Für Genauigkeitsschwankung im Übertragungstakt sind sowohl Voice over IP (VoIP)- und über paketvermittelte Netze übertragene Video- als auch andere Echtzeitanwendungen anfällig. Die Genauigkeitsschwankung im Übertragungstakt ist insbesondere bei Multimedia-Anwendungen störend, da dadurch Pakete zu spät eintreffen können, um noch zeitgerecht mit ausgegeben werden zu können. Dies wirkt sich wie eine erhöhte Paketverlustrate aus. Treffen die Pakete einer Audioverbindung regelmäßig beim Empfänger ein, können diese direkt in Audiosignale umgesetzt werden. Da die Verzögerungen bei der Übertragung nicht konstant sind, entstehen Lücken im abgespielten Signal. Die Differenz zwischen den Verzögerungen einzelner Pakete wird als Jitter (Verzögerungsschwankung) bezeichnet. Man unterscheidet jedoch folgende Jitter-Typen:
· Typ A – konstanter Jitter: Die Genauigkeitsschwankung verändert sich zwischen der Ankunft unterschiedlicher aufeinanderfolgender Pakete nicht.
· Typ B – transienter Jitter: Die Genauigkeitsschwankung macht sich durch eine erhebliche Verzögerung bemerkbar und kann bereits durch die Verzögerung eines einzigen Pakets entstehen.
· Typ C – kurzzeitige Verzögerungsvariation: Diese Genauigkeitsschwankung kennzeichnet einen Anstieg der Verzögerung zwischen mehreren Paketen. Der Typ C Jitter tritt häufig bei Staus in Routern und Switches und bei Routen- Änderungen auf.
Paketverzögerungen im Sendesystem (Typ B): Bei einigen Systemen, beispielsweise Softphones, muss der VoIP-Prozess um die CPU mit anderen Anwendungen kämpfen. Aus diesem Grund kann bei diesen Systemen, während des Sendeprozesses, bereits zwischen den Paketen ein gewisser Jitter entstehen.
Überlastung im LAN (Typ B): Obwohl die Auslastung der LANs in der Regel relativ gering ist, können im Netz kurzzeitig Überlastungen auftreten. Im schlechtesten Fall dauert die Verzögerung so lange wie die Binary Exponential Backoff-Zeit des Ethernet Contention Algorithmus bzw. lässt sich anhand des Inter Packet Delays ableiten. Der Binary Exponential Backoff ist ein Stauauflösungsmechanismus. Wird von Stationen im Ethernet eine Kollision erkannt, beenden diese Stationen ihre Sendung und versuchen sofort oder nach einer Slot-Time von 51,2 µs (entspricht 512 Bit, gilt nur für 10/100 MBit/s Ethernet, 4,096 µs und 4096 Bit bei 1 GBit/s) erneut ihre Sendung über das Ethernet zu übertragen. Erhält ein VoIP-System aufgrund der maximalen Backoff-Zeit keinen Zugang zum LAN wird die Sendung zurückgestellt bzw. das betreffende Paket verworfen.
Überlastung der Firewall (Typ B/C): Einige Firewalls terminieren die IP Streams auf einer Seite der Firewall und setzen diese Verbindung erneut auf der anderen Seite der Firewall auf. Das Verbindungsglied zwischen den beiden Streams erbringt die notwendige Inspektion der Paketinhalte und zusätzliche Sicherheitsmechanismen. Je nach Auslastung des Systems entstehen hierbei unterschiedlich lange Verzögerungen. Durch eine Implementation der Firewall-Funktionalität in ASICs wird dieses Problem auf ein Minimum reduziert.
Überlastung der Access Links (Typ C): Access-Links sind in der Regel die Engpässe einer Ende-zu-Ende-Kommunikationsbeziehung und somit die Hauptverursacher von Jitter. Beispielsweise führt die Serialisierung eines 1500 Byte IP-Pakets über eine 1.544 MBit/s schnelle WAN-Verbindung zu einer Verzögerung von ca. 8 Millisekunden. Befinden sich in einem Router bereits fünf Datenpakete in der Ausgangswarteschlange bevor ein VoIP-Paket beim Router eintrifft, wird dieses zusätzlich um 40 Millisekunden verzögert. Es muss warten bis die fünf Datenpakete über den WAN-Link übermittelt wurden. Zusätzlich kann bei ADSL oder CATV-Modems die Upload-Bandbreite durch eine Unsymmetrie der Transportströme noch weiter begrenzt sein. Verfügt ein Anschluss nur eine Upload-Bandbreite von 384 Kbit/s dann wird in der Ausgangswarteschlange jedes 1500 Byte IP-Paket um weitere 30 Millisekunden verzögert.
Lastverteilung über mehrere Access Links oder IP Service Provider (Typ A): Zur Realisierung von Redundanzfunktionen im WAN werden die Datenströme auf mehrere geroutete Access Links zu einem IP-Service-Provider oder mehreren unabhängigen ISPs übermittelt. Die einzelnen Pakete einer VoIP-Verbindung können dadurch über unterschiedliche Pfade übertragen werden. Da die Verzögerungen auf den einzelnen Pfaden unterschiedlich sein können, entsteht naturgemäß ein Jitter.
Lastverteilung innerhalb eines IP Services (Typ A):Einige IP-Service-Provider leiten den zu transportierenden Datenverkehr über mehrere Strecken ihres Netzwerks zum Ziel. Dies verbessert die Verfügbarkeit der Dienste und sorgt für eine gleichmäßigere Netzauslastung. Da die Routenentscheidungen nicht auf Basis der Datenströme, sondern auf Basis jedes Pakets getroffen werden, entstehen aufgrund unterschiedlicher Laufzeiten der Strecken der Jitter.
Lastverteilung innerhalb von Routern (Type A): Eine „Multi-Processing-Lösung“ sorgt in einigen Router-Architekturen für die Erhöhung der Übertragungskapazität. Dabei werden die abgehenden Datenpakete von mehreren parallelen Warteschlangen verarbeitet. Da die Warteschlangen nicht zu 100 Prozent synchron laufen (Ursache: unterschiedlich lange Pakete) kann diese Technik zu einer minimalen Erhöhung des Jitters führen.
Updates der Routing-Tabellen (Typ B): Die Routing-Tabellen in den Routern werden permanent einem Update unterzogen. Die Updates werden zu den benachbarten Routern mit einer hohen Priorität übermittelt. Da die Routen-Updates für die Übermittlung die hierfür notwendigen Router-Ressourcen benötigen, kann dies zu kurzzeitigen Verzögerungen bei der Übermittlung des regulären Datenverkehrs führen. Darüber hinaus können während des Updates der Routing-Tabellen kurzzeitige Routing-Loops bestehen. Routing-Loops sorgen für eine extrem hohe Verzögerung einzelner Pakete.
Routenänderungen (Typ B):Die Ursachen für Routenänderungen sind oftmals überlastete Verbindungen oder Fehler auf WAN-Links. Ein sogenanntes Routen-Flattern entsteht, wenn ein Router abwechselnd ein Ziel in schneller Folge, über eine und anschließend über eine andere Strecke propagiert. Ein eng verwandter Begriff ist das Schnittstellenflattern, bei dem eine Schnittstelle auf einem Router durch einen Hardware-Fehler abwechselnd zu- bzw. abgeschaltet wird. Das Routen- bzw. Schnittstellenflattern kann durch unterschiedliche Verzögerungen zu einem Jitter führen.
Zeit-Drift (Typ B): Ein Zeit-Drift macht sich nicht immer als Jitter bemerkbar. Ein Zeit-Drift kann jedoch zu gelegentlichen Jitter-Pufferproblemen (periodischer Überlauf oder Leerung des Jitter-Puffers) führen. Typische Zeitkomponenten in Rechnern weisen eine Frequenztoleranz von 300 ppm (plus 50 ppm durch Temperaturdrift) auf.