CRN: Künstliche Intelligenz und Cloud sind oft das Gegenteil von quelloffen. Ist hier Vorsicht angebracht?
Ganten: Das eine ist die Technologie, das andere die Lizenz. KI und Cloud-Anwendungen können sehr wohl mit Open-Source-Software entwickelt werden. Gute Beispiele sind das Machine-Learning-Framework Tensorflow, die KI-Plattform Acumos sowie die Cloud-Lösungen OwnCloud und Nextcloud. Proprietäre Software ist jedoch tatsächlich mit Vorsicht zu genießen. Geschäftlich relevant ist KI zum Beispiel bei der Vorhersage von persönlichen Interessen und dem vorschlagsbasierten Verkauf von Produkten. Menschliches Verhalten vorherzusagen bringt für Unternehmen wie Microsoft massive wirtschaftliche Vorteile. Und genau da sehe ich die Gefahr: Besitzer der Daten haben darauf keinen Einfluss. Zudem weiß niemand, wie die verwendeten KI-Anwendungen aufgebaut sind und was diese genau tun.
CRN: Wie können Systemintegratoren mit Open Source punkten?
Ganten: Zusätzlich zum klassischen Softwaregeschäft können Systemhäuser ihren Kunden mit geringem Aufwand auch ein Open-Source-Portfolio zusammenstellen. Sie profitieren dabei nicht nur vom klassischen Lizenzgeschäft, sondern können Beratung, Implementierung sowie Service und Betrieb verkaufen. Durch Einsatz unseres Univention Corporate Server können unsere Partner als Service Provider für Administrationsleistungen auftreten und ihr Angebot um sichere und hoch skalierbare Cloud-Hosting-Lösungen erweitern.
CRN: Was macht Univention?
Ganten: Wir entwickeln Lösungen für Betrieb und Management von IT-Infrastrukturen. Unser Kernprodukt ist Univention Corporate Server (UCS), eine Alternative zu Serverlösungen von Microsoft. Neben der kostenlosen UCS Core Edition bieten wir gestaffelte Subskriptionsmodelle mit Enterprise-Support und bis zu sieben Jahren Maintenance-Garantie. Mit der Lösung UCS@school bietet Univention außerdem ein umfassendes System für Betrieb und Management von IT in Schulen an. Zu unserem weltweiten Partnernetzwerk gehören neben Technologiepartnern auch eine große Zahl großer und kleinerer Systemhäuser und Reseller mit Kunden aus den verschiedensten Bereichen – vom Mittelstand bis hin zum Bildungssektor. UCS ermöglicht ein zentrales Management der kompletten IT-Infrastruktur, deren Nutzer und der eingesetzten Dienste und lässt sich in Organisationen jeder Größe einsetzen – ganz gleich, ob sie Clients von Apple oder Microsoft oder mit Linux verwenden.
CRN: Was sind die Aufgaben und Ziele der Open Source Business Alliance?
Ganten: Mit rund 160 Mitgliedern ist die Open Source Business Alliance der führende Verband der Open-Source-Industrie in Deutschland. Gemeinsam mit wissenschaftlichen Einrichtungen und Anwenderorganisationen setzen wir uns dafür ein, die zentrale Bedeutung von Open-Source-Software und offenen Standards für einen erfolgreichen digitalen Wandel im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Open Source und offene Standards bilden die Grundlagen für digitale Souveränität, Innovationsfähigkeit und Sicherheit im digitalen Wandel. Kurz gesagt: Wenn Deutschland und Europa auch in Zukunft auf eigenen wirtschaftlichen Füßen stehen und nicht nur Konsument anderswo entwickelter Technologien sein will, brauchen wir eine Hinwendung zu Open Source.
CRN: Welche Entwicklungen erwarten Sie bei der Digitalisierung von Schulen und was bedeutet das für Reseller?
Ganten: Deutschland muss in den nächsten Jahren erhebliche Investitionen in das Bildungswesen und damit auch in dessen IT-Infrastruktur tätigen – das ist in der deutschen Politik weitgehend Konsens. Die Herausforderung für eine wirkungsvolle Nutzung künftiger Budgets sind zukunftssichere Konzepte, die zu den vorhandenen föderalen Strukturen im Bildungswesen passen und möglichst leicht und schnell umsetzbar sind. Wir haben dazu im vergangenen Jahr ein herstellerunabhängiges Konzept zur Digitalisierung der Bildung vorgestellt.
Die regionalen oder landesweiten Schulträger könnten aus den Angeboten verschiedener Cloud- und Softwarehersteller die für sie passende Lösung auswählen – eine bundesweit einheitlich-monolithische IT-Infrastruktur wäre dann nicht notwendig, da die Systeme miteinander reden können. Es gäbe also keinen Gewinner, der in einer zentralistischen »Bundescloud« alles für sich abschöpft, sondern es wird für viele Anbieter neue Auftragsmöglichkeiten geben. Wie sich Systemhäuser darauf am besten einstellen, kann man aber erst klären, wenn die Entscheidungen getroffen sind und die Ausschreibungen bevorstehen.