Ein Auswuchs »politischer Degeneration« (Welt) soll das gerade von der Bundesregierung beschlossene Klimapakt sein? Da sind wir Bundesbürger in Punkto Umweltschutz doch schon viel grüner und weiter oder etwa nicht?
Kaum ein Geräusch hallt stolzer durch Deutschlands feinstaubgeplagte Innenstädte als das zufriedene Seufzen, das auf einen aus einem Mehrweg-Coffee-to-go-Becher geschlürften Bio-Kaffee folgt. Der Bundesbürger darf mit sich zufrieden sein. Immerhin kann er sich mit einer schneeweißen Klima-Weste schmücken, so ganz wortwörtlich mit sich im Reinen sein. Denn er ist Vorkämpfer, Mülltrenner, Regional-Obst-Käufer, LED-Lampen-Ankipser und Fair-Trade-Bannerträger an der Klimafront. Beim Thema Umweltschutz kann ihm niemand etwas vormachen. Zwar Fridays still to work – im Zweifelsfall auch mit dem Auto, wenn es wieder mal zu heiß für das Fahrrad ist –, aber zumindest gedanklich bereits Schulter an Schulter mit den zahllosen Jungdemonstranten wider Emissionssünder, Flugzeugflieger und SUV-Fahrer.
Also alles im grünen Bereich? Alles im grünen Bereich!
Wäre da nicht das leidige Thema mit der Digitalisierung. Denn während das How-to-Video über den Zero Waste Lifestyle über den Bildschirm flimmert, verbraucht die IT-Infrastruktur am anderen Ende der Youtube-Leitung laut Forschern jährlich so viel Strom wie das schottische Glasgow. Eine weitere unbequeme Wahrheit: Laut einer Kalkulation der Netzkünstlerin Joana Moll benötigt es 23 ausgewachsene Bäume (keine Bonsais), um die aus einer Google-Recherche resultierenden CO2-Emissionen auszugleichen. Ob ein euphorisch abgegebener Facebook-Like pro Klimaschutz seinen eigenen CO2-Fußabdruck postwendend neutralisiert, ist unter Experten hingegen noch umstritten.
Es gestaltet sich also schwerer als gedacht mit dem reinen Gewissen, wenn zwischen einer Weltreise mit 4x4-Jeep, Aida-Kreuzfahrtschiff und Jumbojet sowie einer ausgedehnten Tagestour auf Google Maps zumindest klimatechnisch nur noch marginale Unterschiede existieren. Da können auch Mehrweg-Becher und Mülltrennung nicht mehr mithalten.
Kommt also der rigorose Digitalausstieg? Dann doch lieber bewusst digital leben als Click-Steuer, PC-Umweltplakette oder Handel von Digitalemissionen.