Datensammlung und -analyse

Fortschritt in Echtzeit

13. Dezember 2022, 10:15 Uhr | Interview: Diana Künstler
Welches Potenzial eine weitreichende Datendemokratisierung mit sich bringen kann, erläutert Boaz Jan, Engineering Group Lead bei Monday.com, im Interview.
© echtzeit/123rf

Das Unternehmen hinter dem gleichnamigen Work Operating System Monday.com hat ein eigenes BI-Tool entwickelt: „Big Brain“ hat Zugriff auf alle relevanten KPIs des Unternehmens und stellt die Zahlen allen Mitarbeitern zur Verfügung – wie ein gemeinsames, gigantisches Unternehmensgehirn.

funkschau: Tools zum Sammeln und Analysieren von Daten gibt es viele am Markt. Warum also hat man sich bei Monday.com die Mühe gemacht, mit „Big Brain“ ein eigenes Tool dafür zu entwickeln?

Boaz Jan: Der Hauptgrund ist, dass jedes Unternehmen anders ist, sowohl in Bezug auf die Art und Weise, wie es arbeitet, als auch in Bezug auf die Ziele, die es sich setzt und wie und was es misst. So auch bei uns: Wie unser Unternehmen gewachsen ist, so ist auch unser Datenbedarf gewachsen. Ein System zu schaffen, das sich durch das Wachstum eines Unternehmens entwickelt und allen die Möglichkeit bietet, über die wichtigsten Daten zu berichten und sie zu analysieren, spart enorm viel Zeit und Mühe.

Bei Monday.com glauben wir außerdem an Eigenverantwortung und Einfluss. Wir haben gelernt, dass unsere Mitarbeitenden die volle Verantwortung für ihre Arbeit übernehmen müssen, und zwar von A bis Z. Das vermittelt ein Gefühl der persönlichen Investition und des Engagements, was zu einer besseren Leistung führt. Wir wollten daher eine Daten-Engine entwickeln, die uns mehr als nur das End-ergebnis, nämlich die Bits und Bytes des eigentlichen Prozesses, liefert. Unser Ziel war es, die Daten für alle zugänglich zu machen und mit unserer Kultur in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck haben wir eine Abteilung für Unternehmenswachstum geschaffen, die dafür zuständig ist, jede Abteilung mit den für ihre Arbeit erforderlichen Informationen zu versorgen. Normalerweise legen Unternehmen regelmäßig KPIs fest und überprüfen den Fortschritt nach einem festgelegten Zeitplan. Mit einem unternehmensinternen BI-System können jedoch dynamische KPIs verwendet werden und Fortschritt kann in Echtzeit verfolgt werden. Wir haben daher beschlossen, ein Tool zu entwickeln, das dynamische KPIs für jeden einzelnen Aspekt unseres Geschäfts generieren kann. So entstand BigBrain.

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Monday.com
...ist ein Arbeitsbetriebssystem, auch Work OS genannt, in dem Organisationen Tools und Prozesse erstellen können, die sie benötigen, um Aspekte ihrer Arbeit zu verwalten. Die Plattform ist an jedes Geschäftsfeld anpassbar und wird derzeit von über 152.000 Kunden aus über 200 Branchen in 200 Ländern genutzt. Das Unternehmen wurde 2012 gegründet, die Markteinführung folgte 2014. Die über 1.400 Mitarbeitenden arbeiten im Hauptsitz in Tel Aviv, Israel und international in New York, San Francisco, Miami, Chicago, London, Kiew und Sydney. Für das Gesamtjahr 2021 erzielte Monday.com mit 308,2 Millionen US-Dollar 91 Prozent mehr Umsatz als im Gesamtjahr 2020. 

funkschau: Ein USP von Big Brain ist die radikale Datentransparenz. Inwiefern ebnet das den Weg zum geschäftlichen Erfolg?

Jan: Es ist Teil unserer Unternehmenskultur, dass wir Informationen im gesamten Unternehmen weitergeben, um unsere Mitarbeitenden für die Situation des Unternehmens und die Geschäftsziele zu sen-sibilisieren. Die Verwendung eines maßgeschneiderten BI-Systems bedeutet, dass jeder Teil des Unternehmens mit denselben Tools arbeiten und seine Daten an die jeweiligen Bedürfnisse der verschiedenen Abteilungen anpassen kann. Dies schafft nicht nur Zusammenhalt im gesamten Unternehmen, sondern bedeutet auch, dass es eine einzige Datenquelle, eine „Quelle der Wahrheit“ gibt, die jede:r als Grundlage für seine Arbeit nutzt. So können alle Mitarbeitenden schnelle, datenbasierte Entscheidungen treffen.

funkschau: Heißt Datendemokratisierung im Umkehrschluss, dass alle Daten für alle da sind?

Jan: Jein – Big Brain ist ein Tool, in dem wir Daten über die Geschäftstätigkeit von Monday.com speichern, wir nutzen es jedoch nicht als Datenbank für die Daten unserer Kund:innen. Sein Hauptzweck ist die Analyse der Metadaten von Aspekten in unserem Unternehmen wie Marketing, Produktnutzung, F&E und so weiter. Die freie Verfügung dieser Daten bedeutet für uns eine „Datendemokratisierung“.

funkschau: Doch Datendemokratisierung hat nicht nur Fürsprecher; Kritiker verweisen gerne auf den Datenschutz. Wie sehen Sie das?

Jan: Alle im Rahmen von Big Brain verwendeten Daten sind stark reguliert. Die Demokratisierung unserer Geschäftserkenntnisse findet nur innerhalb der Organisation statt und der Zugang wird nach Bedarf gewährt. Wir sind der Meinung, dass jede:r einzelne MitarbeiterIn Zugang zu Daten haben sollte, die für die tägliche Arbeit relevant sind.

funkschau: Um einen echten Mehrwert bieten zu können, reicht es nicht aus, Daten nur zu erfassen und zu speichern. Welche Aspekte sind Ihrer Meinung nach darüber hinaus ebenso entscheidend und warum?

Jan: Zum einen spielt Zugänglichkeit eine große Rolle – es ist wichtig, dass die Daten und KPIs nicht nur für Unternehmensanalyst:innen zugänglich und verständlich sind, sondern für alle Beschäftigten, die sie benötigen. Außerdem müssen die Messungen so angepasst werden, dass sie tatsächlich für jede Geschäftsabteilung relevant sein können. BI-Tools dienen nicht nur der Speicherung von Daten. Sie helfen auch bei der Organisation, Analyse und Kontextualisierung von Daten und verwandeln sie in sinnvolle und umsetzbare Erkenntnisse. Wir passen unsere Datenmessungen an den Bedarf unserer Teams an.

funkschau: Trotz der zahlreichen technologischen Möglichkeiten und Daten-Tools, die der Markt bietet, scheitern viele Unternehmen immer wieder am Versuch, den datengetriebenen Weg einzuschlagen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Wo gibt es hier noch Nachholbedarf?

Jan: Die Digitale Transformation ist ein Prozess, der mit dem Verständnis beginnt, dass jeder Geschäftsaspekt in nützliche Daten umgewandelt werden kann. Dieses Verständnis wird manchmal als notwendiges Übel und nicht als strategische Investition wahrgenommen. Manchmal müssen zunächst Ressourcen umgeschichtet werden, bevor man eine unmittelbare Veränderung feststellen kann. Sobald ein Unternehmen dieses Verständnis entwickelt hat, hilft es bei der datengesteuerten Entscheidungsfindung in allen Bereichen des Unternehmens. Unternehmen sollten daher qualifizierte, datenaffine Talente einstellen, die bei der Entwicklung einer solchen datengesteuerten Kultur helfen können. Zu guter Letzt neigen Unternehmen dazu, Entscheidungen auf der Grundlage von Intuition zu treffen, anstatt einen Prozess der Validierung zu schaffen. Daten helfen dabei, einen datengesteuerten Entscheidungsfindungsprozess zu schaffen, der sich in hohem Maße auf Validierung stützt.

funkschau: Welche Bedeutung kommt dabei einer übergeordneten Datenstrategie zu? Welche Punkte sollte eine solche beinhalten?

Jan: Definieren Sie messbare KPIs für jeden Aspekt des Unternehmens. Die Zusammenarbeit rund um eine Quelle der Wahrheit sollte im Fokus stehen – also um einen Bereich, der validierte Daten enthält, mit denen alle arbeiten können. Entwickeln Sie daher eine Transparenz in der gesamten Organisation, die eine datengesteuerte Denkweise von unten nach oben beschleunigt.


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