Digitale Gesundheitsanwendungen

Wie läuft es eigentlich mit Apps auf Rezept?

7. Dezember 2022, 11:24 Uhr | Sabine Narloch
© aurielaki / 123rf

Statt Tabletten, Salbe oder Physiotherapie eine App verschrieben zu bekommen – das klingt nach wie vor ungewöhnlich. Und so wird es, bis das Konzept flächendeckend bei allen Beteiligten angekommen ist, noch dauern. Doch erste Schritte sind gemacht.

Durch das Inkrafttreten des Digitalen Versorgungsgesetzes können seit dem 6. Oktober 2020 sogenannte „Digitale Gesundheitsanwendungen“ (DiGA) von den Krankenkassen übernommen werden. Diese Leistungen sind auch als „App auf Rezept“ bekannt. Was DiGA leisten sollen, ist auf der Webseite des Bundesinstituts für Arznei-mittel und Medizinprodukte (BfArM) erläutert: Krankheiten erkennen, überwachen, behandeln oder lindern. Ihre Hauptfunktion beruhe auf digitalen Technologien – der medizinische Zweck werde wesentlich durch die digitale Hauptfunktion erreicht.

Ebenfalls auf den BfArM-Webseiten ist das offizielle DiGA-Verzeichnis hinterlegt – am 19. Oktober waren 35 Apps gelistet. Seit dem Start des DiGA-Antragsportals seien insgesamt 152 Anträge zur Prüfung beim BfArM eingereicht worden, heißt es. Dass aktuell (Stand Ende Oktober 2022) nur 35 Anwendungen verordnet werden können, liegt daran, dass während der Antragsprüfung 84 Anträge durch die Antragssteller zurückgezogen wurden, vier wurden aus dem Verzeichnis gestrichen, 13 erhielten einen negativen Bescheid, der Rest befindet sich in Bearbeitung.

Luft nach oben: Nur vier Prozent verschreiben Apps

Eine erste Bilanz, wie es mit den Apps seit dem Startschuss läuft, fasst der Ende März veröffentlichte DiGA-Report der Techniker Krankenkasse (TK) und der Universität Bielefeld zusammen. Darin wurde zunächst grundsätzlich festgestellt: „Die Einführung der DiGA als Regelleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung steht exemplarisch für die in der vergangenen Legislaturperiode entfachte Digitalisierungsdynamik im deutschen Gesundheitswesen und stellt auch aus internationaler Perspektive ein Novum dar.“

Somit müssen sich sowohl die verordnenden ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen, aber auch die PatientInnen an diese neue Möglichkeit herantasten. Laut Bericht verteilten sich die bis Ende Dezember 2021 beobachteten rund 16.000 DiGA-Verordnungen auf 7.000 verordnende Leistungserbringer. Das seien etwa vier Prozent der rund 180.000 ambulanten ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen in Deutschland und bedeute eine durchschnittliche Verordnungszahl pro Leistungserbringer von 2,6. Am meisten werden DiGA demnach von AllgemeinmedizinerInnen verschrieben. Die Akzeptanz von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen wird jedoch ein wichtiger Faktor sein für Erfolg oder Misserfolg der Digitalen Gesundheitsanwendungen.

Die Zahlen zu den Nutzungsgewohnheiten von PatientInnen und deren Einschätzung der Wirksamkeit können jedoch durchaus positiv gewertet werden. Demnach werde eine verordnete App von 37 Prozent täglich genutzt; 17 Prozent tun dies vier bis sechs Mal die Woche, 30 Prozent ein bis drei Mal die Woche. Nach Alter aufgeschlüsselt bilden die 50- bis 59-Jährigen die größte Nutzergruppe (Grafik 1, siehe Bildergalerie unten). Der Anteil der Frauen liege mit 66,5 Prozent bei den DiGA-Rezepten deutlich höher als der der Männer. Bei der Frage zur Wirksamkeit gaben 66 Prozent an, dass die App geholfen habe, Beschwerden zu lindern (Grafik 2)

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Apps auf Rezept Techniker Krankenkasse
Silvia Wirth, Pressesprecherin für Digitalisierung & E-Health bei der Techniker Krankenkasse, erläutert, in welchen Anwendungsfeldern es die meisten Apps auf Rezept gibt: „Wir sehen, dass besonders häufig DiGA aus dem Bereich der psychischen Erkrankungen verordnet werden, was daran liegt, dass die Anzahl der DiGA in diesem Indikationsbereich mit 14 DiGA am höchsten ist. Mit rund einem Drittel machen diese Apps den größten Anteil der verordneten DiGA aus. Auf Platz zwei sind Apps, die bei Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems helfen, zum Beispiel bei Rückenschmerzen. Auf dem dritten Platz liegen DiGA aus dem Bereich der Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas.“
© Techniker Krankrenkasse

Rückentraining am gefragtesten

Einen noch detaillierteren Einblick gibt Silvia Wirth, Pressesprecherin für Digitalisierung & E-Health bei der Techniker Krankenkasse. Sie beschreibt auf funkschau-Nachfrage den Stand im Oktober 2022. „Seit dem Start der DiGA als neue Leistungsart in der Gesetzlichen Krankenversicherung hat die TK rund 50.000 Codes an Versicherte ausgegeben. Mit diesen Codes können die Versicherten die Apps aktivieren.“ Zwar sei die absolute Zahl „verglichen mit anderen Leistungen in der GKV eher wenig“, so Wirth weiter. Allerdings liege diese Zahl im erwartbaren Rahmen „für eine Leistung, die sich im Verordnungsprozess erst einmal neu in den Praxen etablieren muss.“ Auch wenn DiGA besonders häufig im Bereich der psychischen Erkrankungen verordnet werden (siehe Grafik 3), sei der Spitzenreiter mit 8.213 Freischaltcodes laut Wirth aber „Vivira“, eine App für therapeutisches Training bei Rückenschmerzen. Gefolgt von der Tinnitus-App „Kalmeda“ (7.417 Freischaltcodes) sowie „Zanadio“ (6.804 Freischaltcodes), einem digitalen Abnehmprogramm.

Noch erscheinen die Zahlen angesichts von Millionen von Versicherten sehr gering – doch ein Anfang ist gemacht. Was die drei App-Beispiele ganz gut zeigen, ist das Spektrum an Einsatzmöglichkeiten und die Varianz solcher Apps. Für den weiteren Weg gilt es nun, großflächig Akzeptanz auf Seiten der Leistungserbringer zu erreichen sowie Gesundheitsbewusstsein und Technik- beziehungsweise App-Affinität auf Seiten der PatientInnen zu fördern und zu nutzen.

Ergebnisse des DiGA-Reports 2022 der Techniker Krankenkasse

© Techniker Krankenkasse
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