Während es also beim Video-Ident-Verfahren erstmal einen Stopp beziehungsweise ein Ausweichen auf andere Methoden gab, geht es für das E-Rezept nun in die Umsetzung. Mit dem am 20. Oktober 2020 in Kraft getretenen „Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz –PDSG)“ wurde auch die Einführung des E-Rezepts bei der Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geregelt. Damit soll von der Ausstellung des Rezepts in der Arztpraxis über die Einlösung in der Apotheke bis zur Abrechnung mit der Krankenkasse alles digital ablaufen. Für die Übermittlung des E-Rezepts wird die Telematikinfrastruktur (TI) im Gesundheitswesen verwendet.
Nach einer Testphase hat nun am 1. September der flächendeckende Rollout begonnen. Laut Gematik wird die Einführung primär stufenweise erfolgen, zunächst in Zahnarzt- und Arztpraxen sowie Krankenhäusern in Westfalen Lippe und in Zahnarztpraxen und Krankhäusern in Schleswig-Holstein; Arztpraxen in Schleswig-Holstein sind nach dem Rückzug der dortigen Kassenärztlichen Vereinigung (KVSH) vorerst nicht dabei. Aber auch bundesweit sollen Praxen und Kliniken auf das E-Rezept umstellen können, ohne auf den offiziellen Start in ihrer Region warten zu müssen. So seien alle Apotheken bundesweit mit der technischen Funktion für das Einlösen eines E-Rezepts ausgestattet. „Ich freue mich sehr, dass wir mit der Anbindung der Apotheken eine weitere wichtige Hürde nehmen, um den Menschen das E-Rezept zugänglich zu machen. Durch dieses künftig flächendeckende Angebot werden nun auch viele Praxen vollständig auf das E-Rezept umsteigen, da gesetzlich versicherte Bürgerinnen und Bürger ihre E-Rezepte dann überall problemlos einlösen können“, erklärte Markus Leyck Dieken, CEO der Gematik, in einer Pressemeldung zum Rollout-Start.
Am 21. September gab die Gematik Zahlen aus dem TI-Dashboard bekannt: Demnach seien über 277.000 E-Rezepte eingelöst worden und über 12.000 Apotheken in Deutschland konnten zu diesem
Zeitpunkt E-Rezepte annehmen. Die E-Rezept-App wurde, Stand 21. September, über 364.000 Mal heruntergeladen.
Die App für das Einlösen von E-Rezepten sieht Leyck Dieken als „Königsweg“. Voraussetzung, um diese auf dem Smartphone nutzen zu können, ist eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) mit NFC-Funktion sowie eine dazugehörige PIN. Da die eGK automatisch alle fünf Jahre ausgetauscht und den Versicherten zugeschickt wird, seien laut Gematik aktuell mehr als 60 Prozent der gesetzlich Versicherten mit einer solchen Karte ausgestattet. Die PIN allerdings, die bei den Krankenkassen geordert werden kann, haben demnach aktuell weniger als ein Prozent. Und auch bei den ÄrztInnen ist laut einer im Oktober veröffentlichten Studie des Branchenverbands Bitkom noch Zurückhaltung zu beobachten: Demnach würden bei den befragten ÄrztInnen lediglich eine von 100 regelmäßig auch elektronische Rezepte ausstellen. Immerhin 57 Prozent könnten sich dies künftig vorstellen.
Wie der Rollout bislang verlief, wurde am 19. Oktober im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Gematik digital“ referiert. Interessiertes Fachpublikum konnte sich hier online zuschalten. Dabei zeigte sich etwas Grundsätzliches: Dass es letztlich auf die Initiative und den Antrieb jedes einzelnen aus der Ärzteschaft und der Apothekerlandschaft ankommt. Cluster war dabei ein Schlagwort: So bringt es wenig, wenn PatientInnen von ihrer Arztpraxis ein E-Rezept ausgestellt bekommen, dieses aber dann in keiner naheliegenden Apotheke einlösen können, weil die Apotheke sich mit dem Thema noch nicht oder zu wenig beschäftigt hat.
Doch mit der Ansage des Rollouts geht auch eine gewisse Dynamik einher, die sich über den Ende Oktober online gestellten TI-Atlas 2022 der Gematik beobachten lässt; der TI-Readiness-Index macht die Fortschritte bei Apotheken, Arztpraxen, Krankenhäuser, Psychotherapeutischen Praxen und Zahnarztpraxen transparent. Und am 19. Januar 2023 vermeldete die Gematik, dass bundesweit bislang eine Million E-Rezepte in Apotheken eingelöst worden seien.
Allein die Vielzahl und die hohe Frequenz an veröffentlichten Daten zeigen: Es geht voran. Aber es ist eben das Wesen eines flächendeckenden Rollouts in einem Land mit rund 80 Millionen Menschen, dass dieser eine Weile in Anspruch nimmt und nehmen wird.