50 Millionen Datensätze abgegriffen

Facebook außer Kontrolle

3. April 2018, 6:49 Uhr | Andreas Dumont
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Die britischen Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica soll 50 Millionen Nutzerprofile ausgewertet und für personalisierte Anzeigen etwa im US-Wahlkampf genutzt haben.

Zum wiederholten Male steht Facebook in der Kritik. Dieses Mal nicht wegen Fake News oder Hass-Postings, sondern wegen der gezielten Einflussnahme auf das Wahlverhalten etwa beim Brexit oder der US-Wahl durch eine Firma namens Cambridge Analytica (CA). Geholfen haben dabei sicherlich die 50 Millionen Datensätze, die die dubiose Firma von Facebook abgegriffen hat. Auch wenn dies wahrscheinlich den Facebook-Geschäftsbedingungen widerspricht, besonders schwer gemacht hat der Social-Media-Riese den Zugang zu den Daten nicht. Von geklauten oder gehackten Daten zu sprechen geht folglich an der Realität vorbei. Es war eher ein Facebook-Gebrauch als ein Facebook-Missbrauch. Ein prominenter Kunde des Datenspezialisten war Donald Trump. CA soll ihm im Wahlkampf 2016 geholfen haben, mit Facebook-Anzeigen gezielt Anhänger zu mobilisieren und potenzielle Wähler von Hillary Clinton abzuschrecken. Pikanterweise wird die Analyse-Firma in den USA von der Familie Mercer unterstützt, die Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf mit großen monetären Zuwendungen massiv geholfen hat. Das ist wohl nur die Spitze des Eisbergs: CA brüstet sich damit, bei über 200 Wahlen weltweit erfolgreich Einfluss genommen zu haben. Und wer weiß, wie viele Camebridge Analyticas es noch gab und gibt?

Facebook ist eines der mächtigsten Unternehmen der Welt, was den Einfluss auf Wahrnehmung und Sozialverhalten angeht. Und Facebook hat mehrfach bewiesen, dass es nicht in der Lage ist, diese Macht angemessen zu kontrollieren. Aber sein Geschäftsmodell wird das soziale Netzwerk nicht ändern – und das basiert nun einmal darauf, die Daten von Nutzern zu verkaufen. Zwar machen es angekündigte Änderungen künftig schwieriger, Daten so auszuschlachten, wie Cambridge Analytica das tat. Aber Missbrauch wird es auch in Zukunft geben. Zu wissen, was 2,1 Milliarden Nutzer denken und wofür sie sich interessieren, ist einfach zu lukrativ. Der aktuelle Fall, der ja bereits zwei Jahre zurück liegt, kam letztendlich nur mit Hilfe des Whistleblowsers Christopher Wylie in vollem Umfang ans Licht. Die Reaktion von Facebook kam sehr zögerlich. Das Unternehmen hat bereits in der Vergangenheit in Momenten der Krise eher Nebelkerzen gezündet als zur Aufklärung beizutragen. Facebooks Krisenbewältigung im aktuellen Fall: ein halbherziges Facebook-Posting. Keine externen Gutachter, keine Listen mit Apps, die Daten unrechtmäßig abgegriffen habe, keine Benachrichtigung der Nutzer, deren Daten unautorisiert benutzt wurden.

Die bundesweit für Facebook zuständige Hamburger Datenschutzbehörde hält vor diesem Hintergrund eine schärfere Regulierung solcher Kommunikationsplattformen für unabdingbar. »Dass Wahlen eine freie und unbeeinflusste Willensbildung der Wähler ermöglichen, war stets Wesenskern der demokratischen Staaten. Davon kann im Zeichen der Digitalisierung nicht mehr ausgegangen werden«, sagte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar dem Handelsblatt.

In den USA hat eine Facebook-Nutzerin eine Klage gegen Facebook wegen der unerlaubten Verwendung ihrer Daten eingereicht. Sammelklagen sind nicht unwahrscheinlich. Parallel ist unter dem Hashtag #deleteFacebook bei Twitter eine Bewegung von Nutzern entstanden, die von Facebook die Nase voll haben. Unterstützt wird sie auch von einem der Gründer von WhatsApp, Brian Acton, die ihre App 2014 für 19 Milliarden Dollar an Facebook verkauft haben. Wenn aus der Hashtag-Aktion eine breit geführte Privatsphäre-Debatte um die großen Internet-Konzerne erwüchse, wäre viel erreicht. Die sozialen Netzwerke müssen sich neu erfinden, andernfalls haben sie sich bald überlebt. Wer sein Profil bei Facebook löscht, sollte sich aber keinen Illusionen hingeben: Die bisherigen Daten bleiben gespeichert und werden weiterhin kommerziell genutzt. Auch Ex-Nutzer bleiben so und über andere Facebook-Dienste wie Whatsapp und Instagram für Werbung zugänglich. Facebook ist unlöschbar.


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