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Risiken im virtuellen Raum

17. Juni 2022, 10:22 Uhr | Lukas Steiglechner
© Bbtreesubmission / 123rf

Der neue Trend „Metaverse“ bringt viele Möglichkeiten mit sich. Doch birgt so ein weitläufiger virtueller Raum auch Gefahren für die NutzerInnen. Deshalb braucht es Richtlinien und zuverlässige Kontrolle.

In seinem 1992 erschienenen Sciene-Ficition-Roman „Snow Crash“ hat Autor Neal Stephenson erstmals den Begriff „Metaverse“ geprägt. Laut seiner Definition umfasst das Metaverse eine gänzlich virtuelle Realität, in der Nutzerinnen und Nutzer nicht nur miteinander interagieren, sondern beispielsweise selbst Grundstücke erwerben können. Und rund 30 Jahre später schafft dieses Konzept den Sprung aus der Fiktion in die Realität. Im Oktober 2021 hatte Mark Zuckerberg – im Zuge der Umbenennung des Facebook-Konzerns in Meta – seinem Unternehmen das Ziel gesetzt, ein eigenes Metaverse aufzubauen. Man wolle auf diesem Weg die nächste Stufe der digitalen Vernetzung ermöglichen, verkündete er damals. Das Konzept soll verschiedene Anwendungen verknüpfen und einen virtuellen Raum schaffen, der vor allem mittels VR-Brille erlebbar wird.

Die Möglichkeiten dieses im Aufbau befindlichen Metaversums klingen durchaus spannend: immersive Erlebnisse von Remote-Arbeit über Homeschooling und Events bis hin zu Online-Shopping, die von vielen verschiedenen Unternehmen, Organisationen und Usern mitgestaltet werden können. Zumindest sieht das ein Drittel der Deutschen laut einer Bitkom-Befragung so. Gleichzeitig bezeichnen 42 Prozent der Befragten das Metaverse aber als einen Hype, der auch schon bald wieder vorbei sein könnte.

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Viele offene Fragen rund um das Metaverse

Ob aber kurzlebiger Hype oder nicht – mit seiner Ankündigung hat der Meta-Konzern ohne Frage für viel Aufmerksamkeit für das Thema und die Technologie dahinter gesorgt. Gleichzeitig wirft das Konzept aber auch viele Fragen auf, vor allem vor dem Hintergrund der Kritik, der sich Facebook beziehungsweise Meta in den vergangenen Jahren immer wieder gegenübersah. Ein Beispiel ist Mobbing auf sozialen Plattformen, dem vor allem junge Menschen ausgesetzt sind. Das bestätigt unter anderem der Welt-Mädchenbericht 2020 „Free to be online“ des Kinderhilfswerks Plan International, für den mehr als 14.000 Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren weltweit befragt wurden, davon 1.003 auch aus Deutschland. Demnach haben insgesamt 70 Prozent der Befragten aus der Bundesrepublik bereits digitale Gewalt und Belästigung in sozialen Netzwerken erfahren. Die Hälfte davon auf Instagram, ein Drittel wiederum auf Facebook.

Meta könnte die vielen Probleme seiner sozialen Netzwerke nun aber auch aus den sozialen Netzwerken in sein Metaverse mitnehmen. Im Dezember 2021 startete auf der Meta-Plattform beispielsweise das VR-Online-Spiel „Horizon Worlds“ für Nutzerinnen und Nutzer in den USA und Kanada in einen Beta-Test. Auch dieses Konzept klingt erst einmal interessant. Ein kreativer, virtueller Raum, um gemeinsam zu entdecken und zu entwickeln. Doch eine Journalistin des US-Mediums „Bloomberg“ berichtete bereits vom Vorgänger „Horizon Venues“, dass es dort zu äußerst fragwürdigem Verhalten  von Usern kam. Aber auch eine Beta-Testerin von „Horizon Worlds“ berichtete kürzlich von entsprechenden Belästigungen in dieser neu etablierten virtuellen Welt.

Es braucht klare Richtlinien und Kontrolle

Dass sich diese Probleme der sozialen Netzwerke auch in das Metaverse übertragen, ist kaum verwunderlich. Was hier nötig wäre, sind klare Richtlinien, Kontrollmechanismen und eine Moderation der Plattformen, die der Meta-Konzern bereits in Vergangenheit auf seinen sozialen Netzwerken nicht immer leisten wollte oder konnte. Umso mehr stehen aber andere Unternehmen und Anbieter in der Pflicht, ihren Teil des Metaverse als einen sicheren Raum für alle zu gestalten. Erst recht, wenn nach wie vor in den Kinderschuhen steckende und durchaus empfindliche Technologien wie Virtual Reality zum Einsatz kommen. Denn sie könnten die negativen Auswirkungen noch deutlich verstärken. So kann bereits die Präsenz einer anderen Person im virtuellen Raum bedrohlich wirken, wie auch eine Meta-eigene Studie aus dem Jahr 2019 aufzeigt.

Hinzu kommt die Herausforderung, dass sich Regulierung und Moderation einer VR-Plattform als deutlich komplexer erweist als bei anderen Social-Media-Plattformen. Denn anstatt lediglich Text und Bilder oftmals automatisiert zu analysieren, müssen Kommunikation über gesprochene Sprache, Gestik, Mimik und auch weitaus komplexere Faktoren bewertet werden. So spannend die neuen Entwicklungen rund um das Metaverse also sind, ist nach wie vor ein gewaltiges Maß an Vorsicht geboten. Noch muss sich zeigen, ob der Meta-Konzern auch die gemachten Lektionen der vergangenen Jahre in die virtuelle Realität übersetzen kann.


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