Münchens ehemalige Computermeile

»Vom Schillicon Valley kann schon lange keine Rede mehr sein«

12. Juni 2015, 10:34 Uhr | Peter Tischer
© ICT CHANNEL

Zwischen Billigfriseuren und Erotik-Geschäften findet man die Überreste der einstigen Computer-Meile Münchens. Die Handvoll Händler, die es bis heute geschafft hat, setzt vor allem auf Dienstleistung statt auf Kistenschieberei.

Der erste schwere Sommerregen wäscht den gelben Pollenstaub von den Straßen, der sich am Tag zuvor über das Stadtviertel südlich vom Münchener Hauptbahnhof gelegt hat. Gullis glucksen, der Himmel präsentiert sich in verschiedensten Grautönen. Die Menschen in der Schillerstraße drücken sich zwischen Häuserfassaden und Lieferwagen hindurch und versuchen gleichzeitig, im Zick-Zack-Kurs den kleinen Seen auf dem Gehweg auszuweichen. Trotz des Dauerregens sind wieder viele im »Schillicon Valley« unterwegs. Mit der Kreuzung aus Schillerstraße und der kalifornischen IT-Region bezeichnen Münchner stolz die Ecke Schiller-, Schwanthaler- und Landwehrstraße. Andere sagen eher abfällig »Computerstrich«, denn neben IT-Geschäften haben auch zahlreiche Erotik- und Table-Dance-Schuppen in dieser Gegend eine lange Tradition – Bahnhofsviertel eben.

Doch wer wie zu früheren Zeiten einen PC-Händler neben dem anderen erwartet, wird enttäuscht. Stattdessen fallen viele Billigfrisöre, Dönerbuden und kombinierte Handy- und Gemüsegeschäfte auf. Vornehmlich mit arabischen Schriftzügen und Schaufenstern voll mit Lichterketten und Leuchtreklame. Der Konkurrenzkampf mit Online-Händlern wie Amazon aber auch nahegelegene Geschäfte wie der Notebooksbilliger-Store auf der anderen Bahnhofsseite haben viele PC-Geschäfte in den Ruin getrieben. »Vom >Schillicon Valley< kann schon lange keine Rede mehr sein«, bestätigt uns deshalb auch ein IT-Händler in der Schwanthaler Straße, der namentlich nicht genannt werden will. Man solle sich doch nur mal umschauen und dann sehen, wie der Online-Handel den IT-Handel in dieser Ecke kaputt gemacht habe. Viel mehr reden will er nicht, er habe zu tun.

Auch bei Herrn Herder von Balzer CFS Electronic passt der Dauerregen zur Stimmung. »Die Geschäfte sind ganz schlecht«, so der Verkäufer, während er für einen Kunden Schrauben, Lämpchen und Adapter auf die Rechnung setzt. Prinzipiell mache der Laden Verlust, werde aber durch andere Firmen des Besitzers im Halbleiter-Handel querfinanziert. Daran den Laden aufzugeben, denkt der Inhaber aber nicht. Herder steht bei Balzer seit 26 Jahren an der Kasse, verkauft und berät Kunden. Den Laden selbst gibt es schon sechs Jahre länger. Für Herder ist der Grund für das schleppende Geschäft mit Elektronikbauteilen klar: »Die Bastlerzeiten sind definitiv vorbei«, erklärt der Mann im braunen Pullover. Vor allem die Jugend wolle nicht mehr den Lötkolben schwingen, kaufe sich lieber neue Sachen, statt zu reparieren. Zwei andere Elektroteile-Geschäfte in der Schillerstraße mussten deshalb bereits schließen. Seit Balzer damals den Laden übernommen hat, wird auch IT in Form gebrauchter Notebooks angeboten – und das ist gut für das Geschäft, vor allem um junge Käufer in den Laden zu locken. Auch Reparaturen alter Monitore und Computer werden bei Balzer angeboten, allerdings wird dieser Geschäftszweig immer schwieriger. »Anscheinend sind Reparaturen von den Herstellern auch nicht mehr erwünscht, die wollen doch viel lieber neue Geräte verkaufen«, erklärt Herder und verweist in diesem Zusammenhang auf die Diskussion um Sollbruchstellen in IT-Geräten.


  1. »Vom Schillicon Valley kann schon lange keine Rede mehr sein«
  2. Ohne Dienstleistung geht nichts
  3. »Wir sind kein Kistenschieber«

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