Übernahmekandidaten sind bei Cancom willkommen, aber nur dann, wenn sie mit potenziellen Cloud-Kunden auch gleich die Perspektive für die Refinanzierung des Kaufpreises mitbringen. Ist das nicht der Fall, könnte Cancom für kleinere Systemhäuser dennoch interessant werden.
Der Wandel zur Cloud-Technologie verändert auch die Bewertungsmaßstäbe für Systemhäuser. Die zunehmende Cloud-Nutzung bei Endanwendern lässt die Nachfrage nach klassischen Systemhausleistungen im Projektgeschäft sinken. Gewinne aus dem Lösungsgeschäft werden geringer, dagegen nehmen wiederkehrende Erlöse und Erträge aus Cloud-Verträgen stetig zu. Auf diesem Einnahmemodell basiert Cancoms Strategie, nach dieser Rechnung beleuchtet der Cancom-Vorstand potenzielle Übernahmekandidaten aus der Systemhaus-Branche. Hat das Systemhaus überwiegend kleinere Kunden bis zu 50 IT-Arbeitsplätze, kommt es nicht auf die M&A-Liste bei Cancom. »Auf Sicht von fünf Jahren wird ein solches Systemhaus ein Drittel seines heutigen Umsatzes verlieren«, so die Theorie von Cancom-Chef Klaus Weinmann. Weniger Kunden, dafür große Anwenderunternehmen, die man schnell in die Cancom-Cloud integrieren kann, in solche Kundenbeziehungen kauft sich der in Augsburg studierte Betriebswirt Weinmann gerne ein.
Bei der schnellen Amortisierung von Invests rechnen bayerische Schwaben ebenso bestechend wie ihre Stammesverwandten in Württemberg. Ein Beispiel: Hat ein Systemhaus fünf Kunden, wovon zwei so groß sind, dass sie zügig auf Cancoms Privat-Cloud AHP migrieren könnten und monatlich für jeweils 100.000 Euro Umsatz stehen, kann man mit Cancom ins Übernahmegeschäft kommen. 30.000 Euro operativer Gewinn im Monat stehen für 360.000 Euro im Jahr, mal zwei Kunden, bedeutet 720.000 Gewinn im Jahr. Unter dieser Annahme fällt es Weinmann nicht schwer, zwei Millionen für ein Systemhaus auf den Tisch zu legen, das mittlerweile kaum mehr einen Ertrag erwirtschaften kann. »Solche Systemhäuser, die idealerweise in Ballungsräumen sitzen und potenzielle Cloud-Kunden im Rucksack haben, schauen wir uns genau an«, sagt CEO Weinmann im exklusiven Gespräch mit CRN.
IT-Häuser, die eine solche Kundenstruktur im gehobenen Mittelstand nicht vorweisen, aber unter Druck stehen, Cloud-Angebote zu offerieren, sind für Cancom aus einem anderen Grund spannend: Das Systemhaus mit seinem Tochterunternehmen Pironet kann sich vorstellen, ihre Cloud als White-Label-Lösung Dritten zu öffnen. Noch sind das aber Überlegungen, ein konkretes Partnerprogramm, wie das einige neue Cloud-Anbieter ausschließlich für den Channel schon offerieren, gibt es bei Cancom noch nicht.