15. April 2014, 13:08 Uhr |
Mathias Hein, freier Consultant in Neuburg an der Donau
Kolumnist: Mathias Hein
Als Berater werde ich oft gefragt: "Welches ITK-System ist das Beste?"
Natürlich lautet die Antwort auf diese Frage: „Es hängt immer davon ab!“
Die Frage nach dem besten ITK-System ähnelt ein bischen der Frage: "Welches Automobil ist das Beste?" Die Antwort hängt natürlich von vielen individuellen Faktoren ab. Was will man mit dem Auto unternehmen: Soll das Auto beruflich oder privat genutzt werden. Sollen Dinge transportiert werden? Wie viele Kinder (inklusive Kindersitze) müssen im Auto untergebracht werden? Wird das Fahrzeug ausschließlich auf geteerten Straßen oder auch Off-Road bewegt? Wie hoch soll die maximale Geschwindigkeit des Fahrzeugs sein? Diese Liste ließe sich noch beliebig verlängern. Stellt man genügend Fragen, dann trifft man wahrscheinlich die richtigen Möglichkeiten und kann nach einiger Zeit die richtige Transportmöglichkeit finden.
Bei der Entscheidung für die richtige Kommunikationstechnik ist es weitaus schwieriger, die richtigen Fragen zu stellen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass man die Anforderungen des Unternehmens versteht, bevor man die jeweiligen Features und Funktionen vergleicht. Eine solide Bedarfsanalyse im Vorfeld kostet eine Menge Zeit, verhindert jedoch, dass man sich im Wirrwarr der Herstellerfunktionen verheddert.
Welche Art von Architektur soll realisiert werden?
Die Optionen lassen sich in folgende Kategorien unterteilen:
Auf dem eigenen Campus, Hosted oder Hybrid? Die Angebote an gehosteten Umgebungen und Cloud-Lösungen nehmen schnell zu. In der Praxis sind diese Lösungen jedoch nicht für alle Unternehmen geeignet. Bei IP-Centrex existiert beim Nutzer keine eigene zentrale Vermittlungseinrichtung. Der zentrale Vermittlungsserver des öffentlichen Netzbetreibers (SIP-Server) steuert für unterschiedliche Nutzer (Centrex-Gruppen) die Dienste. Die internen Telefonverbindungen (Nutz- und Signalisierungsdaten) werden innerhalb des IP-Netzes des Netzbetreibers abgewickelt. Alle Verbindungen zwischen zwei Endgeräten einer Centrex-Gruppe werden immer direkt und nach den eingestellten Routingvorgaben hergestellt. Unter bestimmten Bedingungen wird auch der Verkehr zwischen den „hausinternen“ Nebenstellen über den Switch des Netzbetreibers geführt. Dies hat entsprechende Auswirkungen auf die Dimensionierung der Leitungen zum Netzbetreiber. Bei Hosted-PBX wird für jeden Nutzer eine separate zentrale Vermittlungseinrichtung in den Räumen des Netzbetreibers aufgestellt, die physikalisch vom übrigen IP-Netz des Netzbetreibers getrennt ist. Überwiegend werden die eigentlichen Nutzdaten des „hausinternen“ Verkehrs bei Hosted-PBX entsprechend den Routingeinstellungen direkt zwischen den Nebenstellenteilnehmern ausgetauscht. Nur die Signalisierungsdaten laufen nach außen zur Hosted-PBX.
Zentral oder dezentral? Diese Fragestellung trifft vor allem auf Unternehmen mit mehreren Standorten zu, die über ein WAN miteinander verbunden sind. Sieht die Architektur ein zentrales "Gehirn" vor, bei dem die VoIP-Anlage in einem sicheren Rechenzentrum untergebracht ist, dann wurde bestimmt auch an die Zugangskontrolle (Identifikation, Firewalls, Session-Border-Controller, Gateways, etc.), die notwendige Redundanz der Stromversorgungen, der Server und der zentralen Koppelkomponenten gedacht? Darüber hinaus müssen ausreichende Verarbeitungskapazitäten an jedem Standort vorhanden sein und das WAN muss Fehler kompensieren können. Wie sieht das VoIP-Notrufkonzept aus?
Best of Breed oder All in One? Unter einer All-in-One-Lösung versteht man ein VoIP-System, welches auf einem oder mehreren (virtuellen) Rechnern realisiert wird, bei dem jedoch die Einzelkomponenten von einem einzigen Hersteller stammen. Ein wichtiger Vorteil dieser Lösung ist, dass die beim Zusammenspiel einzelner Komponenten entstehenden Integrationsprobleme entfallen. Bei dem Begriff Best of Breed handelt es sich um eine Strategie, die darauf aufbaut, dass unterschiedliche Lösungsvarianten zum Einsatz kommen. Die Best-of-Breed-Strategie verfolgt den Ansatz, jeweils die bestmögliche Anwendung/Applikation einzusetzen. Die verschiedenen Anwendungen werden über Schnittstellen miteinander verknüpft. Eine Best-of-Breed-Lösung erfordert jedoch auch ein größeres Wissen für die bereichsübergreifenden Anwendungen.
Welche Ausfallsicherheit und Zuverlässigkeit wird benötigt?Wie hoch sind die Kosten, die ein System-Ausfall verursachen würde? Unter Umständen müssen die zentralen Systemkomponenten georedundant in zwei Rechenzentren installiert werden. Alle Teilsysteme sollen sich dabei wie ein Gesamtsystem für den Nutzer und für die Betriebsführung (Konfiguration und Administration, Gebührenerfassung, Datenhaltung, Rufnummernplan usw.) verhalten. Die auf die Rechenzentren verteilten Systeme müssen eine Redundanz in der Form realisieren, dass bei Ausfall des einen Systems das jeweils andere die volle Funktion des ausgefallenen Systems übernimmt, ohne dass Einschränkungen in der Nutzung des UC/VoIP-Systems entstehen und für die Nutzer spürbar sind. Durch einen ständigen Abgleich aller Konfigurations- und weiterer Systemdaten wird gewährleistet, dass im Redundanzfall ein ungestörter Betrieb gesichert ist. Im Normalbetrieb soll zwischen den auf die Rechenzentren verteilten Systemen ein gezieltes, standortbezogenes Load-Sharing einrichtbar und nutzbar sein. Welche zusätzlichen Kosten entstehen durch die notwendigen Redundanzfunktionen?