Hilfreich ist ein Blick über den eigenen Tellerrand. Denn Unternehmen, die Plattformen bereits nutzen, sind schon jetzt einen Schritt voraus – und von ihrer Entscheidung auch rückblickend überzeugt: 93 Prozent der Plattform-Nutzer würden der Bitkom-Studie zufolge bei einem Jobwechsel auch ihrem neuen Arbeitgeber empfehlen, auf digitale Plattformen zu setzen. Es scheint also, dass die Chancen dem Mittelstand durchaus bewusst sind; woher also die Skepsis? Sorgen bereiten den Unternehmen der einfache Marktzutritt für neue Wettbewerber (65 Prozent), ein erhöhter Preisdruck sowie der Verlust der direkten Kundenbeziehung (je 55 Prozent). Auch schrumpfende Margen durch Gebühren werden als Grund angegeben (48 Prozent). Darüber hinaus fürchten 42 Prozent, dass sie in Abhängigkeit vom Plattformbetreiber geraten und jedes dritte Unternehmen (33 Prozent) sieht die Weitergabe von Kundendaten an den Plattformbetreiber kritisch.
Dazu kommt die vielfach geäußerte Sorge um eine vermeintliche Monopolbildung. Doch kommen Studien zu dem Ergebnis, dass Misstrauen nicht angebracht ist. Das ifo Institut hat zum Beispiel im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) die Wirkmechanismen von B2B-Plattformen analysiert: B2B-Plattformen weisen demnach einen höheren Grad der Spezialisierung als B2C-Plattformen auf. Eine Monopolbildung sei nicht sichtbar: „Durch den hohen Grad an Spezialisierung und Serviceorientierung von B2B-Plattformen sind die Skalierbarkeit eingeschränkt und die Netzwerkeffekte weniger stark ausgeprägt als bei klassischen Verbraucherplattformen“, erklärt der BDI. Betreiber von B2B-Plattformen agieren dem Verband zufolge in einem hochgradig kompetitiven Marktumfeld. Die beschriebenen Faktoren würden die Koexistenz mehrerer konkurrierender Plattformen begünstigen.
Mithilfe von Plattformen können Unternehmen bestehende Prozesse und Innovationen verbinden, datengetriebene Geschäftsmodelle etablieren und neue Services schnell umsetzen. Nicht ohne Grund gelten digitale Plattformen daher als Motor der Digitalisierung. Durch die große Auswahl an Plattformen im B2B-Bereich lassen sich Ressourcen und Services in nahezu jede IT-Landschaft einbetten. Der Leitfaden zum Thema „Deutsche digitale B2B-Plattformen“ des BDI veranschaulicht zahlreiche positive Effekte durch digitale Plattformen im B2B-Bereich. So lasse sich etwa über die Analyse von Maschinen- und Anlagendaten auf IoT-Plattformen die Verfügbarkeit von Produktionsmaschinen signifikant erhöhen, indem unplanmäßige Ausfallzeiten gesenkt werden. Beim Ein- und Verkauf über digitale Marktplätze könnten Unternehmen zudem Kostenersparnisse von 41 Prozent generieren. Ein weiteres Beispiel: Über den Einsatz von Logistikplattformen lassen sich dem Verband zufolge Leerkilometer von Lkw erheblich reduzieren und der Frachtraum von Frachtflugzeugen besser ausnutzen.
Um in den Genuss solcher Vorteile zu kommen, sollten Unternehmen zunächst die nötigen Voraussetzungen schaffen. Das Thema Plattformökonomie müssen Betriebe auf Vorstandsebene verankern und eine Kultur der Veränderung einleiten. Ein gutes Change Management ist ein wichtiger Faktor, um die Belegschaft vom erforderlichen Wandel zu überzeugen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen den Weg in die digitale Zukunft aus voller Überzeugung mitgehen; sie sind das Zünglein an der Waage. Es gilt deshalb, sich in die Lage der Beschäftigten hineinzuversetzen und ihre Bedenken sowie konkrete Bedürfnisse zu berücksichtigen. Der Wandel zum intelligenten Unternehmen wird durch Plattformen erleichtert: So lassen sich bestehende Investitionen und Prozesse erhalten und gleichzeitig die Weichen für zukunftsorientiertes Handeln stellen. Entscheidend ist dabei die User Experience. Denn der Erfolg bei der Einführung neuer Anwendungen hängt maßgeblich von der Akzeptanz der Beschäftigten ab.
Rainer Zinow ist global verantwortlich für das Produktmanagement der SAP Mittelstandslösungen