Große Bandbreiten im Access-Netz über Ethernet-Architekturen zu erreichen, ist kein Problem mehr. Auch Ethernet im Verbindungsnetz wird zunehmend beliebter. Doch die paketorientierte Architektur bringt Einschränkungen mit sich, wenn es darum geht, Echtzeit-Anwendungen zu realisieren.
Von Kurt Kayser
Den paketorientierten Access-Netzen wird die Zukunft gehören. Sie sind preiswert zu realisieren, bieten extrem hohe Bandbreiten und gestatten eine flexible Gestaltung nahezu beliebiger Dienste, was sowohl für bereits fest etablierte Dienste wie Voice, Video und Daten als auch für noch kommende Dienste gilt. In welche Richtung diese Denkansätze laufen können, lässt sich bereits bei einem Forschungsprojekt der Universität Berkeley erkennen: Mit Seti@Home wird seit Längerem verteiltes Rechnen über das Internet erprobt. Die Ressourcen tausender privater Computer unterstützen das Forschungsprojekt zur Suche nach außerirdischer Intelligenz. Und das in Berkeley seit 1999 durchgeführte Projekt hat Nachahmer gefunden. So werden ähnliche verteilte Cluster auch für die Krebsforschung eingesetzt.
Diese Forschungsprojekte basieren auf der Aufteilung und Auslagerung von Rechenaufgaben. Echtes Clustering, wie es bei Hochleistungs- Parallel-Rechnern erforderlich ist, ist darunter nicht zu verstehen. Doch sowohl die Optimierung verteilten Rechnens als auch die Gewährleistung hoher Dienstqualität klassischer Multimediadienste erfordern eine große Präzision in der Synchronisation der beteiligten Kommunikationsnetze. Diese Anforderungen erfüllten bisweilen ausschließlich leitungsvermittelte Systeme. Die klassische Struktur des Ethernets, und darauf aufsetzend auch die des Internet-Protokolls, ist jedoch zunächst einmal nicht für diese Aufgaben ausgelegt. Mithilfe geeigneter Protokolle kann dieses Problem allerdings gelöst werden.
Synchrone Ethernet-Access-Netze
Voraussetzung für ein synchron laufendes System ist eine stabile und präzise Zeitbasis, mit deren Hilfe der Systemtakt an allen Standorten und in allen Geräten synchronisiert werden kann. Die klassische Funkzeitbasis DCF-77 (in Deutschland) genügt jedoch den Ansprüchen schneller Ethernet-Netze nicht mehr und ist auch nicht für Netzwerke mit internationalen Dimensionen geeignet. Darüber hinaus ist es wichtig, die Synchronisation aufrecht zu erhalten, falls einmal das Taktsignal gestört ist.
Es werden also spezielle protokollarische Verfahren benötigt, um Synchronität im Ethernet herzustellen, speziell gilt dies in Carrier-Ethernet-Strukturen mit dem Ziel,
klassische TDM-Dienste anzubieten, oder Funkzellen (ab 3G) mit Synchrontakt zu versorgen. Sehr einfach kann dies bereits auf der physikalischen Ebene erreicht werden, wobei eine konsequente Unterstützung durch die Hardware vorausgesetzt werden muss, ganz unabhängig von der Art des physikalischen Mediums (Glas, Kupfer oder Funk). Einschränkend wirkt auf der physikalischen Ebene, dass lediglich die Phaseninformationen, nicht jedoch das exakte Timing abgeleitet werden kann. Technisch wird der Takt mit einer digitalen Phasenregelschleife (DPLL, Digital Phase Lock Loop) in den Geräten regeneriert.
Um möglichst präzise Timing-Informationen liefern zu können, werden auf der Standard-Ethernet-Ebene OAM-Pakete (Operation Administration and Maintenance) mit höchster Priorität übertragen. Aus diesen lassen sich sowohl der Systemtakt als auch die „Time-of-Day“-Informationen ableiten. Die Synchronisation auf dem Layer 2 hat eine wichtige Bedeutung für die Realisierung von TDM-Diensten über Ethernet. Auf Applikationsebene werden mit dem klassischen NTP (Network Time Protocol) sehr präzise Timeof-Day-Informationen ausgetauscht. Das Verfahren ist ideal zur Synchronisation von Servern und Computern, jedoch für die TDM-Dienste zu träge.
TDM-Emulation im Ethernet
Der Trend in der modernen TK-Landschaft bewegt sich weg vom leitungsvermittelten Netz hin zum breitbandigen und flexiblen paketorientierten Gesamtsystem. Dennoch sind klassische leitungsvermittelte Dienste nach wie vor dominant und werden diese Rolle auch in den kommenden Jahren nicht verlieren. Dies betrifft sowohl die schmalbandigen ISDN-Kanäle mit 64 kBit/s als auch anspruchsvolle Sonet/SDH-Architekturen mit Bandbreiten von bis zu 155 MBit/s.
Bei der Konzeption von TDM-Diensten über Ethernet ist zu beachten, dass die langsamste Instanz die gemeinsame Übertragungsgeschwindigkeit zwischen den Endpunkten vorgeben muss. In allen digitalen Kommunikationssystemen sind Jitter stets eine kritische Größe. Diese können zwar durch Pufferung der Daten optimal in den Griff bekommen werden, jedoch hat dies auch einen großen Einfluss auf die Laufzeiten der Signale (Latenz), was insbesondere bei zeitkritischen Anwendungen wie beispielsweise Videoconferencing und Voice zu großen Problemen führen kann. Wichtig ist die Transparenz der TDM-Kanäle.
Ein weiteres, wichtiges Kriterium für den Transport von TDM-emulierten Diensten ist die Paketgröße, mit der ein Dienst übertragen wird. Je kürzer die Pakete sind, desto unanfälliger sind sie typischerweise für Jitter und Pufferereignisse. Die Übertragung innerhalb eines paketorientierten Mediums wie Ethernet gestattet auch die Reduktion der Bandbreite durch die Nutzung von Payload-Aware-Algorithmen, jedoch setzt dies die permanente Analyse der übertragenen Bitströme voraus und führt damit zur Verteuerung des gesamten Konzeptes. Dies steht einem der wichtigsten Ziele zur Einbindung von TDM-Infrastrukturen in Ethernet entgegen: die Kostenersparnis.
Kostenoptimierung ist die zwingende Voraussetzung für Carrier, um einem zunehmend härteren Preiskampf stand zu halten. Hierzu wird nach der Integration von TDM-Strukturen in Ethernet auch die Zusammenlegung verschiedener TDM-Dienste kommen müssen. Damit verbunden wird die Zusammenfassung von Sonet/SDH (Synchronous Optical Network; Synrchronous Digital Hierarchy), VC-12, VC-3 und VC-4 in eine einzige OC3/STM-1-Infrastruktur mit der festen Übertragungsrate von 155 MBit/s es ermöglichen, TDM in jede Ethernet-Infrastruktur zu integrieren und ohne Vergeudung von Bandbreite zu verwalten.
Fazit
Ethernet erobert sowohl das Access- als auch das öffentliche Kernnetz und stellt damit künftig eine von Ende zu Ende durchgängige paketorientierte Infrastruktur dar, die jedoch auf lange Sicht hinaus die leitungsvermittelten Dienste nicht obsolet machen kann, welche bisweilen in reinen Zeitmultiplex-Infrastrukturen (TDM) realisiert werden. TDM ist jedoch teuer, ineffektiv in der Nutzung von Bandbreite und unflexibel bei der Gestaltung neuer Kommunikationsdienste. Nicht nur aus Gründen des Wettbewerbs ist es deshalb unabdingbar, nach flexibleren und preiswerteren Alternativen zu suchen, ohne Abstriche in der Qualität hinnehmen zu müssen.
Ethernet hat sich von einem rein lokal einsetzbaren Netzwerkstandard hin zu einer leistungsfähigen Carrier-Plattform entwickelt und kann auf verschiedenen physikalischen Infrastrukturen wie klassische Kupferleitungen und Lichtwellenleiter aufgesetzt werden. Der paketorientierte Charakter von Ethernet nutzt die Bandbreite effektiv aus. Probleme hinsichtlich Timing und Synchronisation für TDM-Dienste werden durch die Implementierung von geeigneten Protokollen gelöst, wobei speziell IEEE 1588v2 (wird auch PTPv2 – „Precise Time Protocol“ bezeichnet) und Synchronous Ethernet (ITU-T G.8261+8262) für Ethernet eine elementare Bedeutung hat und von namhaften Herstellern wie Adva Optical Networking bereits in den aktuellen Produkten implementiert wird.