmensverkauf ist doch erst einmal: Schock und Angst um Arbeitsplatzverlust.

Schmid: Ja, und daher sollte der Verkauf eines Unternehmens schon lange vor den Verkaufsgesprächen beginnen. Etwa damit, dass eine »echte« zweite Führungsebene neben dem Unternehmen aufgebaut wird, wo die Prokura nicht nur auf dem Papier steht. Dies kann bedeuten, dass Schlüsselmitarbeiter durch Optionen im Falle eines Verkaufs profitieren oder kleinere Anteile übernehmen und zu Unternehmern im Unternehmen werden. Vorteil: Der Vollblut-Unternehmer kann vorab schon einmal das »Loslassen« trainieren. Solchen Schritten müssen dann aber auch unmittelbar Taten folgen. Beispielsweise, dass Manager der übernommenen Firma in die Gruppen-Geschäftsleitung aufsteigen und IT-Profis rasch wechselseitig gemeinsame Kundenprojekte stemmen.

CRN: Wie bereitet man den Exit kommunikativ vor?

Schmid: Das Geheimnis liegt in der guten Vorbereitung: Es kommt ganz auf den erste Auftritt bei der Bekanntgabe an. Eine zweite Chance gibt es nämlich hier nicht. Das fängt bei Berichtswegen, Karrierepfaden, Gehaltsangleichungen an und hört bei der Frage des zukünftigen Firmennamens noch lange nicht auf. Wichtig ist, dass am Tag eins alle Kanäle bereit sind: Also die Kommunikation zu allen Stakeholdern. Zu ihnen gehören Mitarbeiter, Kunden, strategische Partner und Lieferanten, die Medien, Verbände, das gesellschaftspolitische Umfeld in der Region und viele weitere Akteure. Und wie beim Vertrieb ist es wichtig, dass die Einwandbehandlung steht und Key-Accounts unter den Stakeholdern rasch und umfassend über die Vorteile informiert werden. Und zwar persönlich. Denn gerade in Zeiten der Sozialen Medien gilt: Menschen machen Geschäfte, nicht Webseiten!

CRN: Welche Kardinalfehler sollte man im M&A-Prozess nicht machen?

Schmid: Da gibt es viele. Den anderen übervorteilen zu wollen, beispielsweise. Das geht nach hinten los, denn ein Käufer wird sich über Garantie-Regelungen sein Geld zurückholen, wenn er später feststellt, dass die Bilanzen oder Planungen etwas zu hübsch waren. Drohen Klagen und wird der Streit öffentlich, wäre der Imageschaden für alle groß. Ein weiterer Fehler: Der neue Eigentümer wird nicht müde zu betonen, was ab der Übernahme alles besser werde und sagt damit indirekt, dass vor der Übernahme alles schlecht gewesen war. Man sollte den Stolz der Mitarbeiter und das langjährige Netzwerk eines Patriarchen nicht unterschätzen.

CRN: Wie lange dauern Verkaufsprozesse?

Schmid: Wie sagte doch der französische Dichter Victor Hugo so treffend: »Nichts ist so kraftvoll wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.« Oft erlebe ich, dass kraftvolle Unternehmer zu lange zögern, weil sie meinen, das nächste Jahr werde noch besser laufen als alle Jahre davor. Dahinter steckt meist die Angst vor der Leere, wenn man nach einem Rückzug nicht mehr der geachtete Unternehmer ist. Treten Umstände ein wie eine plötzliche Krankheit, wird gegen den guten Feuerwehrgrundsatz für Entscheidungen im ersten Augenblick verstoßen: »Stehe still und denke nach«. Idealtypisch wäre, zirka zwei bis fünf Jahre vor dem Verkauf die Weichen zu stellen. Die heiße Phase beginnt schließlich mit der Auswahl eines branchenerfahrenen Corporate Finance-Beraters. Mit etwa neun Monaten Vorlauf startet die Business Planung.

CRN: Und wenn es schneller gehen muss?

Schmid: Oft höre ich, dass es mit meinen Kontakten doch binnen drei bis fünf Monaten möglich sein müsste, einen Käufer zu finden. Das geht schon. Wir haben für ein deutsches IT-Unternehmen mit zweistelligen Millionen-umsätzen umständehalber in gut zwei Monaten einen Käufer gefunden, aber mit entsprechenden Auswirkungen auf den Kaufpreis. Es gab in diesem Fall unabänderliche Sachzwänge für die Geschwindigkeit. Wir haben Übernahmen aber auch ohne Zeitdruck schnell, sprich in vier Monaten, in die Wege geleitet – wobei sechs bis neun Monate eher die Regel sind, um eine Transaktion optimal abzuwickeln. Der Kaufpreis ist dabei eine Facette!

Dr. Bernhard Schmid (www.global-value-management.de) promovierte über Corporate Finance im deutschen Mittelstand und wird auf dem ITK-Spitzentreffen der CRN unter anderem darüber sprechen, warum neben harten Fakten vor allem viel psychologisches Geschick bei einem erfolgreichen Verkaufsprozess eines IT-Unternehmens hilfreich ist.


  1. »Eine zweite Chance gibt es nicht«
  2. Nudging – wie man kluge Entscheidungen anstößt

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