Kommentar

Wider die Hydrophobie

15. November 2017, 13:44 Uhr | Autor: Jens Struckmeier / Redaktion: Sabine Narloch
© lightwise - 123RF

Mit der Digitalisierung nimmt die Zahl der Rechenzentren zu. Um diese rentabel zu betreiben, ist ein effizienter Umgang mit Energie nötig. So ist die Kühlung einer der Hauptstromfresser. Jens Stuckmeier zeigt einige Möglichkeiten auf und was davon zu halten ist.

Die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft führt zu einem hohen Bedarf an Rechen- und Speicherkapazitäten. Neue Technologien wie Industrie 4.0, Machine Learning oder Augmented Reality läuten nicht nur die nächste Stufe technologisierten Lebens ein, sondern bedeuten vor allem einen wachsenden Bedarf an zuverlässiger und effizienter IT-Infrastruktur. Es werden nicht nur mehr Rechenzentren benötigt, diese müssen für Betreiber und Nutzer vor allem auch rentabel bleiben. Die größte Herausforderung der richtungsweisenden Innovationen stellt deshalb ihr effizienter Umgang mit Energie dar.

Das Borderstep Institut geht in einer Prognose für Deutschland bis 2025 von einer jährlichen Steigerung des Energieverbrauchs um 16,4 Milliarden Kilowattstunden aus, um die Serverstädte zu betreiben. Eine Verdopplung im Vergleich zum heutigen Verbrauch. Einer der Hauptstromfresser ist dabei die Kühlung: Nicht selten entfällt allein ein Drittel des Energiebedarfs auf sie. Sollen Rechenzentren also energieeffizienter werden, müssen vor allem die Kühlmethoden ausgereifter und nachhaltiger werden.

Aktuell werden Rechenzentren standardmäßig mittels mechanisch erzeugter Kaltluft gekühlt. Hierbei wird der komplette Raum klimatisiert, mehr als die Hälfte der erzeugten Kaltluft erreicht die Wärmehotspots, wie etwa die CPU, dabei jedoch gar nicht. So werden Unsummen für Strom buchstäblich in die Luft geblasen. Eine Alternative stellt die Kühlung mit Wasser oder anderen Flüssigkeiten dar. Bei „Wasser“ schreckt die Rechenzentrumsbranche jedoch zurück wie der Teufel vor dem Weihwasser. Wasser und IT – das passt doch nicht zusammen. Oder doch?

Heute gibt es bereits vereinzelt Betreiber, die auf das alternative Kühlmedium setzen. Die Rechenzentren in Skandinavien oder den USA beziehen Wasser zur Klimatisierung ihrer Server aus nahegelegenen Gewässern. In beiden Fällen ist es jedoch nur indirekt an der Kühlung beteiligt: Mittels eines Wärmetauschers wird die Luft im Rechenzentrum durch das flüssige Kühlmedium entsprechend heruntergekühlt und zur freien Kühlung der Hardware weitergenutzt – Luftkühlung 2.0 sozusagen.

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Gründer und CTO von Cloud & Heat Technologies
Jens Struckmeier, Gründer und CTO von Cloud & Heat Technologies
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Aus Gründen der Effizienz ist es jedoch ratsam, die Kühlkörper so nah wie möglich an das zu kühlende IT-Equipment zu bringen, anstatt den gesamten Raum zu klimatisieren. Optimal wäre die unmittelbare Kühlung der Wärmehotspots, beispielsweise durch eine Heißwasserkühlung. 40 Grad heißes Wasser bietet allein aufgrund der physikalischen Vorteile des Wassers gegenüber der Luft energetische Potenziale: Wasser kann 3.330-mal so viel Wärme aufnehmen wie Luft und besitzt eine 20-mal höhere Leitfähigkeit. Aufgrund der höheren Kühlleistung sind Leistungsdichten von 45 Kilowatt pro Rack bei einer gleichzeitigen Reduktion des Energieverbrauchs im Vergleich zu einem konventionellen Kühlsystem möglich.

Wassergekühlte Systeme ermöglichen zusätzliche Energieeinsparungen, wenn die abgeführte Wärme weiteren Nutzen stiftet. Durch die relativ hohen Temperaturen in den Server-Racks sind Wasserausgangstemperaturen von derzeit bis zu 60 Grad Celsius möglich. Wasser auf diesem Temperaturniveau kann beispielsweise für Heizzwecke oder zur Warmwasseraufbereitung in Gebäuden genutzt werden, ähnlich wie es demnächst in Frankfurt im Eurotheum umgesetzt wird. Das neue Rechenzentrum im Hochhaus, das ehemals die Europäische Zentralbank beheimatete, speist die entstehende Abwärme über eine Heißwasserkühlung direkt in den Wärmekreislauf des Gebäudes ein. Die übrigen Mieter profitieren: Bei Vollausbau soll das Gebäude pro Jahr dank der Abwärmenutzung bis zu 40.000 Euro an Heizenergie sparen – das entspricht einer Heizleistung für umgerechnet 150 Niedrigenergiehäuser. Zusätzlich werden etwa 30.000 Euro pro Jahr an Kühlkosten durch das direkte, verlustarme Kühlen der Server eingespart.

Ähnliche Einsatzszenarien gibt es in Deutschland unzählige. Anstatt Rechenpower aus weit entfernten Serverparks zu beziehen, können Unternehmen ähnlich wie im Eurotheum einen eigenen Serverraum betreiben und die Abwärme vor Ort im eigenen Unternehmen nutzen. Mithilfe eines nachhaltigen Kühlsystems werden nicht nur die Rechenzentren energieeffizienter, sondern auch an anderer Stelle anfallende Energiekosten gespart – egal ob zum Heizen mittels Abwärmenutzung oder Kühlen über die Erzeugung von Adsorptionskälte. Ziel muss die ganzjährige Weiternutzung der verheizten oder verkühlten Energie der Rechenzentren sein. Wasser ist ein Weg in diese Richtung, der ein bedeutender Schritt zur Erfüllung der europäischen Ziele zur Senkung des Energieverbrauchs leisten würde.


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