Um den genauen Wohnort der Privatkunden ermitteln zu können, müssen Online-Händler in Zukunft Pflichtfelder anlegen, in die ihre Kunden die eigene Anschrift eintragen. Im Gegensatz zu Online-Shops außerhalb der EU eine starke Einschränkung der Nutzerfreundlichkeit, die im Online-Handel oftmals den Ausschlag gibt, wo Kunden schlussendlich einkaufen. Zudem bleibt unklar, wie genau sichergestellt werden kann, ob der Kunde seinen korrekten Wohnort angegeben hat.
Gleichzeitig muss der Verkäufer in Zukunft die Steuerbestimmungen aller EU-Länder hinterlegen, um die konkreten Steuerabgaben seiner Finanzbehörde mitteilen zu können. Besonders für viele kleine Händler ein Aufwand und ein Risiko, die schlichtweg in keinem Verhältnis zum Ertrag stehen. In der Folge werden viele ihre digitalen Angebote über große etablierte Anbieter vertreiben. Dem Wettbewerb in der europäischen E-Commerce-Landschaft wird so ein Riegel vorgeschoben – vor allem, da die größten Anbieter in diesem Segment fast ausnahmslos nicht in der EU, sondern stattdessen in Amerika beheimatet sind.
Gleichzeitig konterkariert die EU mit ihren Bestimmungen zum Online-Handel die Bemühungen, illegale Downloads einzudämmen. Je schwieriger man es legalen Quellen digitaler Inhalte macht, ein profitables Geschäft aufzubauen, desto schwerer kann ein attraktives Gegengewicht zu illegalen Tauschbörsen geschaffen werden.
Rechtsanwalt Sören Siebert vom Portal »eRecht24« karikiert die IT-Politik europäischer Politiker so: »Das Credo der EU scheint zu sein: Machen wir die Vorschriften für die IT-Wirtschaft stets so kompliziert wie möglich. Man wächst schließlich mit seinen Herausforderungen.« Vielmehr zeigt das Beispiel jedoch, dass sowohl europäische als auch deutsche Politiker den aktuellen Entwicklungen im Netz meilenweit hinterherhinken. Politik, die offline funktioniert, kann für das digitale Geschäft hinderlich, wenn nicht sogar tödlich sein. Umso schlimmer, wenn wie im Falle des Online-Handels Geschäfte mit enormen Zukunftspotential an die Wand gefahren werden. Europa hängt in Sachen E-Commerce vor allem den USA bereits weit hinterher. Dieser Abstand wird sich in Zukunft noch weiter verstärken.
Die Politik muss von ihrer Analogen Sichtweise Abstand gewinnen und sich vielmehr den Begebenheiten des digitalen Wandels anpassen. Nur so kann sie ihre Aufgabe erfüllen und auch in Europa angemessene Rahmenbedingungen für den Handel mit nicht physischen Gütern schaffen. Das muss schnell passieren, schließlich ist das digitale Geschäft schon längst Realität.