Digitalisierung im Public Sector

Freie Software für die Öffentliche Verwaltung

19. Januar 2024, 8:06 Uhr | Autor: Tillmann Braun / Redaktion: Diana Künstler
© Artur/AdobeStock_

Es soll mit der Digitalisierung der Verwaltung voran gehen. Das neue Zentrum für Digitale Souveränität will dabei mittels Open-Source-Software Abhängigkeiten mindern. Neben Lösungen und Support für Verwaltungen sollen auch Kubernetes-basierte Cloud-Anwendungen und KI stärker gefördert werden.

Der Artikel geht unter anderem auf folgende Fragen ein:

  • Was ist das Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS)?
  • Welche Aufgaben hat das ZenDiS?
  • Was ist openDesk und wie unterstützt es die Verwaltung?
  • Wie fördert das ZenDiS die Entwicklung und den Austausch von Open-Source-Software?
  • Welche Rolle spielen Automatisierung und Künstliche Intelligenz (KI) im Kontext der Digitalisierung?
  • Warum ist die Förderung von Open-Source-Software wichtig für die heimische Softwarebranche?
  • Wie unterstützt openDesk die Öffentliche Verwaltung in Bezug auf Kosten und Flexibilität?
  • Welche bekannten Open-Source-Produkte werden durch openDesk bereitgestellt?
  • Wie groß ist die bisherige Resonanz auf Open CoDE, die Plattform für Open-Source-Software?
  • Welche Rolle spielt das ZenDiS in der Zusammenarbeit zwischen OSS-Anbietern, OSS-Community und der Öffentlichen Verwaltung?

Das neu gegründete Zentrum für digitale Souveränität (ZenDiS)1 hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, diese Abhängigkeit von Behörden zu reduzieren und Alternativen zu marktbeherrschenden Software-Lösungen zu bieten. Durch die Wiederverwendung von Open-Source-Lösungen sollen zudem die Budgets entlastet werden. Einen vielversprechenden Anfang macht dabei openDesk2 – eine Software-Suite für jeden Arbeitsplatz, die aus zahlreichen etablierten Open-Source-Produkten besteht (siehe Infokasten unten).

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Das Zentrum für digitale Souveränität (ZenDiS)

Das ZenDiS ist eine gemeinsame Initiative des Bundes und der Länder, um das Angebot und die Verwendung von Open-Source-Software (OSS) in der Öffentlichen Verwaltung zu stärken. Basierend auf dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung und den Digitalstrategien vom Bund und den Ländern wurde im Dezember 2022 das Zentrum für digitale Souveränität gegründet. Als zentrales Kompetenz- und Servicezentrum soll hier der Bedarf der Verwaltung mit den Anbietern von Open-Source-Lösungen abgestimmt und Synergien bei der Entwicklung und Bereitstellung genutzt werden. Das BMI stellte hierfür eine entsprechende Anschubfinanzierung sicher.

Laut Beteiligungsmodell soll die ZenDiS GmbH gemeinsam von Bund und Ländern getragen werden. Das ZenDiS übernimmt außerdem die Trägerschaft von „openDesk“ (ehemals „Souveräner Arbeitsplatz“) als zentrale Komponente eines leistungsfähigen, sicheren und souveränen OS-basierten Arbeitsplatzes sowie „Open CoDE“ vom BMI, die gemeinsame Plattform der Öffentlichen Verwaltung für den Austausch von Open-Source-Software. Ende 2023 ist das ZenDiS auch der GovDigital eG beigetreten, sodass Bundesländer, die vorerst keine Gesellschafter des ZenDiS sind, sowie Kommunen und weitere öffentliche IT-Dienstleister das ZenDiS direkt beauftragen können.

Aufwind für die heimische Software-Branche

ZenDis-Geschäftsführer Andreas Reckert-Lodde
ZenDis-Geschäftsführer Andreas Reckert-Lodde: „Wir wollen den Behörden ein funktionierendes Angebot aus etablierter Open-Source-Software und kompetenter Unterstützung bieten.“
© Tillmann Braun

Viele Branchen hatten ihren Anfang in Europa und sind doch heute anderswo zuhause. Das gilt für die TV- und Unterhaltungsindustrie ebenso wie für die Solar-Branche. Auch die Software-Branche war hier einst erfolgreich, doch seit Jahrzehnten fließt das Geld hauptsächlich ins Silicon Valley und nach Redmond in den USA.

Um diese prekäre Abhängigkeit zu reduzieren, wurde vor rund einem Jahr das Zentrum für digitale Souveränität als GmbH gegründet. Gründungsväter waren Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik im Rang eines Staatssekretärs, und ZenDiS-Interimsgeschäftsführer Andreas Reckert-Lodde. Seit Dezember 2023 unterstützt zudem der ehemalige Staatsekretär Ralf Kleindiek das ZenDiS als zweiter Interimsgeschäftsführer. „Das Entscheidende ist, dass wir uns unabhängiger aufstellen und gleichzeitig viele Akteure mit einbeziehen“, betont Markus Richter, CIO des Bundes. In der Förderung quelloffener Open-Source-Software und dem Support dieser Lösungen im öffentlichen Sektor sieht auch Andreas Reckert-Lodde die Hauptaufgaben des ZenDiS. „Wir wollen den Behörden ein funktionierendes Angebot aus etablierter Open-Source-Software und kompetenter Unterstützung bieten“, erklärt der ZenDiS- Geschäftsführer. „Es gibt wirklich viele großartige Software-Lösungen wie beispielsweise die millionenfach bewährte E-Mail-Plattform von Open-Xchange aus Köln, die von fast allen großen Internet-Providern genutzt wird – oder die sichere Matrix-basierte Messaging-Plattform Element, die beim Militär in Frankreich, in der Ukraine und auch bereits bei der Bundeswehr genutzt wird. Auch die Projektmanagement-Software OpenProject wird von vielen Unternehmen wie beispielsweise Mercedes-Benz verwendet.

Solche Produkte und Lösungen haben das Potenzial, eine neue Wertschöpfungskette für Open-Source-Software zu etablieren und der heimischen Softwarebranche neuen Aufwind zu geben,“ ist sich Reckert-Lodde sicher. Über Nacht könne man mit den Milliarden-schweren Investitionen in proprietäre Software jedoch nicht konkurrieren. Sowohl bei der Usability als auch beim Support von OSS sieht der gelernte Elektrotechnik-, Nachrichten- und Kommunikationstechniker noch Nachholbedarf bei Open-Source-Software. Auch für die Öffentliche Verwaltung ist das Betreiben eigener Rechenzentren teuer und unflexibel geworden.

Über Andreas Reckert-Lodde
Der gebürtige Münsteraner hat einen Master in Disaster Management and Risk Governance (Katastrophenvorsorge und Katastrophenmanagement) und war von 2008 bis 2016 für die strategische Funknetzplanung und Sicherheit im Netzbetrieb bei der Bundesanstalt für Digitalfunk (BDBOS) mitverantwortlich. 2016 wechselte er als Referent ins Bundesministerium des Innern. Seit Dezember 2022 leitet er als Interimsgeschäftsführer das Zentrum für digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) mit Sitz in Bochum. Darüber hinaus leitete er die AG Cloud Computing und Digitale Souveränität des IT-Planungsrat.

openDesk für die Cloud-Zukunft

Wie die Privatwirtschaft besteht bei Ämtern und Behörden der Wunsch und Bedarf ihre IT in einer Cloud-Lösung zu betreiben, die selbstverständlich alle Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz erfüllen muss. Der openDesk-Arbeitsplatz, dessen Projektträgerschaft das ZenDiS vom Bundes­ministerium des Innern (BMI) übernimmt, wird daher als flexible Cloud-Lösung bereitgestellt, die in jeder Kubernetes-fähigen Cloud betrieben werden kann. Den Ämtern und Behörden soll so eine maximale Freiheit bei der Wahl ihres Cloud-Anbieters eingeräumt und ein Vendor-Lock-in, wie etwa bei MS-Office-Anwendungen, vermieden werden.

Neben dem souveränen Arbeitsplatz (openDesk) will ZenDiS mit Open CoDE3 – aktuell noch in Projektträgerschaft des BMI – auch die Entwicklung und den Austausch von Open-Source-Software in der Öffentlichen Verwaltung fördern. Mit der OSS-Plattform will man zudem das zentrale Versprechen „Publish early, publish often“ für die OS-Community erfüllen. Auch hier wird jede Code-Zeile, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde, wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, getreu dem Motto „Public Money – Public Code“.  Aktuell hat Open CoDE bereits 1.000 Repositories in 350 Gruppen, die von über 3.000 Entwicklern genutzt werden.

Über openDesk

Der souveräne Arbeitsplatz openDesk ist eine OSS-Software-Suite aus quelloffenen Komponenten, vergleichbar mit der dPhoenix-Suite der Dataport AöR, die alle Anforderungen an Produktivität, Kollaboration und Kommunikation in der öffentlichen Verwaltung erfüllt. openDesk besteht aus folgenden Komponenten:

  • Open-Xchange liefert eine etablierte E-Mail-, Kalender- und Kontakt-Management-Plattform, wie sie weltweit und seit vielen Jahren von Webhostern und Internet-Service-Providern genutzt wird.
  • Collabora liefert die Office-Anwendungen für Textverarbeitung, Präsentationen und Tabellenkalkulation, die ebenfalls zahlreiche Referenzen hat, unter anderem das Kernforschungszentrum CERN in Genf.
  • OpenProject liefert klassische aber auch agile und hybride Projektmanagement-Software, wie sie unter anderem auch bei Siemens, Fraunhofer, Mercedes-Benz, Audi, Infineon und Siemens zum Einsatz kommt.
  • Element ist eine dezentralisierte und flexible Kommunikationsplattform für Chat, IP- und Video-Telefonie, die auf dem offenen Matrix-Standard basiert.
  • Nextcloud liefert die Open-Source-Plattform für Content Collaboration und bietet Dateizugriff über Web-, Desktop- und mobile Applikationen.
  • XWiki bietet als Second Generation Wiki nicht nur klassische Lösungen zu kollaborativem Editieren, Versionskontrolle und Rechtemanagement, sondern darüber hinaus auch Verwaltungs-, Blog- und Forumslösungen. Damit ist es zum Beispiel einsetzbar als Wissensdatenbank oder kollaboratives Intranet.
  • Darüber hinaus trägt Nordeck mit Whiteboards (openDesk Widgets) und Univention mit der IT-Infrastruktur und einem Zugriffs- und Identitätsmanagement zu openDesk bei. 

Automatisierung und Künstliche Intelligenz

Gerade bei der Automatisierung und bei der Nutzung von KI sieht ZenDiS-Geschäftsführer Reckert-Lodde die Notwendigkeit von Open Source. Denn nur wenn die KI durch quelloffenen Code nachvollziehbar, transparent und sicherer ist, können die Entscheidungen nachvollzogen und somit KI-basierte Lösungen eine breite Anwendung und Akzeptanz finden. Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz und der Automatisierung in der Öffentlichen Verwaltung ist gewaltig. Viele Ämter und Behörden, aber auch andere sensible Bereiche wie beispielsweise die Justiz leiden unter Personal- und Fachkräftemangel.

Eine Software, die die stetig wachsende Flut an Daten zu bewältigen hilft, ist auch in der Öffentlichen Verwaltung dringend notwendig – heute wie in der Zukunft. Mit dem ZenDiS wurde nun also eine dringend notwendige Instanz zwischen OSS-Anbietern, -Community und der Öffentlichen Verwaltung als Anwender geschaffen. Dem Ziel, sowohl der Digitalisierung als auch dem Kostendruck gerecht zu werden, kommt Deutschland mit dem ZenDiS einen Schritt näher. Um die Abhängigkeit von der Software-Industrie in den USA und China tatsächlich zu beenden, kommt es jetzt auf die Verantwortlichen in den Ländern und Behörden an. Wenn die Vorteile und Chancen von Open-Source-Software erkannt werden, steht einer nachhaltigen und zeitgemäßen Digitalisierung in Deutschland nichts mehr im Wege.  

Tillmann Braun, freier Journalist

1 https://zendis.de/
2 https://www.openproject.org/de/blog/souveraener-arbeitsplatz/
3 https://www.cio.bund.de/Webs/CIO/DE/digitale-loesungen/digitale-souveraenitaet/open-code/open-code-node.html


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