Große Teile des IT-Fachhandels werden womöglich schon in den kommenden Wochen vor Problemen stehen, ihr Geschäft zu finanzieren. Davor warnen die Broadline-Distributoren, weil die Banken sich jetzt die Abschlüsse des Krisenjahres 2009 vornehmen. Reseller sind der Entwicklung aber nicht wehrlos ausgeliefert, sondern können durch eine offene Kommunikation mit ihren Finanzpartnern gegensteuern.
Einige Indikatoren sprechen dafür, dass sich die Wirtschaft nach der Krise ganz langsam wieder erholt. Deswegen geht es aber längst noch nicht jedem Unternehmen besser. Vielmehr gerät mancher Betrieb erst jetzt in Bedrängnis, wenn nach langer Durststrecke die finanziellen Mittel knapper werden. Ein Phänomen, das meist gegen Ende einer Rezession zu beobachten ist: Wenn sich die ersten Anzeichen eines erneuten Aufschwungs andeuten, geht mehr Unternehmen als sonst die Luft aus.
Auf solche Folgen der Krise muss sich auch der IT-Channel gefasst machen. In der Broadline-Distribution verschließt man davor jedenfalls nicht die Augen: »Für jeden fünften Fachhändler hat sich die Lage dramatisch zugespitzt - oder wird sich alsbald dramatisch zuspitzen«, befürchtet Stefan Wisst, Leiter Finanzen und Kundenservice bei Actebis Peacock. Nicht ganz so pointiert, aber in letzter Konsequenz ähnlich, beschreibt ReinholdIttermann, Director Credit & Collection bei Ingram Micro, die Situation: »Eine Reihe von Händlern wird im Lauf dieses oder zum Beginn des dritten Quartals finanzielle Probleme bekommen.«
Beide Finanzexperten nennen für ihre Befürchtung den gleichen Grund: In den kommenden ein bis zwei Monaten holen die Banken die Jahresabschlüsse 2009 ein. Und die werden bei vielen Resellern schlechter ausfallen als 2008, da der Fachhandel im vergangenen Jahr unter dem schwachen IT-Markt gelitten hat. Schließlich brachen die IT-Umsätze in Deutschland laut dem Branchenverband Bitkom um 5,4 Prozent, die Hardware-Umsätze sogar um 10,9 Prozent ein. Als Folge schwächerer Jahresabschlüsse verschlechtert sich das Rating der Unternehmen bei ihrer Hausbank: »Von Kreditnot betroffen sind dabei vor allem Fachhändler, die mit geringem Eigenkapital und mangelnder Liquidität agieren«, erläutert Wisst.
Etwas optimistischer beurteilt Mark-Björn König, Direktor Credit Services bei Tech Data Deutschland, die Finanzierungsbedingungen für den Handel. Die Situation sei nicht mehr ganz so kritisch wie 2009, und die Kreditversicherer, die im vergangenen Jahr noch zahlreiche Kreditlinien strichen, agierten momentan wieder etwas flexibler. Eine Tatsache steht aber auch für König außer Frage: »Viele Bilanzen des Jahres 2009 werden schlecht aussehen.« Momentan sei deshalb wohl niemand wirklich entspannt im Channel.