Der IT-Bereich agiert aktuell in vielen Bereichen wenig nachhaltig und bietet noch viel Spielraum für Verbesserungen und moderne Konzepte. Von der Hardware-Nutzung über den Datacenter-Betrieb bis hin zur Außenwirkung der Unternehmen: Wo die größten (oft ungenutzten) Potenziale schlummern.
Die Anforderungen an Unternehmen von Seiten der Politik und der Gesellschaft in Hinblick auf Nachhaltigkeit werden immer strenger. Beschlüsse wie das Pariser Klimaabkommen setzen klare Richtlinien fest. Und auch in der IT muss die Nachhaltigkeitsbilanz verbessert werden – vom Software-Hersteller über die Rechenzentrumsbetreiber bis hin zu den Endnutzern. Die Wirtschaft muss alle Bereiche unter die Lupe nehmen.
Dabei könnte durchaus der Eindruck entstehen, dass es im Bereich Software kaum etwas zu verbessern gibt. Schließlich braucht es weder Verpackungsmüll noch Transportwege oder Produktionsabfälle. Und das digitale Produkt lebt mittlerweile durch den web- und download-basierten Vertrieb. Und doch kann beispielsweise am CO2-Fußabdruck von Software gearbeitet werden. Denn die Entwicklung und der Betrieb finden letztlich immer auf Hardware statt. Und Hardware – ob im Rechenzentrum oder im eigenen Unternehmen – schlägt in der Umweltbilanz schwer zu Buche. So ist unter anderem das Recycling von Elektroschrott aufwendig. Außerdem enthält dieser toxische Chemikalien, die sowohl für die Umwelt als auch für die Gesundheit schädlich sind. Hinzu kommen Verpackungsmüll und die ressourcenintensive Herstellung, die Energie und Rohstoffe erfordert. Große Mengen leistungsintensiver Hardware an einem Ort vereint – wie in einem Rechenzentrum – haben zudem einen enormen Stromverbrauch. Das liegt vor allem an den benötigten Kühlsystemen. Mittels regenerativen Stroms lässt sich der Bedarf an Energie für Großrechenanlagen aber noch nicht vollständig abdecken. Um Software nachhaltiger zu gestalten, muss man also bei der Hardware ansetzen. Es gibt mittlerweile leistungsstarke Geräte, die weniger Energie verbrauchen, weniger Abwärme erzeugen, weniger Kühlung benötigen und längere Laufzeiten aufweisen. Ein geringerer Energieverbrauch lässt sich wiederum leichter über grünen Strom abdecken.
Eine Ad-hoc-Modernisierung ist allerdings nicht sinnvoll. Das würde zu einer großen Menge Elektroschrott führen und wäre daher nicht im Sinne einer langfristigen Nachhaltigkeitsstrategie. Sinnvoller ist es, Schritt für Schritt vorzugehen und die vorhandenen Ressourcen so lange und effektiv zu nutzen wie möglich. Auch muss der nächste Schritt ausgemusterter Hardware nicht immer direkt die Müllhalde sein. Refurbish-Ansätze geben älterer Hardware noch einen Zweck.
Rote Zahlen bei der IT-Auslastung sind für viele ein Warnsignal – vor allem für die Betreiber von Rechenzentren. Doch hier sollte ein Umdenken stattfinden. Eine Auslastung am oberen Leistungsbereich zeigt nämlich, dass alle verfügbaren Ressourcen effizient ausgenutzt werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass bei einer Auslastung von 50 Prozent die Hälfte der Systeme unnötig betrieben werden. Es ist aber gleichzeitig wichtig, für Spitzenlasten Rechenleistung parat zu haben. Nur sollte diese Leistungsbereitschaft nicht auf Kosten von Energie und Verschleiß gehen – und damit auf die der Umwelt.
Hier bietet es sich an, ungenutzte Infrastruktur ruhen zu lassen, bis sie wirklich gebraucht wird. Das lässt sich oft vollständig automatisieren. Arbeiten beispielsweise zehn Hosts mit je 30 Prozent Auslastung, können entsprechende Orchestrierungslösungen die Vorgänge konsolidieren und auf Hosts zusammenfassen, die für den Betrieb ausreichen. Die ungenutzten Hosts werden abgeschaltet.
Konsolidierung sorgt nicht nur von Fall zu Fall für mehr Nachhaltigkeit, sondern generell. Oft gibt es in Rechenzentren oder IT-Infrastrukturen viele einzelne Anwendungen, die nur einem Zweck dienen. Effizienter sind Lösungen, die mehrere dieser Anwendungen in sich vereinen. Eine konsolidierte Anwendung benötigt in der Regel weniger Energie und Rechenleistung als mehrere einzelne.
Aber auch Legacy-Systeme oder ungenutzte Anwendungen sind unnötige Stromfresser. Das kommt daher, dass sie entweder unnötig laufen oder weil sie noch nicht energieeffizient entwickelt wurden. Monitoring-Lösungen können laufende Prozesse und die damit verbundenen Rechenleistungen und Auslastungen auf einer Plattform zusammenfassen. So lässt sich erkennen, wo Handlungsbedarf besteht und welche Anwendungen unnötig, nicht effizient oder nicht ausgelastet sind.
Doch Rechenzentren müssen nicht zwingend ausschließlich klimaschädlich arbeiten. Sie können einen grünen Mehrwert für die Gesellschaft leisten. Schon jetzt gibt es Konzepte, die Abwärme von Großrechenanlagen umliegenden Haushalten zuzuführen – beispielsweise für Heizungen oder für Warmwasser. Gerade jetzt, in Zeiten der drohenden Gas-Knappheit, sollten entsprechende Konzepte stärker im Fokus stehen. Laut einer Studie des Bitkom ließen sich durch die Anbindung von Rechenzentren an öffentliche und private Fernwärmenetze jährlich rund 350.000 deutsche Wohnungen versorgen. Unternehmen könnten so einen direkten Beitrag zur Grundversorgung leisten und die Energiebilanz ihrer stark wachsenden Branche verbessern. Und wo keine Fernwärmenetze bestehen, lässt sich die Abwärme direkt an die umliegenden Gebäude abgeben.
In der Praxis sieht das allerdings noch anders aus. Bisher wird die Abwärme meist ungenutzt in die Umwelt abgegeben. 25 Prozent der in der Bitkom-Studie befragten Rechenzentren-Betreiber sagen, dass sie die Abwärme nicht nutzen und es auch auf absehbare Zeit nicht tun werden. Immerhin planen es 43 Prozent der Befragten für zukünftige Modernisierungs- und Neubauprojekte ein. Es ist also vorstellbar, dass Standorte für neue Rechenzentren künftig auch aufgrund ihrer Nähe zu Fernwärmenetzen und Wohnsiedlungen ausgewählt werden.
Die Abwärme kann aber auch in Büroanlagen und Firmensitzen zum Einsatz kommen. Heiz- und Unterhaltungskosten lassen sich so reduzieren. Denn auch in Homeoffice-Zeiten lassen sich diese nicht vollständig aus der Rechnung streichen. Remote-Arbeitswelten erfordern eine energieintensive Infrastruktur und weitere Rechenleistung. Und schließlich verbrauchen die Arbeitnehmer mehr Energie in ihren eigenen vier Wänden. Das beeinflusst die Umweltbilanz der Unternehmen zwar nicht direkt, spielt aber für die Gesamtbetrachtung von nachhaltigen Konzepten eine Rolle. Ob dieser Wandel in der Arbeitswelt am Ende einen kleineren ökologischen Fußabdruck ermöglicht, bleibt also abzuwarten.
Die Umweltbilanz eines Unternehmens ergibt sich aber letztlich auch aus vermeintlichen Kleinigkeiten. Für Bürogebäude lassen sich beispielweise nachhaltig produzierte Möbel verwenden. Klimaneutrale Mobilitätslösungen und Gebäudetechnologien können zur positiven Umweltbilanz beitragen. Nachhaltigkeitskonzepte im Unternehmen haben zudem Auswirkungen auf die Belegschaft und das Recruiting. Das generelle Mindset der nachfolgenden Generationen ist grün geprägt. Junge Menschen wachsen mit dem Prinzip Nachhaltigkeit auf und handeln dementsprechend. Studierende verlassen die Universitäten mit einem höheren Grundverständnis für ein nachhaltiges Leben und Arbeiten. Arbeitgeber, die nicht entsprechend agieren, erscheinen unattraktiver und gehen das Risiko ein, auf der Suche nach Nachwuchskräften ins Hintertreffen zu geraten. In Zeiten eines sehr hohen Fachkräftemangels in der IT wäre das eine unnötig verpasste Chance. Nicht zuletzt nutzen Arbeitgeber-Bewertungsportale das Umwelt- und Sozialbewusstein, um eine Kennzahl für das jeweilige Unternehmen zu erstellen.
Ein nachhaltiges Geschäftsmodell aufzubauen, stellt Unternehmen vor zahlreiche Herausforderungen. Doch im digitalen Bereich kann die Ökobilanz vielseitig verbessert werden. Im Zuge der Digitalisierung entstehen zudem immer mehr Lösungen für weitreichende nachhaltige Veränderungen.
Sascha Giese, Head Geek bei Solarwinds