CRN: Zahlreiche Unternehmen migrieren in die Cloud – ein Trend, den Corona noch verstärkt hat. Allerdings landen viele Workloads bei Hyperscalern, die ihre Systeme direkt bei ODMs beziehen. Ist das eine Bedrohung für den Channel? Wie sollte er am besten mit dieser Situation umgehen?
Stimberg: Die Entscheidung für eine Cloud-Lösung hat in erster Linie mit Flexibilität zu tun – Flexibilität bei der Service-Bereitstellung, aber auch bei der Abrechnung. Deshalb ist es wichtig, sich als Partner mit As-a-Service-Konzepten auseinanderzusetzen und ein eigenes Modell dafür zu finden, was unter anderem auch bedeutet, die Kompensation der Vertriebsmannschaft dementsprechend auszurichten.
Des Weiteren zeigt der Trend zur Cloud, dass Kunden immer mehr in Workloads denken. Viele Partner haben erste Schritte in Richtung Infrastructure-as-a-Service getan. Um gegen die Public Cloud zu bestehen, muss man aber Angebote für spezifische Workloads-as-a-Service zu entwickeln. Hier muss jeder Partner seine Kernkompetenzen definieren und sich auf bestimmte Workloads konzentrieren. Nur die wenigsten werden in der Lage sein, ein breites Spektrum anzubieten. Ein großer Markt wird in den nächsten zwei Jahren As-a-Service im SAP-Umfeld sein, da viele Unternehmen sich jetzt Gedanken über die Migration zu SAP S/4 machen und im Zuge dessen auch über eine Migration in die Cloud nachdenken.
In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage der Datenhoheit. Hier ist es wichtig, dass Partner ihre Kunden über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Cloudansätze beraten können. Am Ende kommt es auf den richtigen Mix an: darauf, wie kritisch die Daten sind und welche Wertschöpfung Unternehmen in Zukunft daraus generieren möchten.
CRN: Betrachtet man die letzten Quartale im Storage-Markt, sieht man, dass der kleine Aufschwung von vor gut einem Jahr wieder vorbei ist. Die Speicherkapazitäten steigen weiter schnell an, aber die Umsätze stagnieren – das bedeutet sinkende Preise und Margen. Wie kann man im Geschäft mit Storage-Systemen als Systemhaus noch Geld verdienen?
Stimberg: Storage bleibt ein Bereich, in den Kunden strategisch investieren, und in dem sich Partner differenzieren können. Dazu reicht es aber schon lange nicht mehr, nur die Features eines Storage-Systems positionieren zu können oder ein Storage-System zu konfigurieren. Kunden sind immer weniger daran interessiert, Infrastruktur zu kaufen und daraus dann selbst eine Lösung bauen zu müssen. Um weiter relevant zu bleiben, müssen Storage-Partner integrierte Lösungen anbieten. Dazu gehören das Verständnis der Workloads und der Software-Stacks, die Beratung sowie die Services über das reine Storage-System hinaus. Dabei sollten sich Partner auch mit neuen Lösungen wie Big Data, der Cloudanbindung für Storage und hyperkonvergenten Lösungen auseinandersetzen. Wichtig ist auch der Einsatz künstlicher Intelligenz zur Optimierung der Infrastruktur-Leistung und -Verfügbarkeit.
CRN: Zuletzt flaute der Flash-Boom laut Marktforschern etwas ab, diskbasierte Systeme erlebten ein kleines Revival. Auch bei Ihnen?
Stimberg: Es ist richtig, dass Flash-Systeme nicht mehr die hohen zweistelligen Wachstumsraten der letzten Jahre aufweisen – das ist aber nur ein Zeichen, dass Flash nun im Zentrum des Storage-Marktes angekommen ist. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind für den All-Flash-Markt weiterhin um einiges höhere Wachstumsraten als im Hybrid-Flash- und klassischen HDD-Markt zu verzeichnen. Aufgrund der fallenden SSD-Preise sehen wir gerade im Primary-Storage-Bereich noch einmal einen Schub von Hybrid-Flash in Richtung All-Flash, da die Kostenvorteile von hybriden Lösungen immer mehr schrumpfen. Hybride Lösungen sind dafür nun auch im Backup-Bereich gefragt, um die Performance der Sicherung zu verbessern. Bei Primary Storage sind Festplatten bei Neuprojekten fast gänzlich verschwunden. Wenn es um das Aufsetzen von Data-Lakes im Petabyte-Bereich geht, sind HDD aufgrund der großen Kapazität und dem Preis pro TB aber weiterhin im Vorteil. Der Boom solcher Big-Data-Lösungen erklärt auch das teilweise Wiedererstarken von Festplatten.
CRN: Ganz allgemein gefragt: Welche Themen treiben derzeit die Nachfrage nach Storage-Lösungen am stärksten an? Welche Storage-Lösungen verkaufen sich besonders gut?
Stimberg: Der größte Trend ist Big Data. Was in den großen Konzernen anfing, hat jetzt auch den Mittelstand erreicht. Hier sehen wir zum einen Bedarf nach skalierbaren Plattformen wie unseren Apollo-Systeme in Kombination mit HPE-Software wie MapR oder mit Lösungen von Unternehmen wie Cohesity, Qumulo oder Scality.
Der zweite Wachstumsbereich sind hyperkonvergente Lösungen. Neben vollintegrierten Lösungen wie HPE SimpliVity sehen wir hier einen wachsenden Bedarf an der Kombination einfacher hyperkonvergenter Lösungen mit der Flexibilität getrennter Compute- und Storage-Systeme. HPEs dHCI-Lösung (disaggregated Hyper-Converged Infrastructure) bietet diese Möglichkeit. Mit unserem KI-Managementsystem InfoSight können Kunden unser Nimble-Storagesystem mit Proliant-Servern und einer beliebigen Netzwerkinfrastruktur flexibel kombinieren und skalieren, aber trotzdem als integrierte Lösung managen.
Als Drittes ist der Bereich primärer Storage für kritische Unternehmensdaten zu nennen – nicht unbedingt neu, aber in Zeiten, in denen die Daten immer unternehmenskritischer werden, umso wichtiger. Hierzu zählt zu allererst die hohe Verfügbarkeit, aber ohne übertriebenen Aufwand, wie er in der Vergangenheit nötig war. Hier kommt wieder die künstliche Intelligenz ins Spiel. Sie senkt den Aufwand für Management, Wartung und Tuning und erhöht massiv die Verfügbarkeit über Fehlervorhersage und automatisches Einschreiten. Aus diesem Grund hat HPE bei der Entwicklung der beiden Storage-Plattformen HPE Nimble und HPE Primera die künstliche Intelligenz schon vor Jahren ins Zentrum des Designs gestellt.
CRN: Wo sehen sie die größten Herausforderungen für den Channel im Storage-Bereich?
Stimberg: Die größten Herausforderung ist, am Ball zu bleiben und mit der Zeit zu gehen. Es reicht wie gesagt nicht mehr, Experte im Konfigurieren, Warten und Optimieren eines Storage-Systems zu sein. In diesem Bereich übernimmt die künstliche Intelligenz immer mehr Standardaufgaben. Partner müssen sich vielmehr mit dem gesamten Lösungsstack auseinandersetzen und ihre Kunden ganzheitlich beraten können – über den reinen Storage hinaus hin zu integrierten Lösungen bis in die Applikation. Das ist insbesondere für rein Storage-fokussierte Partner eine Herausforderung. Um sich zu differenzieren ist es wichtig, den Markt und das Kundenumfeld zu analysieren und für das eigene Unternehmen Kernkompetenzen zu bestimmen und die passende Fokussierung zu finden.
Big Data und hyperkonvergente Systeme sind definitiv Wachstumsbereiche, aber nicht jeder Partner hat die Kundenbasis oder Expertise, um alle neuen Themen in der Tiefe abzudecken. Das muss man auch nicht. Selbst im Bereich Backup – oft als langweilig verschrien – gibt es bei fast allen Kunden Handlungsbedarf. Gleichzeitig haben sich die Möglichkeiten und Lösungsansätze in den letzten Jahren massiv weiterentwickelt. Auch das kann eine Kompetenz sein, mit der sich ein Partner differenziert.
Des Weiteren ist es wichtig, den Trend in Richtung As-a-Service für sein eigenes Unternehmen zu analysieren und die Strategie zu definieren. Kunden werden in Zukunft jedes IT-Angebot mit einem Cloudansatz vergleichen. Dabei geht es weniger um den Preis als um die Flexibilität. Partner müssen darauf eine Antwort haben, aber Kunden auch ganzheitlich beraten können. Begriffe wie Datenhoheit und digitale Souveränität sollten dabei kein Fremdwörter sein.