Interview mit Ericsson Deutschland

„Innovation über Regulation stellen“

29. Juli 2024, 14:28 Uhr | Interview: Sabine Narloch

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Stichwort Open RAN: „Wir sehen uns als zentralen europäischen Akteur.“

connect professional: Wie sehen diese Zahlen für Europa aus?
Leimbach: In Europa können wir von 4,4 Millionen Nutzer durchschnittlich pro Betreiber ausgehen. Das kommt natürlich auch dadurch, dass wir in Europa viele kleine Länder haben und zusätzlich gibt es in vielen Ländern mehrere Betreiber. Das heißt, Europa braucht eine Konsolidierung auf diesem Markt. In Deutschland sehen wir bereits die ersten positiven Veränderungen der Rahmenbedingungen, zum Beispiel mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz, das sich in der Diskussion befindet und damit die klare Herausstellung des überragenden öffentlichen Interesses vom Mobilfunk. Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Ein anderes Beispiel ist, dass die BNetzA in Deutschland evaluiert hat, auf eine neue kostenintensive Frequenzoption zu verzichten und stattdessen über eine Gebührenordnung, eine Verlängerung der Nutzung zu berechnen. Wenn wir diesen Weg konsequent weitergehen, würde sich das am Ende positiv auswirken auf die Innovationskraft der gesamten Branche in Europa.

connect professional: Werden wir es schaffen, hier zügig umzusetzen, sodass wir nicht weiter ins Hintertreffen gelangen?
Leimbach: Ich bin optimistisch. Es tut sich viel bei den Netzbetreibern, die den Wert erkannt haben, auch höhere Bandbreiten und Echtzeitanwendungen zur Verfügung zu stellen. Während wir zum Beispiel in Schweden bei 62 Prozent der Population Coverage liegen, sind es in den anderen Flächenländern in Europa, also Frankreich, Italien, Spanien und so weiter, noch unter 30 Prozent. Da gilt es noch aufzuholen. Was die Timeline betrifft: Auch 6G wird kommen. Die Standardisierung wird 2028 abgeschlossen und 2030 marktreif sein. Das Rollout wiederum im 5G-Mid-Band ist auch im Hinblick auf 6G wichtig, weil Mid-Band quasi eine Zwischenstufe ist auf dem Weg zu 6G mit einem engeren Netzgrid.

connect professional: Open RAN ist ein anderes Stichwort. Welchen Stellenwert hat die Technologie für Ericsson?
Leimbach: Einen sehr hohen Stellenwert – wir sehen uns als zentralen europäischen Akteur, der das Ökosystem dafür aufbaut, zusammen mit Partnern wie Intel, HP, Dell, aber auch zusammen mit Hyperscalern wie Google. Wir haben im letzten Jahr einen Vertrag mit AT&T abgeschlossen zum Thema Open RAN und Cloud RAN, der größte Vertrag unserer Unternehmensgeschichte: 14 Milliarden Dollar über fünf Jahre. Hier geht es darum, das Netz zu modernisieren und 5G weiter einzuführen auf der Basis von offenen Interfaces. Da haben wir sehr ambitionierte Ziele. Das heißt, bis Ende 2026 sollen dann 70 Prozent des mobilen Verkehrs schon über offene Plattformen abgewickelt werden. Dieser Deal wird die gesamte Industrie und das gesamte Thema Open RAN bahnbrechend nach vorne bringen.
Auf Deutschland bezogen haben wir in Aachen in unserem Forschungs- und Entwicklungscenter eine neue Cloud RAN-Einheit gegründet, die an der Standardisierung arbeitet. Das heißt, wir sind fest entschlossen, die beste Hardware und Software in der Branche zu liefern, die auf offenen Standards basiert.

connect professional: Was ist bei diesem Thema in diesem Jahr noch zu erwarten?
Leimbach: Im Hinblick auf die offenen Schnittstellen im Fronthaul werden wir noch im Laufe dieses Jahres von der Softwareseite Unterstützung auch für hochleistungsfähiges offenes Fronthaul in unserem gesamten Portfolio einführen. Und von der Hardwareseite sind weltweit schon mehr als eine Million Ericsson-Radio-Komponenten installiert, die hardwareseitig bereit sind für die nächste Generation der offenen Fronthaul-Technologie.
 
connect professional: Und wie sieht es in anderen Geschäftsbereichen von Ericsson für die verbleibenden Monate in 2024 aus?
Leimbach: Im traditionellen Netzausrüstergeschäft ist unser Ziel, in diesem und auch nächstem Jahr alle Fortschritte, die mit 5G möglich sind, auch den Netzbetreibern in Deutschland und Westeuropa zur Verfügung zu stellen. Das heißt, den Mid-Band-Rollout zu unterstützen, weitere Schritte im Bereich Open RAN zu gehen und insbesondere auch die Energieeffizienz der Netze weiter voranzutreiben. Das sind die Kernthemen, die uns beschäftigen.
Für die Weiterentwicklung der Branche sind aber auch ganz neue Geschäftsfelder von Relevanz. Das heißt zum einen das innovative Geschäftsfeld rund um offene Schnittstellen im Mobilfunknetz – APIs sind da die Grundlage für völlig neue Geschäftsmodelle. Dann haben wir noch einen anderen Bereich, der zunehmend an Wichtigkeit gewinnt: Das ist der Bereich Mission Critical Networks. Hierzu zählt unter anderem die Vernetzung an und auf der Schiene, also der Bahnfunk, für die zukünftige Steuerung der Bahn, also Future Railway Mobile Communication System kurz FRMCS. Sie sehen, uns wird nicht langweilig.

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