Der Weg zum Netzausbau in Deutschland ist ein steiniger. Im connect professional-Interview spricht Daniel Leimbach von Ericsson über die Gemengelage im deutschen Markt für Mobilfunknetze und wie Deutschland bei Zukunftstechnologien im europäischen und internationalen Vergleich dasteht.
connect professional: Herr Leimbach, seit Mai 2023 fungieren Sie als Geschäftsführer von Ericsson Deutschland und als Head of Customer Unit Western Europe. Wie haben sie dieses erste Jahr in ihrer Doppelrolle erlebt?
Daniel Leimbach: Insgesamt ist natürlich klar, dass die Zeiten herausfordernd sind für die Telco-Unternehmen in Europa. Die Mobilfunkbranche steht im Spannungsfeld zwischen nötigen Investitionen in Echtzeit-Mobilfunk sowie der Generierung neuer Erfolgsmodelle. Zudem ist das im Kontext zu sehen von ARPUs, also Average Revenues Per User, die seit nahezu Jahrzehnten stagnieren.
Auf der anderen Seite kämpfen unsere Kunden mit hohen Energiekosten, denen wir mit besonders effizienter und innovativer Technik zu begegnen versuchen. Es gibt also viele Herausforderungen, aber auch Erfolgserlebnisse: Zum Beispiel haben wir mit der Deutschen Telekom eine Vereinbarung getroffen, dass sie der erste Ericsson-Kunde im API-Bereich wird.
connect professional: In welcher Gemengelage sehen Sie denn aktuell den deutschen Markt für Mobilfunknetze – insbesondere im Hinblick auf die Unternehmenskundensparte?
Leimbach: Generell ist 5G die Mobilfunk-Generation, die sich schneller als alle bisherigen Generationen im Markt durchsetzt. Im Rollout gibt es große Fortschritte und in Europa haben wir eine grundlegende digitale Infrastruktur geschaffen. Das heißt, wir haben 5G-Coverage erreicht, das ist gut; aber die Netze sind noch nicht bei ihrer vollen Leistungsfähigkeit angelangt.
connect professional: Woran hakt es?
Leimbach: Bei 5G im höheren Frequenzbereich rund um die 3,5 GHz, also dem Mid-Band, hinken wir in Europa hinterher. Für die Industrie der Zukunft ist es aber an der Zeit, auch die nächsten Stufen im 5G-Ausbau zu zünden, um genau diese Hochleistungsnetze zu bauen.
Was die privaten Vernetzungslösungen angeht, also sogenannte Campusnetze, gibt es weiterhin ein konstantes Interesse von Unternehmen. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass in diesem Bereich noch einiges an Potenzial zu heben ist und sich das Ökosystem ständig weiterentwickelt.
connect professional: Wenn wir auf das Thema Konnektivität schauen – wie steht Europa da?
Leimbach: Die globalen Hotspots der Konnektivität sind aus unserer Sicht im Moment nicht Europa, sondern die USA, Indien und China, wo massiv ins 5G-Mid-Band investiert wird. In China und USA sind es zum Teil Bevölkerungsabdeckungen von mehr als 90 Prozent. In Europa laufen wir generell Gefahr, einen Innovationssprung zu verpassen und auch weiter an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Das heißt, wenn wir in dieser Hinsicht nicht zur Fußnote in den Erfolgsgeschichten der nächsten Telekommunikationsgeneration werden sollen, dann sind die richtigen Rahmenbedingungen für die Telekommunikationsbranche nötig.
connect professional: Was müsste sich dabei konkret verändern?
Leimbach: Dazu braucht es einige Maßnahmen, deren Kern es ist, Innovation über Regulation zu stellen. Wir müssen also in Europa dringend regulatorische Hürden abbauen, um gerade im Wettbewerb gegen große Regionen wie China, Indien und die USA bestehen zu können. Nur wenn man attraktive Marktvoraussetzungen schafft durch Abbau von Regularien und den Aufbau gezielter Förderung von Forschung und Entwicklung, werden Investitionen in Zukunftstechnologien getätigt.
Ein weiteres wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist die Konsolidierung auf dem europäischen Mobilfunkmarkt. Fragmentierung ist dabei ein großes Thema. Das heißt, Netzbetreiber sind hier im Vergleich zu den Märkten, wie denen in USA, China und Indien, in Bezug auf die Wettbewerbsgröße erst einmal benachteiligt, denn für einen Netzbetreiber ist die Größe entscheidend. In den USA haben wir ungefähr 100 Millionen Kunden pro Mobilfunkbetreiber – da gibt es drei große Betreiber, ähnlich in China und in Indien. Da haben wir dann sogar 300 oder 400 Millionen Kunden pro Mobilfunkbetreiber.