„Die Cloud“ bezeichnet meist die Angebote der sogenannten Hyperscaler, in erster Linie AWS, Google und Microsoft, die riesige, zentrale Rechenzentren mit Zehntausenden Servern betreiben. Was sie gut können, ist skalieren – also sehr schnell mehr vom Gleichen bereitzustellen. Das Eingehen auf spezifische Kundenbedürfnisse bleibt dabei auf der Strecke. Als Gegenentwurf tauchen aktuell immer häufiger Begriffe wie Edge-Rechenzentren oder Micro-Rechenzentren auf. Als Vorteile nennen die Befürworter Flexibilität und Nähe zum Entstehungsort der Daten.
Erschwert wird die Diskussion, weil es keine verbindliche Kategorisierung gibt. Für einen US-amerikanischen Hyperscaler kann ein Rechenzentrum in Deutschland bereits ein Edge-Rechenzentrum sein. Aus Sicht eines mittelständischen Fertigungsbetriebs ist dagegen ein Serverschrank in einem Produktionsstandort ein Edge-Rechenzentrum. Konzerne betrachten mit IT vollgestopfte Schiffscontainer als Micro-Rechenzentrum. Andere benutzen den Begriff für ein kleines Cluster aus wenigen Komponenten, das zum Beispiel in einem kleinen Windpark die Steuerung der Anlage übernimmt.
Das Betriebsmodell macht den Unterschied
Diese Unsicherheit bei der Definition macht zweierlei deutlich. Erstens sind die Übergänge fließend. Zweitens entscheiden letztendlich nicht nur messbare Parameter wie CPU-Leistung und Speicherplatz, sondern der individuelle Bedarf darüber, welche Art von Rechenzentrum die richtige ist. Daher bietet sich statt der Einteilung auf Grundlage technischer Parameter eher eine grobe Einteilung nach dem Betriebsmodell an.
Hier lassen sich drei Arten von Rechenzentren unterscheiden. Erstens die zentralisierten, standardisierten und auf Skalierbarkeit getrimmten Hyperscaler. Zweitens mittelständische Rechenzentren mit Nähe zum Kunden und flexiblem Angebot. Drittens vom Anwenderunternehmen selbst betriebene Rechenzentren jeder Größenordnung.
Einer Anfang 2018 vorgelegten Studie zufolge, die der Bitkom beim Borderstep Institut in Auftrag gegeben hatte, steigen Investitionen in Rechenzentren dieses Jahr um etwa zehn Prozent.
Gerade im Zuge von IoT-Projekten sollen Daten wieder vermehrt nah am Entstehungsort verarbeitet werden, etwa um Echtzeitanforderungen zu erfüllen. Daher ist bei kleinen und kleinsten Rechenzentrumseinheiten wieder ein Zuwachs zu erwarten. Allerdings erfolgt die nachgelagerte Verarbeitung, Auswertung und langfristige Speicherung der Daten nach wie vor in größeren Rechenzentren. Doch auch bei denen ist es von Vorteil, wenn sie geografisch nahe am Kunden sind.
Ein Beispiel dafür ist ein süddeutscher Verkehrsverbund, der Micro-Rechenzentren in seinen Bahnhöfen betreibt. Dort werden Daten wie Ankunfts- und Abfahrtszeiten, Stellwerkseinstellungen und ähnliches verarbeitet und kurze Zeit gespeichert. So ist der Bahnhof bei Bedarf vorübergehend autonom handlungsfähig. Für die langfristige Sicherung der Daten oder rechenintensive Analyseaufgaben greift das Unternehmen auf die Ressourcen eines mittelständischen Rechenzentrumsbetreibers in seiner Nähe zurück.
Bei einem größeren Datacenter sind die Gesamtkosten pro Quadratmeter Rechenzentrumsfläche geringer. Ein größerer Rechenzentrumsbetreiber kann zudem das teure Fachpersonal effizienter einsetzen. Ihm fällt es auch leichter, die benötigen Experten überhaupt zu finden und umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen konsequent umzusetzen.
Der Bedarf von Unternehmen beschränkt sich zudem nicht allein auf Rechenleistung und Speicherkapazität. Oft benötigen sie fachliche Unterstützung beim Betrieb der Applikationen oder es müssen Standorte vernetzt werden. Dies erfordert IT-Expertise, die bei größeren Rechenzentrumsbetreibern zum Dienstleistungsspektrum gehört. Vorteilhaft ist, dass diese Services von ein und demselben Serviceprovider erbracht werden. Ist der selbst ein mittelständisches Unternehmen, haben Kunden in der Regel persönliche Ansprechpartner, die in jeglicher Hinsicht „ihre Sprache sprechen“ und gegebenenfalls auf Sonderwünsche eingehen können.
IT-Verantwortliche sind gut beraten, nicht einfach blindlings einem neuen Trend „Micro-Edge“ zu folgen. Sie sollten sich vielmehr unvoreingenommen die Frage stellen, wo und wann sie für ihre Geschäftsanforderungen welche Rechenleistung zu welcher Qualität benötigen. Die Antwort darauf wird gerade bei Projekten für IoT, Industrie 4.0 und Digitalisierung oft ein Mix aus mehreren Varianten sein. Kleine und Kleinst-Rechenzentren können dabei eine wichtige Rolle spielen, ersetzen werden sie regionale und große Rechenzentren jedoch sicherlich nicht.