Wahlkampf per Video-Plattform

Merkel und die Generation YouTube

16. August 2017, 11:12 Uhr | Lars Bube

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Fragen nicht abgesprochen

Was also bewegt die Generation YouTube? Die Fragen sind bunt gemischt - und oft altersgemäß. Es geht um Umweltschutz und Massentierhaltung, um Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen und nach einer Legalisierung von Cannabis oder um Gerechtigkeitsfragen (»Sehr geehrte Frau Merkel, wie kann es sein, dass es in Deutschland eine so krasse Spaltung zwischen Arm und Reich gibt?«). Einige treibt die Flüchtlingssituation um (»Wie viele Flüchtlinge sollten in den nächsten Jahren nach Deutschland kommen?«). Und natürlich geht es immer wieder um das Bildungssystem (»Warum werden die Schüler nicht fürs Leben vorbereitet?«)

Vorab hatten die vier YouTuber nach eigenen Angaben Bedingungen gestellt: »dass das Ganze live stattfinden wird und dass die Kanzlerin unsere Fragen nicht vorher bekommt«, erklärt »ItsColeslow«. »Da kann man natürlich auch mal eine Frage stellen die ein bisschen unbequem ist und die man hinterher nicht einfach rausschneiden kann«, meint »MrWissen2Go«. Vorbereitet werde das Interview, das in vier Themenkomplexe eingeteilt ist, gemeinsam mit dem zum TV-Konzern ProSiebenSat.1 gehörenden Multiplattform-Netzwerk Studio71. Das Netzwerk, das für die Redaktion verantwortlich ist, hatte auch bei der Kanzlerin angefragt und die YouTuber ausgewählt. Ob es eine ähnliche Aktion mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz geben wird, ist laut einem Sprecher unklar.

Die Chancen für alle Beteiligten sind enorm. Für die vier YouTuber bietet die Aktion einen Popularitätsschub sowie die einmalige Gelegenheit, die Kanzlerin zu interviewen. Und für Merkel? »Das Interview ist eine kluge Strategie«, sagt der Kommunikationsforscher Patrick Donges von der Universität Leipzig. »Die Kanzlerin erreicht eine junge Zielgruppe, die sich nicht besonders für Politik interessiert, die mit den traditionellen Wahlkampfmitteln schwer erreichbar ist.« Zudem sei ein Interview eine andere Kommunikationssituation als etwa eine Ansprache, da könne auch mal etwas schief laufen. Aber: »Die Kanzlerin ist Kommunikationsprofi genug, dass sie da keine Fehler machen wird«, meint Donges.

Also eine Win-Win-Situation für alle? Ganz so einfach ist es nicht. LeFloid etwa musste nach seinem Merkel-Interview auch Kritik einstecken. Zu seichte und zu freundliche Fragen, so lautete damals der Vorwurf von Journalisten. Und die Kanzlerin kann nicht automatisch davon ausgehen, dass die jungen Erstwähler bei der CDU ein Kreuz machen werden. So lautete das Fazit von LeFloid nach seinem Kanzlerin-Interview: »Hunderttausende haben dieses Interview gesehen, Hunderttausende haben Antworten auf ihre Fragen bekommen, und Hunderttausende werden auch nach diesem Interview garantiert nicht CDU wählen – mich eingeschlossen.«


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