Nach den gegenwärtigen 10 GBit/s sollen es sobald wie möglich 100 GBit/s sein - hofft das IEEE. Doch noch weiß man niemand, wie und wann das technisch erreichbar ist, zumal diese Geschwindigkeit auch bei der Übertragung über Kupfer erlangt werden soll.
Neben diesen technischen Problemen zweifeln immer mehr Experten an der Notwendigkeit einer solchen Übertragungsleistung: "Wir sehen jetzt erst die allgemeine Ausbreitung von 1-GBit/s-Netzen, 10-GBit/s fristet noch immer ein kümmerliches Nischendasein, da ergeben doch 100 GBit/s überhaupt noch keinen Sinn", sagt Mark Seery vom Londoner Marktforschungsunternehmen Ovum.
In der Tat ist der vor vier Jahren verabschiedete 10-GBit/s-Standard noch kaum in der Industrie verbreitet. Laut den Marktforschern von Infonetics sind weniger als ein Prozent der gegenwärtig ausgelieferten Switches 10-GBit/s-Geräte. Auch die in der Netzwerktechnik renommierten Marktforscher von CIR aus Charlottesville im US-Staat Virginia glauben an einen Durchbruch von 10 GBit/s erst Ende 2008 oder Anfang 2009. "Eventuell kann der gegenwärtige Preisverfall bei den 1- und 10-GBit/s-Komponenten die Zeiträume noch ein wenig abkürzen", heißt es in einer Untersuchung. "Für einen Firmen-Backbone reichen gegenwärtig noch 1 GBit/s, der Druck auf eine 10-Gig-Konsolierung entsteht nur ganz langsam, da das Netz meist nicht der Bottleneck ist", schreibt Lawrence Gasman, Principal Analyst bei CIR. Auch Infonetics erwartet erst nach 2009 einen bedeutenden 10-GBit/s-Anteil, der dann bei rund 74 Prozent liegen soll.
Erheblich weiter in die Zukunft gerückt sind dagegen die geschätzen Zeiträume für 100 GBit/s. Nach Ansicht von Joel Conover, Analyst bei Current Analysis, wird es noch mindestens zehn Jahre dauern, bis überhaupt eine entsprechende Infrastruktur für solche Geschwindigkeiten vorhanden ist. Doch John D?Ambrosia, Ethernet Ecosystem Architect bei Force10 Networks, verteidigte den neuen Geschwindigkeitsrausch schon bei der Ankündigung: "Ein solcher Leistungsstandard kann sowohl den kommenden Bedarf der Industrie als auch den der Unterhaltungselektronik erfüllen."
Allerdings sind diese beiden Branchen noch längst nicht von der Notwendigkeit eines solchen Hochgeschwindigkeitsnetzes überzeugt. In der Unterhaltungselektronik beginnt gerade die Ära der neuen DVD-Generationen – alles Offline-Anwendungen. Und gerade die Filmstudios stehen bislang einer Onlinedistribution immer noch äußerst skeptisch gegenüber, da sie weiterhin Angst vor einer späten "Napsterisierung" haben. Schließlich gingen die bisherigen Verzögerungen bei der Blu-Ray-DVD alle darauf zurück, dass die Studios mit dem gewählten Copyright-Schutz unzufrieden waren.
Immerhin: Bei 100 GBit/s lässt sich eine komplette 50-GByte- Blu-Ray-DVD theoretisch in vier Sekunden übertragen, aber leider wird kein Anwender in den Genuss dieser Geschwindigkeit kommen, weil diese nur zwischen lastaggregierten Switches entstehen kann. Denn kein Prozessor und schon gar keine Peripherie kann hier noch mithalten.
Auch im zweiten aufgeführten Anwendungsbereich, der Fertigungsindustrie, sieht man auf lange Zeit keinen Bedarf für ein 100-GBit/s-Ethernet. "Für fast alle Fabrikautomationen reichen derzeit 100 MBit/s völlig aus; 1-GBit/s-Verbindungen sind eine ganz seltene Ausnahme", sagt Jim Pinto, Industrie-Analyst bei Action Instrument.
Wer also zeichnet sich als potenzieller Anwender für das zukünftige 100-GBit/s-Ethernet ab? Bislang verweisen die Befürworter immer auf die Internetknoten in Amsterdam und Tokio, die bereits entsprechenden Bedarf angemeldet haben. "Amsterdam hat bei seinem Backbone gegenwärtig einen aggregierten Bedarf von 97,8 GBit/s", sagt Eric Troyer, Produktmanager beim dortigen Hauslieferanten Equinix. Auch Brad Booth, Präsident der Ethernet Alliance, sieht den Bedarf vorerst nur bei der Konsolierung von Internet-Backbone-Switches. "Traffic-Aggregation wird für lange Zeit die einzige 100-Gig-Anwendung sein, WANs werden vielleicht fünf Jahre später folgen, und alles Weitere muss man abwarten", lautet seine Einschätzung über die zukünftige Marktakzeptanz des neuen Standards.
Hinzu kommen aber noch weitere Hemmnisse: Der weit verbreitete Standard für optische Netzwerke Sonet, der Ethernet bislang hervorragend ergänzte, wird jetzt mit der neuen 100-GBit/s-Ethernet-Ankündigung zu dessen Konkurrenten. Damit entsteht eine Situation, die für die Anwender nicht nur höchst frustrierend sein wird, sondern obendrein auch noch teuer, weil es die Absatzmöglichkeiten der Geräte weiter einschränkt und damit deren Preise hoch hält. Harald Weiss/wg