Schwierigkeiten in Organisationen werden oft mit einer Veränderung der Unternehmenskultur bekämpft. Vielfach greift dies zu kurz und Tabus und blinde Flecken verstärken die Problematik zusätzlich. Business Simulationen, die in einem hohen Maße von Diskursen leben, sind hier ein wirksames Mittel.
Veränderungsprojekte starten oft auf der Ebene der Unternehmenskultur. Man hat erkannt, dass etwas nicht so wie gewünscht funktioniert, und sieht in einer Weiterentwicklung der Kultur „den“ Hebel, um die offensichtlich gewordenen Probleme zu beheben. Dann werden Change Programme konzipiert und Change Agents benannt, die die Veränderung vertreten sollen. Allein: Durch solche Vorgehensweise ist noch kaum eine Kultur verändert, geschweige denn sind grundlegende Schwierigkeiten einer Organisation zum Besseren gewendet worden. Im Gegenteil, viele Programme verlaufen im Sande.
Ein Beispiel: Nach der Einführung eines neuen Business Modells in einer Matrixorganisation wurde schnell deutlich, dass sich beim Zusammenspiel zwischen den horizontalen und vertikalen Bereichen große Ineffizienzen und ein Konkurrenzdenken entwickelten. Der fehlende „Geist“ für das „Leben“ des Modells wurde schnell als wesentlicher Schwachpunkt identifiziert. Dem sollte durch ein Kulturveränderungsprogramm begegnet werden.
Letztlich stellte sich trotz des Programms heraus, dass sich hinsichtlich der eigentlichen Ziele kaum etwas geändert hatte. Denn die Strukturen der Organisation sowie die handelnden Personen blieben ja gleich, die Formalstruktur unverändert. Eine direkte Beeinflussung der Kultur ist aber ohne Veränderungen auf der formalen Seite nicht möglich. Warum sollte sich auch eine Führungskraft anders verhalten, wenn die Anreizsysteme für diese Person auf das Optimieren der eigenen Abteilung ausgerichtet ist?
Es braucht also eine gute Analyse der Organisation bezüglich seiner Formalstruktur und informalen Seite, um ein passendes Veränderungsvorhaben zu konzipieren. Dabei spielen sogenannte Latenzen eine wichtige Rolle, denn in jeder Institution gibt es als Teil der Kultur „blinde Flecken“ und „Tabus“. Phänomene, die der Sozialwissenschaftler Niklas Luhmann als Beobachtungs- und Kommunikationslatenzen bezeichnete.
Warum es wichtig ist, dass man die Latenzen kennt
Unter Beobachtungslatenzen versteht Luhmann – ähnlich dem blinden Fleck einer Person – Aspekte, die eine Organisation nicht wahrnimmt. Ein wesentlicher Unterschied zu den „blinden Flecken“ in der Persönlichkeitspsychologie ist, dass Beobachtungslatenzen nicht an einzelne Akteure gebunden sind, sondern ein Merkmal der Organisation sind. Daher verschwinden sie bei Personalveränderungen auch nicht. Dies führt unter Umständen dazu, dass ein Unternehmen, das mit einem Produkt hoch erfolgreich ist, die Einführung neuer Produkte verschläft, da es viel Energie und Aufwand in die Entwicklung „seines“ Produktes gesteckt hat und damit blind für die Veränderungen des Marktes wird. Beispiele hierfür, wie Siemens mit dem Faxgerät oder Nokia mit dem Mobiltelefon, finden sich in der Geschichte zuhauf. Dasselbe gilt, wenn innovative Wettbewerber aus völlig anderen Richtungen ins Spiel kommen. Die etablierten und ja auch durchaus erfolgreichen Unternehmen haben diese oft schlicht nicht auf „dem Schirm“.
Kommunikationslatenzen sind den Akteuren in der Organisation bekannt. Man hat aber gelernt, dass man sie offiziell nicht ansprechen darf: Sie sind tabu. Das kann sich auf Praktiken wie der Benutzung nicht vorschriftsmäßiger Werkzeuge ebenso beziehen, wie auf das Abweichen von vorgegebenen Prozessen. Ein wesentlicher Aspekt bei den Kommunikationslatenzen ist, dass die Beteiligten darum wissen, dass man entgegen dem Vorgeschriebenen handelt und entscheidet, dies aber nicht offen und offiziell thematisieren und diskutieren kann. Zudem können sie für Unternehmen durchaus auch hilfreich sein, ermöglichen sie doch unter Umständen ein effizienteres Arbeiten.
Will man Veränderungen erreichen, ist es wichtig, dass solche Latenzen erkannt und auf ihre Funktionalität für die Organisation hin analysiert werden, damit man sie und die Effekte beim „Aufdecken“ im Vorfeld mitdenken kann: Denn blinde Flecken können per se nur von außen wahrgenommen werden. Ein unreflektiertes „Aufdecken“ führt unter Umständen aber eine Beobachtungslatenz in eine Kommunikationslatenz über: Man erfährt von einem blinden Fleck, negiert ihn und schafft ihn so aus der Welt. Für das Erkennen, ebenso wie für ein erstes Ansprechen sind Austausch und Diskurs das Mittel der Wahl. Zu deren Initiierung haben sich Business Simulationen als besonders wirkungsvoll herausgestellt.