Redmonder Zusagen als irreführend kritisiert

Diskussion um Microsoft-Angebot an Novell-Kunden

21. Dezember 2006, 0:25 Uhr |

Das Ziel der Partnerschaft von Microsoft und Novell, nämlich die Interoperabilität zwischen Windows und Linux, wirft immer neue Fragen zur Technik und zur Lizenzierung auf. Am meisten umstritten ist Microsofts neue Zusage an Kunden von Novells quelloffenen Produkten. Die Redmonder versprechen, keine Ansprüche aus Patentverletzungen von den Kunden geltend zu machen, die diese Novell-Produkte nutzen. Doch die Zusicherung schützt diese Kundengruppe nicht vor allen Klagen und liefert auch keinen Schutz für Kunden von Red Hat oder anderen Anbietern von Open-Source-Lösungen.

Aufgrund des Patentabkommens wird Microsoft eine Vorauszahlung von etwa 108 Millionen Dollar an Novell leisten, und Novell hat sich zu laufenden Zahlungen bereit erklärt. Das Unternehmen will fünf Jahre lang mindestens 40 Millionen Dollar zahlen, und zwar einen gewissen Prozentsatz seines Umsatzes mit der Open Platform Solution und Open Enterprise Server. "Viele Leute wollen wissen, ob dieses Abkommen im Einklang mit Novells Verpflichtung zu der General Public License, vor allem Abschnitt 7, steht", erklärte Novells Rechtsanwalt Joseph LaSala. "Dies war für uns ebenfalls eine wichtige Überlegung."

Laut LaSala erhalten die Novell-Kunden direkt von Microsoft die Zusage, nicht zu klagen. Novell erhält keine solche Zusage und auch keine Patentlizenz von Microsoft. Das Unternehmen hat auch keine Abmachung mit Microsoft getroffen, die den Bedingungen der GPL zuwider läuft. "Unser Abkommen schmälert die Freiheit, die Novell oder jemand anderes in der Open-Source-Gemeinde unter der GPL genießt, in keiner Weise", betont der Anwalt. "Die Abmachung enthält keine Bedingungen, die die GPL verletzen könnten."

Open-Source-Gruppen hatten besorgte Fragen bezüglich der Partnerschaft aufgeworfen. Bradley Kuhn, Chief Technology Officer des Software Freedom Law Center, sagte, das Center mache sich Gedanken über die Auswirkungen auf die Entwickler freier Software. "Die Entwicklergemeinde der Free-and-Open-Source-Software hat Microsofts Versprechen an die Programmierer mit großem Interesse aufgenommen", erklärte er. Doch die sorgfältige Prüfung der Zusicherung habe ergeben, so Kuhn, dass sie ziemlich wertlos sei. "Die Zusage bezieht sich lediglich auf Software, die zu Hause für den persönlichen Gebrauch entwickelt wird und umfasst keine weiteren Anwender, falls das Programm verteilt wird", erläutert Kuhn. "Die Rechte lassen sich nicht an andere Empfänger weitergeben, auch nicht an die Betreiber größerer Projekte, für die die Software entwickelt wurde." Die Zusage sei sogar schlimmer als wertlos, denn das leere Versprechen erzeuge ein trügerisches Gefühl der Sicherheit, so der Kritiker weiter. "Entwickler sollten sich durch den scheinbaren Waffenstillstand nicht täuschen lassen, sie sind vor Microsoft-Patenten nicht sicherer als vorher."

Ian Finley, Analyst bei AMR Research, schrieb in einer Mitteilung, es handle sich um ein herkömmliches Lizenzaustauschabkommen mit einem leichten Schwenk zu Open Source. "Das Abkommen widerspiegelt den Reifegrad des Linux-Markts und zeigt, wie sich der Kampf um Marktanteile ändert", schrieb er. "Der Lizenzaustausch mit Linux-Anbietern ist jedenfalls nicht einfach." Laut Finley gibt es keine Patente für Linux-Technologie (es sei denn, man erachtet SCO Groups Forderungen als rechtmäßig) und auch keine Patentinhaber, mit denen Lizenzen ausgetauscht werden könnten. "Lediglich Unternehmen wie Novell, die umfassende Patentportfolios aufgebaut haben, sind in der Lage, Lizenzaustauschgeschäfte zu machen", fügte er hinzu.

Microsofts Versprechen trägt zum Schutz von Novells Open-Source-Kunden bei und stellt gleichzeitig für das Unternehmen aus Provo einen Anreiz dar, eigene Technologie an Microsoft zu lizenzieren. Novell bietet nun die einzigen quelloffenen Produkte an, die Kunden ohne Sorge vor potenziellen Microsoft-Klagen nutzen können, betont der Marktforscher.

Die langfristigen Auswirkungen des Abkommens lassen sich noch nicht abschätzen, doch "eines ist sicher, das quelloffene Linux wird erwachsen", so Finleys Fazit.

Linux läuft heutzutage auf den Servern tausender Unternehmen, und IDC stellte fest, dass 71 Prozent der Entwickler weltweit Open Source nutzen. Das Abkommen zwischen Microsoft und Novell gilt bis mindestens 2012.

Barbara Gengler/wg


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