Geld ist der Nerv aller Dinge - und genau das ist das Problem einer Buchhaltermentalität in vielen Unternehmen. Matthias Kauf plädiert für eine Unternehmenskultur, die Kunden und Mitarbeiter begeistert statt lähmt.
CRN: Herr Kauf, Boni oder Gehaltssprünge würden bei Mitarbeitern kein »energetisches Feuer« auslösen, wie Sie in Ihrem Buch erwähnen. Sie beschreiben einen Geldsegen als »müdes Tischfeuerwerk«. Da werden Sie jetzt höchstens bei Firmenchefs auf große Zustimmung stoßen.
Matthias Kauf: Wenn man das vordergründig betrachtet, mag dieser Eindruck entstehen. Wissenschaftliche Untersuchungen indes bestätigen, dass zusätzliches Geld immer nur sehr kurz positive Gefühle auslöst oder kurz motiviert. Jeder von uns freut sich über eine Finanzspritze, aber eben nur kurz. Aus dem Geschenk eines zusätzlichen Gehalts wird schon in der ersten Wiederholung eine Selbstverständlichkeit, über die dann später niemand mehr nachdenkt. Es sei denn, sie bleibt wider Erwarten aus: Dann macht sich Frust schneller breit, als man »erfolgsbasierte Prämie« überhaupt sagen kann.
CRN: Geld ist aber doch der Nerv aller Dinge, das beherrschende Thema schon bei kleinen Lichtern und erst recht im Top-Management.
Kauf: Obwohl so vieles, eigentlich fast alles, zu Geld und Gewinn drängt in unserer Welt, bleibt doch festzustellen: Nichts nutzt sich schneller ab als eine Gehaltserhöhung – und nichts hat länger Wirkung als eine gelungene Motivation.
CRN: Wie erreicht man sie?
Kauf: Aus meiner Sicht ist es wesentlich zielführender, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Erfolg eines Unternehmens zu beteiligen. Erwirtschaftet das Unternehmen einen Gewinn, kann dieser an alle Mitwirkenden verteilt werden. Im Idealfall bekommt jeder den gleichen Anteil. Hier ist jedoch ein Umdenken in den Köpfen der Unternehmer und Manager erforderlich. Weg vom »ICH«, hin zum »Wir«. Unternehmenserfolg ist immer eine Gemeinschaftsleistung.
CRN: Auch Geld verdienen, ist keine Vision, sagt Hermann Ramacher, Inhaber des Distributionsunternehmens ADN. Warum mache ich das alles, wofür stehe ich jeden Morgen so früh auf, fragen Sie sich ja selbst und wahrscheinlich auch viele andere Arbeitnehmer. Fehlt uns ein Sinn, Werte vielleicht, die uns jenseits materieller Sicherheit motivieren?
Kauf: Ich glaube tatsächlich, dass viele Unternehmer sich viel zu selten die Frage nach dem Sinn stellen. Wenn der Fokus ausschließlich auf das Geld verdienen gelegt wird, läuft etwas verkehrt. Definieren Unternehmen Leitsätze, die ihre Ziele und ihre Werte spiegeln und ein vollständiges, attraktives Leitbild ergeben, sind sie in der Lage, ihr Warum und Wofür (WoW) ihres Unternehmens glaubhaft zu definieren. Damit sind sie nicht nur Arbeit- und Geld-, sondern auch Sinngeber. Eine Aufgabe, die meiner Erfahrung nach über die weichen Faktoren unweigerlich harte Wettbewerbsvorteile erschließt.
CRN: Sie meinen Ihre Erfahrung als Unternehmer einer IT-Firma?
Kauf: Ja. Das Team der Servandis GmbH sieht sich als Dienstleister mit der primären Aufgabe, unsere Kunden dabei zu unterstützen und ihnen Werkzeuge wie GenesisWorld [CRM des Herstellers CAS, Anmerkung CRN] an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, wiederum ihren Kunden das »Geschäftsleben« leichter zu machen. Wenn nach einer Implementierung aus zufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Begeisterte werden und diese dann dazu beitragen, ihre Kunden zu begeistern, haben wir als Dienstleister unser Ziel erreicht. Genau diese Aufgabenstellung ist es, die mein Team und mich motivieren, morgens aufzustehen. Wirtschaftlicher Erfolg stellt sich dann, nach meiner Erfahrung, als logische Folge unseres Handelns fast wie von selbst ein.
CRN: Es gibt ja kaum mehr ein Fachbuch ohne den Titelzusatz »mit Hirn« - so auch Ihr Buch. Was kann die Wirtschaft von Neurobiologen lernen?
Kauf: In den mittlerweile 28 Jahren meiner Selbstständigkeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass fast alle Probleme im Geschäftsleben auf die Kommunikation zwischen Menschen zurückzuführen sind. Oft genug habe ich mich über Aussagen und Standpunkte meiner Gesprächspartner geärgert. Aus diesem Grund habe ich den Arzt und Neurowissenschaftler Dr. Franz Jürgen Sperlich mit ins Buchprojekt geholt. Ich möchte mit dem Buch »Vom Kundenwunsch zum Wunschkunden« die Leserinnen und Leser inspirieren, Dinge im Tagesgeschäft zu hinterfragen und sich durch einen Perspektivwechsel auf die andere Seite zu begeben.
Der Wissensbegriff selbst hat sich enorm gewandelt. Einerseits ist reines Faktenwissen zur Massenware geworden - siehe Wikipedia. Durch diese einfache Verfügbarkeit von so gut wie allen Daten und Fakten im Netz bedarf es einer anderen Art von Bildung: der Fähigkeit, die Quantität von der Qualität zu unterscheiden. Der Fachmann ist dadurch gefordert, die Balance zu halten, um nicht auf das Level eines Fachidioten abzurutschen. Denn wer nur etwas von seinem Job versteht, versteht auch davon nichts.
CRN:Braucht man denn heute nicht beides – Tiefe und Breite?
Kauf: Ja, und zwar in der Art einer Zusammenarbeit, die heute schon bei vielen Unternehmen eine selbstverständliche Disziplin ist. Wer nicht in der Lage ist, seine Expertise mit der anderer Menschen zu vernetzen, wer zwar die Technik beherrscht, aber keine persönliche Ansprache zustande bringt, wird es heute bei aller fachlichen Kompetenz schwer haben, wenn er nicht noch etwas Entscheidendes dazulernt: soziale Kompetenz – die Fähigkeit zum aktiven Mitarbeiten, Mitdenken und Mitfühlen. Oder wie es Freiherr von Knigge, ein bis heute relevanter Unternehmensberater der ersten Stunde, schon im 18. Jahrhundert wusste: »Interessiere Dich für andere, wenn Du willst, dass andere sich für Dich interessieren«.