Werbung für Insolvenz

Unmoralische Steuer-Tricks bei Firmenpleite

13. Oktober 2017, 10:53 Uhr | Martin Fryba

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Beleidigter »König von Burladingen«

Diese Gelegenheit ließ sich Deutschlands prominentester Mittelstands-Patriarch, den man aus Auftritten in diversen Talkshows kennt, nicht entgehen: Der Selfmade-Millionär und selbst ernannte Ehrenmann von der Schwäbischen Alb zeigte sich gewohnt entrüstet, und er machte die Sache, ganz PR-Profil, öffentlich. Trigema-Chef Grupp fühlt sich persönlich beleidigt und in seiner Ehre als 1.200 Arbeitsplätze schaffender mittelständischer Unternehmer tief gekränkt. Überhaupt sei es schon sehr weit gekommen, wenn mit der Insolvenz geworben werde, »dass man hier problemlos Steuergelder erhalten und sich indirekt über die Insolvenz bereichern kann«, zitiert ihn »Bilanz«, das Wirtschaftsmagazin der »Welt«. Löhne und Steuerschulden zu vergesellschaften, Außenstände bei Lieferanten per Insolvenzquote zu drücken oder gar Firmenvermögen vor der Insolvenz rausziehen, auf Frau oder Kinder übertragen und es dann als Firmendarlehn zu hohen Zinsen später wieder aufnehmen, empfinde Grupp als einen Affront. Grupps moralische Beschwerde landete auch beim baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU), der allerdings ausweichend lediglich die offensive Werbung mit der Eigeninsolvenz von Buchalik Brömmekamp »problematisch« nennt, wie »Bilanz« zitiert.

Viel mehr als die Werbeform zu kritisieren, kann der CDU-Landesminister freilich nicht. Es war seine Partei, die das 2012 eingeführte »Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen« mitgetragen hatte. Fortführen und sanieren im Sinne des amerikanischen Insolvenzrechts nach Chapter 11 statt die noch lukrativen Reste finanziell angeschlagener Firmen auszuschlachten, Jobs ansonsten aber zu vernichten, war der einleuchtende Grundgedanke des Gesetzgebers. Als eines der ersten und größeren IT-Unternehmen hierzulande, das unter das damals neu eingeführten Schutzschirmverfahren geschlüpft ist, war übrigens der TK-Spezialist Nextiraone aus Berlin mit seinen 800 Mitarbeitern (CRN berichtete).

Grupps Entrüstung hat rechtlich kaum eine Grundlage. Alles korrekt, wehrt sich denn auch die Kanzlei Buchalik Brömmekamp gegen den »tendenziös negativen Inhalt des Artikels« von »Bilanz«. Alles legal und ein »seriöser Weg zur Krisenbewältigung« wie man am aktuellen Fall von Air Berlin sehen könne. Dass der Staat und somit die Steuerzahler sowie Gläubiger aus der Privatwirtschaft wesentliche Lasten einer Fortführungslösung eines gestrauchelten Unternehmens mittragen, widerspricht Grupps Wesen eines, freilich aus der Mode gekommenen, paternalistischen Unternehmertums. Grupp geißelt, wo er kann, die Profitmaximierung.

Im Zollernalbkreis wird der 75-Jährige »König von Burladingen« genannt, und so regiert der persönlich haftende Kaufmann auch, der sich nicht in die Bilanzen schauen lässt und sich jegliche Einmischung von außen stets verbittet. Und er ist überzeugt, dass Deutschland Tausende solcher Grupps braucht – ohne Größenwahn und Gier, dafür mit viel Verantwortung. Wie man die Gruppsche Haltung am besten fördert, weiß der Textilunternehmer selbstverständlich auch: Persönlich haftenden Inhabern von Firmen sollte der Fiskus die Hälfte der Einkommensteuer erlassen.


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