Kommentar: Sicherheit

Spionage

9. Januar 2014, 15:02 Uhr | Mathias Hein, freier Consultant in Neuburg an der Donau

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Vertrauen ist gut, aber mehr Kontrolle wäre notwendig

Wissen ist Macht und nichts wissen macht nichts! Entsteht ein zu großes Ungleichgewicht, wenn eine Seite mehr weiß als die anderen, dann fühlt sich der „Unwissende“ unterlegen und rebelliert. Im kalten Krieg erkannten unsere Politiker die Vormachtstellung in Sachen „Informationsbeschaffung“ problemlos an. Diese Unterlegenheit wurde durch ein hohes Maß an Sicherheit zurückgezahlt. Somit funktionierte das System im Interesse beider Seiten.

Inzwischen ist wahrscheinlich das NSA System (inklusive des britischen Prism) technologisch so weit fortgeschritten, dass ein gefährlicher Grad der Asymmetrie entstanden und das empfindliche Gleichgewicht nachhaltig gestört ist. Die jahrzehntelangen Erfahrungen aus dem kalten Krieg lassen sich nicht über Nacht aufholen.

Die Sicherheitsexperten raten ihren Politikern immer wieder, die Handys zu Hause zu lassen. Vertrauliche Gespräche können überwacht werden, und es ist ein Leichtes, jeden Teilnehmer jederzeit zu orten. Doch unbekümmert kommunizieren die Spitzenpolitiker mit ungesicherten Handys. Ohne besondere Schutzvorrichtung sind diese Geräte eine leichte Beute nicht nur für Geheimdienste, sondern selbst für Laien. Wer die richtigen Nummern kennt, kann viele Informationen abschöpfen. Was genau passiert, weiß jedoch niemand.

Die weltweite Vernetzung der Datenströme und die datentechnisch offenen Grenzen zeigen auf, dass eine ganz neue Herangehensweise an das Thema Datenschutz notwendig ist. Auch ein internationaler Konsens über den Umgang mit der Spionage ist nötig. Von der europäischen Politik wird ein so genanntes No-Spy-Abkommen auch mit befreundeten Staaten gefordert. Doch auch das wird nicht ausreichen, um weitere Angriffe auf die europäische Industrie zu verhindern. Zudem müsste es einen neuen internationalen Konsens geben, wie man mit Spionage umgeht. Ein europäischer Wirtschaftsverband versteigt sich sogar in die Forderung, die Wirtschaftsspionage völkerrechtlich zu ächten. Sollte die staatliche Spionage wirklich vertraglich mit den USA geregelt werden oder sind solche Aussagen nur ein Zeichen der Hilflosigkeit? Wir können die USA zu Verhandlungen nicht zwingen, dazu fehlen uns Europäern die Druckmittel. Wer garantiert, dass diese Abmachungen – wenn diese eines Tages ratifiziert sein sollten, von den amerikanischen Geheimdiensten auch eingehalten werden?

Aber nicht nur die Amerikaner lauschen mit. Die Sicherheitsbehörden sollen über Erkenntnisse verfügen, wonach aus mehreren Botschaften in den unterschiedlichsten europäischen Städten die Kommunikation im großen Umfang abgefangen wird. Neben der Botschaft der USA gelten die Ländervertretungen von Russland und China als wichtige Lauschposten. Speziell ausgebildete Spione arbeiten in den Botschaften. Das bestätigte erst im September der US-Geheimdienstdirektor James Clapper: „Natürlich sammeln die Geheimdienste Informationen über alle Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten“. Dies ermögliche den USA, früh Warnungen vor möglichen internationalen Finanzkrisen zu erhalten. Informationen über die Wirtschaftspolitik anderer Länder könnten helfen, die globalen Wirtschaftsmärkte zu beeinflussen. Den Geheimdiensten geht es nicht nur darum, was gesprochen oder übermittelt wird. Spannend für die Geheimdienste sind auch die ungesicherten Metadaten. Diese werden auch bei verschlüsselten Telefonaten mitgeschnitten.

Der derzeitige Abhörskandal ist jedoch ein Symbol für die technischen Möglichkeiten, welche jegliche Vorstellungskraft sprengen. Die triste Gegenwart spielt sich im Grundrauschen von Big-Data ab. Ich mache mir nichts vor: Meine persönliche Kommunikation ist für die Geheimdienste völlig uninteressant. Was ich in meinen Rechner tippe und in mein Mobiltelefon spreche, ist nur von untergeordnetem Interesse. Die Enthüllungen der jüngsten Zeit, die das Horrorszenario einer restlos überwachten Welt bestätigen, bleiben letztlich für die Normalmenschen sehr vage. Bleibt die Erkenntnis, dass man heutzutage nichts mehr ausschließen darf. Jede übermittelte SMS, jeder Anruf, jedes Datenschnipsel wird seit Jahren ausgespäht und belauscht und landet mit Lichtgeschwindigkeit im unendlichen Universum der Geheimdienste oder Datenkonzerne.

Fazit

Jede nachrichtendienstliche Arbeit ist zutiefst politisch. Jede Entscheidung hat politische Folgen. Aber Moral ist in diesem Bereich am falschen Platz. Am Ende weiß derjenige immer mehr als andere, der das größte Spionagegeschick aufweist. Den Normalbürgern in der EU ist dies herzlich egal. Eine Bekannte von mir traf den Nagel auf den Kopf: „Es ist mir egal, welche Information die NSA über mich hat. Hauptsache mein Nachbar kommt nicht an die Daten heran."

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