Der große Nutzen von Predictive-Ansätzen ist das Erkennen von heraufziehenden technischen Problemen, bevor es zu einem Stillstand kommt. Das Ziel ist es sozusagen, ein im klassischen Monitoring auftretendes Ereignis durch rechtzeitige Prävention zu unterbinden und den Betrieb des RZ von „reaktiv“ auf „proaktiv“ umzustellen.
Der nächste Schritt sind dann umfangreiche KI-Algorithmen, die selbständig lernen. Bis diese flächendeckend zum Einsatz in Rechenzentren kommen, liegt trotz erster beachtlicher Erfolge aber noch ein weiter Weg vor den Technologien. Denn die Herausforderung liegt nicht allein in den Algorithmen. Die KI-Systeme sind nur genauso intelligent, wie es ihre Datengrundlage und die sinnvolle Verknüpfung verschiedenster Faktoren zulassen. Sonst ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass falsche Störungen prognostiziert werden, die gar keine sind.
Klassische Monitoringsysteme kommen hier schnell an ihre Grenzen, denn die üblichen Durchschnittswerte und vereinzelten Messpunkte reichen in großen, heterogenen Infrastrukturen nicht aus, um ein KI-System ausreichend zu füttern. Durch vordefinierte Zeitintervalle kommt es beispielsweise zum Verlust wertvoller Informationen, wie etwa Peaks. Mittel- und Schwellwerte bringen also eine eindimensionalen Sicht mit sich und können zu unnötigen Fehlalarmen führen. Es darf eben im Produktiveinsatz nicht vorkommen, dass ein KI-System wie ein Wahrsager auch mal daneben liegt oder nur ungefähre Tendenzen prognostiziert. Dafür müssen die Systeme aber trainieren und lernen dürfen – ein Zeit- und Arbeitsaufwand, den sich aktuell kaum jemand leisten will. Im Zeitalter von Cloud & Co. kommen zusätzliche Hürden auf die IT-Abteilungen zu, denn sie haben teilweise keinen Zugriff auf die Infrastrukturen.
Neben all den Herausforderungen ist bereits heute ein Produktiveinsatz von vordefinierten Predictive-Methoden in Rechenzentren vor allem bei Steuerungen neuer Kühlsystemgenerationen zu beobachten. Diese Systeme haben sich bewährt, sodass davon auszugehen ist, dass diese Verfahren in nicht allzu ferner Zukunft als Off-the-Shelf-Technologie flächendeckend zum Stand der Technik im RZ-Betrieb werden. Immer mehr Lösungen zur Auswertung von Monitoring-Daten sind am Markt verfügbar, die in allen Bereichen des RZs Optimierungen liefern. Das ist in jedem Fall eine gute Nachricht, denn derart effizient betriebene Rechenzentren könnten sich zunehmend den wirklich wichtigen Aufgaben widmen: etwa der vorausschauenden Berechnung einer zuverlässigen 14-Tage-Wetterprognose.
Oliver Lindner ist Head of Business Line Data Center bei FNT