Wer einen elektronisch geschlossenen Vertrag kündigen wollte, stand bislang vor Herausforderungen. Der Gesetzgeber hat hier eingegriffen: Seit dem 1. Juli 2022 sieht das Bürgerliche Gesetzbuch eine neue Regelung zur Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr vor.
Der Artikel liefert unter anderem Antworten auf folgende Fragen:
Wer in den letzten Wochen aufmerksam auf den Webseiten von Mobilfunkanbietern oder Streaming-Diensten unterwegs war, hat vielleicht bereits eine Schaltfläche bemerkt, die mit „Verträge hier kündigen“ oder ähnlich bezeichnet ist. Zugegeben, auf den meisten Webseiten springt einem diese nicht gerade ins Auge. Oft muss man bis zum Footer scrollen, um sie dort – weniger als Schaltfläche, sondern als hervorgehobenen Text – neben den Links zum Impressum und zur Datenschutzerklärung zu finden. Und dennoch: Seit dem 1. Juli 2022 ist eine solche Schaltfläche, der sogenannte „Kündigungsbutton“, für bestimmte Internetangebote verpflichtend. Der Button soll es VerbraucherInnen ermöglichen, Verträge online genauso leicht zu kündigen, wie sie abzuschließen.
Das Kleingedruckte lesen, die passende Anschrift für eine postalische Kündigung per Einschreiben finden, individuelle Fristen einhalten: Viele Details, die eine Kündigung zu einem komplexen Unterfangen machten, werden mit der neuen Regelung aufgelöst. |
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§ 312k BGB sieht vor, dass Unternehmer den Kündigungsbutton für alle Verträge einrichten müssen, die VerbraucherInnen auf einer Webseite abschließen können und mit denen sie ein sogenanntes entgeltliches Dauerschuldverhältnis mit einem Unternehmer eingehen – also einen längerfristigen Vertrag mit einer wiederkehrenden Leistung. Im Detail sind das Verträge, die für eine befristete oder unbefristete Dauer geschlossen werden, zum Beispiel Abos bei Streaming-Diensten wie Netflix und Co., Fitnessstudio-Mitgliedschaften oder Mobilfunkverträge. Auch sogenannte „Bezugsverträge“, bei denen die wiederholte Lieferung von bestimmten Produkten vereinbart wird, zählen dazu, zum Beispiel Lebensmittel-, Kosmetik- oder Zeitschriften-Abos.
Damit § 312k greift, muss ein Vertrag außerdem zu einer entgeltlichen Leistung verpflichten, was bedeutet, dass VerbraucherInnen Geld für eine Leistung zahlen. Bei einigen Verträgen bezahlen die VerbraucherInnen für die vom Unternehmen erbrachte Leistung jedoch nicht mit Geld, sondern mit der Bereitstellung von personenbezogenen Daten. Das kann zum Beispiel bei „kostenfreien“ Accounts oder bei der Teilnahme an einem Treueprogramm der Fall sein. Ob eine „Zahlung mit Daten“ als entgeltliche Leistung eingestuft werden kann und damit ein Kündigungsbutton eingerichtet werden muss, ist derzeit noch nicht final geklärt. Anbieter solcher „kostenfreien“ Angebote sollten sich des Risikos einer etwaigen Einrichtungspflicht allerdings bewusst sein.
Grundsätzlich gilt: Besteht die Möglichkeit, ein entgeltliches Dauerschuldverhältnis über eine Webseite abzuschließen, muss dieses über den Button gekündigt werden können. Unter diese Regelung fallen auch Verträge, die offline abgeschlossen wurden, bei denen der Abschluss aber auch online möglich gewesen wäre (zum Beispiel Abschluss einer Fitnessstudio-Mitgliedschaft, die offline im Studio als auch online über die Webseite des Fitnessstudios erfolgen kann). Die neuen Regelungen gelten auch für Verträge, die vor dem 1. Juli 2022 geschlossen wurden. Aber Achtung: Miet- oder Arbeitsverträge und andere Verträge, die von Rechts wegen schriftlich gekündigt werden müssen, sowie Internetangebote, die Finanzdienstleistungen betreffen und/oder diese anbieten, sind von der Neuregelung ausgenommen.
Verträge, die weiterhin nicht per E-Mail kündbar sind |
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Ausnahmen vom Kündigungsbutton sind:
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Um von der Neuregelung profitieren zu können, müssen VerbraucherInnen den Kündigungsbutton leicht finden können. Um das zu gewährleisten, hat die Gesetzgebung klare Vorgaben gemacht, wie der Kündigungsbutton gestaltet sein muss (siehe auch unten). Um den Vorgaben zu genügen, muss die Schaltfläche ständig verfügbar, gut lesbar, leicht zugänglich und eindeutig mit „Verträge hier kündigen“ oder einer ähnlich eindeutigen Formulierung gekennzeichnet sein.
Ständig verfügbar bedeutet unter anderem, dass der Kündigungsbutton nicht erst sichtbar werden darf, wenn sich VerbraucherInnen über ihr Profil eingeloggt haben. Der Button muss auch ohne Login verfügbar sein. Zudem sollte er auf jeder (Unter-)Seite einer Webseite, zum Beispiel über den Footer, also den feststehenden unteren Bereich des Webangebots, jederzeit erreichbar sein. Bei anderen Platzierungsmöglichkeiten muss im Einzelfall geprüft werden, ob diese eine ebenso leichte Zugänglichkeit des Buttons gewährleisten.
Nach dem Klick auf den Button müssen die VerbraucherInnen zu einer Bestätigungsseite gelangen, auf der Angaben zur Art der Kündigung (ordentlich oder außerordentlich), Identifizierung der Person, Identifizierung des Vertrags sowie zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung abgefragt werden. Da das Unternehmen den Verbraucher-Innen nach Abgabe der Kündigungserklärung eine Bestätigung schicken muss, sind Kontaktdaten zur elektronischen Übermittlung zwingend erforderlich. Die Bestätigungsseite muss einen weiteren Button enthalten, der mit „Jetzt kündigen“ oder ähnlich eindeutig beschriftet ist. Auf diesen müssen VerbraucherInnen klicken, um die Kündigung verbindlich zu erklären. Nach dem Klick muss dann den NuzerInnen die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Kündigungserklärung, inklusive Datum und Uhrzeit, speichern zu können (zum Beispiel als PDF-Download). Das Unternehmen muss den Erhalt der Kündigung unverzüglich elektronisch bestätigen, wobei Kündigungsinhalt sowie Datum und Uhrzeit zwingend Teil der Eingangsbestätigung sein müssen. Dies muss nicht unbedingt automatisiert erfolgen, die Bestätigung sollte aber nicht länger als ein bis zwei Werktage auf sich warten lassen.
Wenn der Kündigungsbutton fehlt, obwohl er nach § 312k vorgeschrieben wäre oder er nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend gestaltet ist, können VerbraucherInnen ihre jeweils betroffenen Verträge jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.
Gesetzliche Anforderungen an den Kündigungsbutton |
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Beide Schaltflächen, die zur Kündigung und die zur Kündigungsbestätigung, müssen laut Verbraucherzentrale NRW ständig verfügbar und leicht zugänglich sein. Man muss sich also nicht vorab auf der Webseite anmelden. Gibt man keinen Kündigungszeitpunkt an, gilt die Kündigung im Zweifel immer zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt. Es wird davon ausgegangen, dass die Kündigung dem Unternehmen unmittelbar zugeht, sobald man die Bestätigungsschaltfläche angeklickt hat. Der Unternehmer muss den Eingang der Kündigung sofort bestätigen. In der Regel bekommt man eine automatische Eingangsbestätigung. (DK) |
Im Vergleich zum europäischen Standard sorgt die Neuregelung zum Kündigungsbutton dafür, dass VerbraucherInnen in Deutschland in Bezug auf die Kündigung von elektronisch abgeschlossenen Verträgen ein deutlich höheres Schutzniveau genießen. Denn die Gesetzgebung geht – anders als die meisten der anderen seit dem
1. Januar beziehungsweise 28. Mai dieses Jahres geltenden neuen Verbraucherschutzregelungen – nicht auf die Umsetzung einer EU-Richtlinie zurück. Zwar sehen auch das Unionsrecht und die Rechtsordnungen anderer EU-Mitgliedsstaaten Regelungen vor, nach denen VerbraucherInnen über Kündigungsmöglichkeiten informiert und ihnen eine einfache Kündigung ermöglicht werden muss. Die deutsche Regelung geht jedoch einen Schritt weiter, weil sie die Einrichtung einer technischen Lösung verlangt, deren Umsetzung gesetzlich genau vorgegeben ist und den VerbraucherInnen mit wenigen Klicks eine Kündigung ermöglichen muss.
Lea Noemi Mackert, Senior Counsel für den Bereich Commercial und Gewerblicher Rechtsschutz bei der Kanzlei Bird & Bird