Bei allen Forderungen nach gesetzgeberischen Gegenmaßnahmen darf eines nicht vergessen werden: Die geltenden Gesetze reichen aus, sie müssen nur konsequent angewendet werden. Eine Anzeige wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe führen. So hatte der Beitrag »Der Verbrecher Gabriel gehört standrechtlich erschossen« für den Verfasser ein gerichtliches Nachspiel. Er wurde wegen Beleidigung zu 1.200 Euro Geldbuße verurteilt.
Hassreden und Beleidigungen sind leicht zu erkennen. Deutlich schwieriger sieht es bei Fake News aus. Facebook ringt offenkundig mit sich selbst um die richtige Strategie. Manche Facebook-Nutzer in den USA sehen unter ihren Newsfeed-Nachrichten die Frage »To what extend do you think that this link’s title uses misleading language?« Das bedeutet zweierlei: Zum einen hat Facebook offensichtlich nicht vor, das Identifizieren von Fake News irgendwelchen Algorithmen zu überlassen und sich ohne öffentliche Kontrolle zum Herrn über Lüge und Wahrheit aufzuschwingen. Andererseits wälzt das Unternehmen die Verantwortung teilweise auf die Nutzer ab. Unklar ist, was mit den gemeldeten Inhalten passiert. Vielleicht sollen sie als abschreckende Beispiele entsprechend markiert werden. Das hätte aber einen Haken: Die Markierung lädt Trolle dazu ein, seriöse Nachrichten als irreführend oder umgekehrt Fake News als vertrauenswürdig zu markieren. Wahrscheinlich geht Facebook deshalb einen anderen Weg.
2015 hat das Unternehmen das Patent für ein System beantragt, das Beschwerden von Nutzern, maschinelles Lernen und menschliche Moderatoren kombiniert. Eine Künstliche Intelligenz soll dabei mit gemeldeten Meldungen trainiert werden, um eine Vorauswahl für die Moderatoren zu treffen. Letztendlich müssen also entsprechend geschulte Angestellte oder Dienstleister wie die Bertelsmann-Tochter Arvato oder das Recherchezentrum Correctiv darüber entscheiden, was entfernt wird und was nicht. Dem entgegen steht die Aussage von Facebook-Manager Elio Schrage: »Mir ist nicht klar, warum es angesichts von 1,8 Milliarden Nutzern und ihren vielen verschiedenen Sprachen klug sein soll, jetzt damit anzufangen, Redakteure einzustellen.« Dazu kommt, dass das Geschäftsmodell von Facebook nicht ist, den Menschen das Teilen von Botschaften zu ermöglichen, sondern Werbeplätze zu verkaufen. Es profitiert von jedem viralen Inhalt, egal ob wahr oder erfunden. Am Ende wird vielleicht doch die Bundesregierung gesetzlich eingreifen und eine redaktionelle Bewertung von Facebook-Inhalten erzwingen – inklusive staatlicher Vorgaben, was Fake News sind.