funkschau-Kommentar E-Mobilität

Im Osten viel Neues

1. Juni 2018, 9:37 Uhr |
Während in Villariba, sprich Deutschland, noch geplant wird, ist man in Villabajo/China schon längst dabei, Dinge umzusetzen.
© Fotolia / kasto

Während man hierzulande noch davon träumt, ist sie in China schon Wirklichkeit: E-Mobilität. Ort der Traumverwirklichung ist die südchinesische Stadt Shenzhen, unweit der Grenze zur ehemaligen Kronkolonie Hongkong gelegen.

Sie ist die weltweit erste Millionenstadt, die ihre gesamte Busflotte – das sind 16.359 Busse – auf elektrisches Fahren umgestellt hat. Zum Vergleich: In ganz Deutschland gibt es derzeit circa 35.000 Linienbusse, fast alle davon dieselgetrieben. Die Bundesregierung fördert derzeit zwar mit Nachdruck die Umstellung auf Elektrizität aus dem Mobilitätsfonds mit Hunderten Millionen Euro, doch nur in Hamburg sind erste Fortschritte erkennbar. Die Hansestadt will ab 2020 ausschließlich E-Modelle anschaffen. Während in Villariba, sprich Deutschland, also noch geplant wird, ist man in Villabajo/China schon längst dabei, Dinge umzusetzen. So denkt man in Shenzhen noch ein Stück weiter und visiert Ende des Jahres die Umstellung aller Taxis an; der Großteil ist bereits umgerüstet.

Dass Shenzhen den öffentlichen Nachverkehr so radikal auf E-Mobilität umstellen konnte, ist mehreren positiven Faktoren geschuldet: Da ist zum einen die Nähe zu einem der wichtigsten Player im Rennen um Elektromobilität: dem Batteriehersteller BYD (Build Your Dreams). Zum anderen gibt es die chinesische Regierung selbst, die E-Förderung auf hohem Niveau betreibt. 2025 soll in der Volksrepublik ein Fünftel aller verkauften Fahrzeuge elektrisch fahren: Millionen von Autos, Bussen und Lastwagen. Ziel ist es, den öffentlichen Verkehr leiser, sauberer und für den städtischen Betreiber auch deutlich günstiger zu machen. Doch hinter der staatlichen Förderung steckt mitnichten (nur) der Wunsch nach mehr Umweltschutz. Vielmehr handelt es sich um knallhartes industriepolitisches Kalkül mit Ansage: Chinas Strategie „Made in China 2025“ wurde im Jahr 2015 veröffentlicht und sieht vor, dass das Reich der Mitte innerhalb eines Jahrzehnts marktführende Unternehmen in Sektoren wie Informationstechnologie, Elektroautos oder Medizintechnik hervorgebracht haben will. Der Staat hilft, indem er die Forschung großzügig fördert. Entwicklungsbanken und extra eingerichtete Fonds versorgen Firmen der ausgewählten Branchen mit günstigen Krediten. Kurzum: Die Pläne tragen erste Früchte. Denn China ist kurz davor, Weltmarktführer zu werden. Und das nicht nur in der Elektromobilität. Auch die Automobilindustrie steht vor einem zweiten großen Umbruch: dem autonomen Fahren. Hier hat sich die Führung in Peking fest vorgenommen, mit Geld und Gesetzen einzugreifen. Die Standards für die Autos der Zukunft sollen chinesisch sein.

Die Schnelligkeit, mit der diese Entwicklungen in China vonstattengehen, kann uns Deutsche nur in Staunen versetzen – und Shenzhen ist ein Paradebeispiel dafür. Als sich China vor 40 Jahren öffnete, wurde die südchinesische Stadt eine Sonderwirtschaftszone, die Menschen anlockte mit Ideen und Unternehmergeist. Damals hatte sie noch 30.000 Einwohner; jetzt sind es nahezu 13 Millionen. Bis heute zieht die Stadt junge Talente an, die ihre Träume verwirklichen wollen. Das Umfeld dafür ist einzigartig. Denn während hierzulande – und zugegeben auch anderswo – Gesichtserkennung, Künstliche Intelligenz und Roboter noch mit Skepsis betrachtet werden, kann es in Shenzhen gar nicht schnell genug vorangehen. Mittlerweile hat sich die Vorzeigestadt Chinas in Sachen technologischer Fortschritt zur boomenden Metropole gemausert und sich laut t3n als „Silicon Valley für Hardware-Start-ups“ etabliert. Hinzu kommt, dass sie Sitz einiger der erfolgreichsten chinesischen High-Tech-Unternehmen ist wie BYD, Dingoo, Gionee, Hasee, Huawei, Skyworth, Tencent, Xunlei oder ZTE. Auch viele ausländische IT-Unternehmen haben in Shenzhen ihre Niederlassungen. Dazu zählt beispielsweise der weltgrößte Elektronikhersteller Foxconn, welcher im Stadtbezirk Longhua mit mehr als 300.000 Mitarbeitern in der sogenannten „iPod City“ unter anderem iPods für Apple und Bauteile für Sony, Nintendo und Hewlett-Packard herstellt.   

Ob nun Silicon Valley oder Shenzhen – beide Orte stehen auf ihre Weise für große Innovationen. Doch Shenzhen bringt noch etwas mehr Tempo ins Spiel. Und es veranschaulicht exemplarisch, was sich das eine oder andere deutsche Unternehmen noch vom Osten abschauen könnte: eine Mentalität des Handelns.

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