CRN-Interview mit Open-Source-Experte Peter Ganten

»Proprietäre Software ist mit Vorsicht zu genießen«

28. September 2018, 10:44 Uhr | Andreas Dumont
Peter Ganten, Gründer und CEO von Univention
© Univention

Im Interview mit CRN erklärt Peter Ganten, wie Unternehmen und Systemhäuser von Open-Source-Lösungen profitieren und warum proprietäre Lösungen in vielen Bereichen einen Bremsklotz darstellen.

CRN: Könnte man Open Source als einen Treiber der Digitalisierung bezeichnen?

Peter Ganten: Das kann man sehr wohl, denn der Erfolg von Digital-Unternehmen wie Amazon, Facebook und Google basiert zu großen Teilen auf Open-Source-Software. Durch offenen Quellcode können Organisationen die Software jederzeit an ihre Geschäftsmodelle anpassen und behalten stets die volle Kontrolle. Außerdem sind sie nicht von Lizenzen Dritter abhängig und können ihre Anwendungen nach Belieben skalieren. Schließlich ermöglicht es Open Source auch, die Kontrolle über die Sicherheit der eingesetzten Systeme zu behalten: Sie müssen bei Sicherheitsproblemen nicht auf irgendwelche Hersteller warten. Open-Source-Software ist damit nicht nur ein Treiber, sondern der Schlüssel für die Modernisierung von in Deutschland in die Jahre gekommener IT-Infrastrukturen sowie für den Aufbau neuer Geschäftsmodelle.

CRN: Wie steht der deutsche Mittelstand zu Open Source?

Ganten: Im deutschen Mittelstand findet ein Umdenken statt. Bisher wurde IT hier oft als notwendiges Übel gesehen. Immer mehr Unternehmen erkennen jedoch, dass sie beim langfristigen Betrieb proprietärer IT-Lösungen erhebliche Risiken eingehen und mit den Anbietern technologisch nur eingeschränkt agieren können. Hinzu kommt, dass proprietäre Anbieter immer mehr Teile ihrer Lösungen auf eigene Cloud-Plattformen bringen – und damit die Abhängigkeit der Unternehmen ein neues Ausmaß erreicht. Viele IT-Verantwortliche haben diese Problematik erkannt, und langjährige Open-Source-Gegner wie Microsoft rühmen sich heute ihres Einsatzes quelloffener Software.

CRN: Open Source in der öffentlichen Verwaltung wird kontrovers diskutiert, München wechselt wieder zurück zu Microsoft. Was ist Ihr Standpunkt dazu?

Ganten: Der aktuelle Abbruch einer jahrelangen SAP-Migration bei Lidl zeigt, dass das Scheitern von aufwändigen Projekten nicht von Open oder Closed Source abhängt. Über die Gründe zum Scheitern von LiMux will ich nicht spekulieren. Unsere Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass IT-Projekte, insbesondere der öffentlichen Hand, oft deutlich länger dauern und teurer werden als ursprünglich geplant. Die Gründe reichen von unrealistischen Planungen, bei denen die Gesamtkosten viel zu niedrig angesetzt werden, bis hin zu mangelnder Akzeptanz. Hinzu kommt ein hoher Individualisierungsgrad: Von Behörde zu Behörde wird die Lösung für das gleiche Problem oft unterschiedlich gestaltet. Das ist auf Dauer teuer, denn es bedeutet, dass jede Individuallösung auch individuell zu pflegen und aktuell zu halten ist.

CRN: Geht es in der Vergabepraxis immer mit rechten Dingen zu?

Ganten: Ich möchte keinem öffentlichen Beschaffer illegales Handeln unterstellen. Aber es gibt im Beschaffungswesen eine Reihe erheblicher Probleme, die es immer wieder verhindern, dass wirklich die beste, also die unter Abwägung aller Aspekte wirtschaftlichste Lösung, beschafft wird. Die zusätzlichen Rechte und Möglichkeiten, welche die öffentliche Hand mit Open-Source-Software erwirbt, werden in den meisten Ausschreibungen nicht berücksichtigt.

In vielen Bereichen findet Wettbewerb zudem nur zwischen Microsoft-Partnern statt. Dies verhindert, dass Produkte anderer Hersteller überhaupt angeboten werden. Stellen Sie sich vor, ein Fahrzeug-Beschaffer würde Angebote für neue PKWs ausschließlich von Toyota-Händlern einholen – ich kann mir nicht vorstellen, dass VW, BMW oder Daimler sich das gefallen lassen würden. In der IT ist diese Praxis Realität.


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