connect professional: Gefährdet diese Technologie Arbeitsplätze?
Haug: Davon ist nicht auszugehen. Ich hatte erst vor kurzem einen Kundentermin, bei dem es auch um dieses Thema ging. Der Vorstand des Unternehmens sagte, dass 30 bis 40 Prozent ihrer aktuellen Mitarbeiter in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Rente gehen werden. Alle eins zu eins zu ersetzen, sei in Zeiten des Fachkräftemangels letztlich unrealistisch. Daher ist es so wichtig, dass die bestehende Mitarbeiterschaft so effizient wie möglich arbeiten kann, und dabei unterstützt sie Technologie wie die unsere.
connect professional: Allerdings müssen neue Prozesse und Abläufe von den Mitarbeiter:innen auch erst einmal angenommen und umgesetzt werden. Das bedeutet oft Veränderung im Alltag. Wie unterstützt Celonis hier?
Haug: Wir haben ein großes Partnernetzwerk, mit dem wir die aktive Implementierung umsetzen und Change-Prozesse begleiten. Grundsätzlich wird Celonis immer auf zwei Levels genutzt: Auf dem strategischen Level geht es um Fragen, wie der Prozess durch Umplanungen verbessert werden kann. Sei es, indem man beispielsweise Produktionslinien zusammenlegt oder im Einkauf einen anderen Mix an Materialien verwendet.
connect professional: Und die zweite Ebene?
Haug: Diese zweite Ebene ist eher eine taktische. Angenommen, ein Unternehmen möchte sein Working Capital im laufenden Quartal optimieren, um finanziellen Spielraum für den Einkauf einer größeren Menge an Materialien zu haben. In dem Fall mag es sinnvoll sein, nicht alle offenen Rechnungen sofort zu bezahlen, sondern, wo möglich, erst später beziehungsweise im nächsten Quartal. Hier kann die Prozesstransparenz helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
connect professional: Wo wird es künftig mit der Process- Mining-Technologie noch hingehen?
Haug: Es wird immer mehr darum gehen, dass sich Prozesse dynamisch neu designen lassen. Das wäre dann ein Unterschied zu der Art und Weise, wie Geschäftsprozesse heute funktionieren: Sie werden bislang statisch vorgedacht und laufen dann immer gleich ab, weil das im ERP-System so programmiert wurde. Verbesserungen werden in diesem Szenario allenfalls irgendwo an der Peripherie vorgenommen. Wenn man sich aber anschaut, was vor allem mit den generativen Fähigkeiten der Künstlichen Intelligenz eines LLMs möglich ist, lässt sich ein Prozess auch dynamisch generieren. Dann könnte man einem KI-System einfach die Infrastruktur zur Verfügung stellen und es zum Beispiel frei entscheiden lassen, ob bei einem Prozess Schritt eins, zwei oder drei in dieser Reihenfolge oder aber in einer anderen ausgeführt wird. Beispielsweise könnte eine Künstliche Intelligenz kompletten Freiraum für den Einkauf bekommen und diesen Prozess dynamisch gestalten. Das ist allerdings eine Vision, von der wir noch ein gutes Stück entfernt sind. Aber ich glaube, dass es dort hingehen kann, so dass Unternehmen befähigt werden, im Hinblick auf ihre Prozesse viel agiler zu sein.