Automatische Bereitstellung von Services

Dienste für dynamische optische Netze

25. März 2010, 12:36 Uhr | Dr. Michael Ritter

Ein Autokäufer kann heute Modell, Farbe und Ausstattung ganz nach individuellem Geschmack wählen und beliebig kombinieren. Er löst damit beim Hersteller komplexe automatisierte Produktions­prozesse aus. Ohne diesen hohen Automationsgrad wäre es ausgesprochen unwirtschaftlich, einen solchen Service anzu­bieten. Vergleichbares ist erforderlich, um als Netzbetreiber schnell inno­vative Dienste bereitzustellen und die Betriebskosten deutlich senken zu können.

Für Betreiber herkömmlicher Telekommunikationsnetze wird die Situation ungemütlich: Der Bedarf
an Bandbreite wächst exorbitant schnell, und auch der Anspruch bezüglich Flexibilität für neue
Dienste steigt. Nicht zuletzt wird der Ruf nach neuen – auch multimedialen – Diensten immer lauter.
Dienste sollen nach Möglichkeit individuell sein und den Wünschen der Kunden entsprechen.

Dies alles klingt irgendwie selbstverständlich, doch bei der Mehrzahl der heute betriebenen
Transportnetze ist gegenwärtig noch genau das Gegenteil der Fall. Starre Netze geben den Rahmen
vor, innerhalb dessen Dienste für die breite Masse definiert und den Kunden angeboten werden. Es
gibt für die wichtigsten Dienste gewaltige kostenintensive Spezialnetze. Allein die Telefonie, das
klassische leitungsvermittelte Telefonnetz, ist eine wahre "Betriebskostenkatastrophe" für jeden
Netzbetreiber und legt darüber hinaus den Kunden in der Entfaltung seiner Interessen an die Kette.
Der Kunde kauft also Netzdienste ein und passt seine eigenen Kommunikationsbedürfnisse daran an.
Dies erfordert große Kompromissbereitschaft, die sich auf die unternehmerischen Abläufe direkt
niederschlagen kann.

Next Generation Networks (NGNs) sollen gleichermaßen die Plattform schneller paketorientierter
Datendienste und leitungsvermittelter Echtzeitdienste in hoher Güte darstellen. Dynamische optische
Transportnetze stellen die erforderliche Kapazität zur Verfügung. Zudem bietet die voranschreitende
Integration von Ethernet- und WDM-Technik die Möglichkeit, die verschiedensten TK-Dienste in einem
Gesamtsystem bereitzustellen. Dies steigert allerdings den operativen Aufwand enorm, da bei der
Gestaltung neuer Dienste die spezifischen Eigenschaften aller Netzabschnitte zu berücksichtigten
sind. Im Hinblick auf die zu erwartende Expansion der Netze und der Bandbreite sowie der
geforderten Flexibilität in der Kreation neuer Dienste kann eine manuelle Konfiguration, wie sie
heute noch vorherrscht, nicht mehr wirtschaftlich sein.

Transportnetze der Zukunft sollen diese Schranken aufbrechen und gleichzeitig flexibler und
leistungsfähiger werden. Zudem versprechen sich die Netzbetreiber deutlich fallende Kosten für den
laufenden Netzbetrieb und nehmen dafür hohe Investitionen in Kauf. Durch die angestrebte
Flexibilität der Netze wird deren Betrieb jedoch gleichzeitig komplexer, weshalb Aufwand und
Anspruch an das Know-how steigen. Von fallenden Betriebskosten kann also nicht ohne Weiteres die
Rede sein.

Bei der Einrichtung eines Dienstes in einem optischen WDM-System (Wellenlängen-Multiplex) ist
beispielsweise sehr akkurat vorzugehen. So hat das Hinzu- oder Abschalten eines Dienstes in einem
solchen System direkte Auswirkungen auf den Gesamtleistungspegel auf der Faser und kann bei einem
Fehler das gesamte System und damit eine Vielzahl von Diensten stören. Wenn Wellenlängen neu zu
verschalten sind, gilt es, die physikalischen Eigenschaften des Mediums wie Dämpfungs- und
Dispersionseffekte zu berücksichtigen.

Flexible Ethernet-Dienste

Neue Standards haben Ethernet als Plattform für hochwertige Transportdienste und für die
qualitätsgesicherte Ende-zu-Ende-Kommunikation fest etabliert. Zur Erreichung der angestrebten
Flexibilität sind Bandbreitenprofile sowie die geforderten Dienstgüte-Parameter zu definieren.

Dies alles zu erfassen und in eine funktionssichere Konfiguration umzusetzen, bedingt
hervorragend ausgebildetes Personal und ständige Fortbildung. Die manuelle Einrichtung eines
Dienstes erfordert somit einen sehr hohen planerischen und technischen Aufwand. Dies verzögert die
Umsetzung der Kundenwünsche und schlägt sich direkt in den Betriebskosten nieder – ein Nebeneffekt,
den man sich mit der erhöhten Flexibilität der Netze erkauft hat.

Will man sich von spezialisierten Netzen verabschieden, muss ein Provider alle denkbaren
Transportdienste auf einer gemeinsamen Netzplattform abbilden. Sowohl schmalbandige Dienste im
MBit/s-Bereich, anspruchsvolle Gigabit-Dienste und nicht zuletzt auch leitungsvermittelte
Backbone-Dienste sollen nun über ein gemeinsames Netz laufen. Hier sind alle Netzschichten – die
optische Ebene, das Wellenlängen-Multiplexing und die Ethernet-Schicht – dynamisch einzurichten.
Dies setzt natürlich zuerst gewisse Investitionen in die Infrastruktur voraus, jedoch lassen sich
damit die Betriebskosten senken. Langfristig betrachtet sinken die Investitionskosten, weil das
Netz im Ganzen flexibler wird – und anders als derzeitige spezialisierte Netze – ohne oder mit
überschaubaren Erweiterungen auf künftige Anforderungen reagieren kann.

Das Rad nicht neu erfinden

Die Parameter und technischen Eigenschaften einzelner Netzkomponenten und Leitungswege sind
ebenso bekannt wie die Zusammensetzung des gesamten Netzes aus diesen Teilsystemen und die auf der
Physik aufsetzenden höheren Schichten und Techniken. Das Management der Teilbereiche lässt sich
somit durchaus abstrahieren.

Ein Beispiel dafür ist die Konfiguration von ROADMs für die Schaltung der jeweiligen
Wellenlängen und die damit verbundene Steuerung der Leistungspegel auf der Faser: In einem rein
diensteorientierten Netzbetrieb muss sich der Betreiber nicht mehr mit den technischen Details
auseinandersetzen. Wie alle anderen Netzelemente wird auch der ROADM mit seinen spezifischen
Parametern als eine virtuelle Funktionskomponente abstrakt dargestellt. Damit ist der
netzelementspezifische Betrieb für den Administrator ebenso zweitrangig wie das Zusammenspiel der
einzelnen Netzabschnitte untereinander. Um diese sensiblen Details kümmert sich nun eine spezielle
Software, der Service-Manager.

Abstraktion und Administration per Service-Manager verringern damit die aufgrund der Einführung
von Ethernet und optischer WDM-Technik steigende Komplexität im Netz. Damit sinken die
Betriebskosten spürbar. Der Einsatz des Service-Managers bietet allerdings noch einen weiteren
positiven Aspekt: Das Risiko eines Konfigurationsfehlers entfällt nahezu völlig, das gesamte
Netzwerk ist wesentlich störsicherer und zuverlässiger. Neben den Einsparungen in den
Betriebskosten steigt somit auch die Kundenzufriedenheit.

Die Dienste lassen sich vor allem auch schneller realisieren. Dies trifft besonders auf
hochwertige komplexe Dienste zu. Ein Beispiel sind Infrastrukturprojekte für
Mobilfunknetzbetreiber, die neben einer großen Bandbreite eine hohe Dienstgüte und stabile
Laufzeitparameter erfordern. Derartige Projekte waren bisher meist lange und aufwändig zu
planen.

Intelligentes Service-Management

Die Intelligenz des gesamten Netzes wird bei diesem Szenario in einer einzigen Software
komprimiert: dem Service-Manager. Dieser besteht aus vier wesentlichen Funktionsblöcken:

Service Inventory Manager,

Service Template Repository,

Service Creation Wizard und

Service Activation Engine

Der Service-Manager hat somit den vollen Überblick über die Dienste und belegten Kapazitäten im
gesamten Netzwerk; die Software kann anhand dieser Informationen freie Kapazitäten optimal und
wirtschaftlich reservieren und die Dienste bedarfsgerecht aktivieren. Der Betreiber muss dabei die
Details der verwendeten Netztechnik nicht mehr unmittelbar kennen.

Die auf Service-orientierter Basis vorgenommene Bereitstellung neuer Verbindungen kommt per
GMPLS Control Plane in den technischen Teilbereichen des Netzes direkt zur Umsetzung. Erst hier –
vollkommen im Hintergrund und ohne Beanspruchung des Know-hows eines Technikers – erfolgen nun die
Schaltungen der Verbindungswege auf den verschiedenen Netzebenen vollautomatisch.

NGNs werden "offene Netze" sein, in denen ein Carrier nicht allein seine Dienste anbietet,
sondern Service-Providern seine Plattform bereitstellt, damit diese spezialisierte Dienste
vermarkten können. Service-Manager-Software bietet auch hier eine von verwendeten Netztechnik
unabhängige Schnittstelle zur Implementierung, Steuerung und Überwachung moderner Dienste.

Fazit

In Zukunft wird der Bedarf an Bandbreite und Datenvolumen buchstäblich explodieren. Gleichzeitig
werden jedoch die Erlöse der Netzbetreiber stark einbrechen. Carrier sind deshalb gezwungen,
möglichst rasch die Kostenfalle Nr. 1 zu vermeiden, also die laufenden Betriebskosten drastisch zu
reduzieren. Die Automation der Bereitstellung von Netzdiensten bietet hier ein sehr großes
Einsparpotenzial. Voraussetzung dafür ist allerdings eine Umstellung im operativen Bereich. Anstatt
wie bisher Netzkomponenten auf unterschiedlichen Netzplattformen mit unterschiedlichen Aufgaben zu
verwalten, gilt es künftig, eine integrierte Netzplattform für Transportaufgaben zu nutzen und
diese aus der Perspektive der Dienste zu verwalten. Die technischen Möglichkeiten dazu existieren
bereits.


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