Flexiblere Frequenzzuordnung mit ROADM

Rekonfigurierbare DWDM-Netze

29. Mai 2007, 22:00 Uhr | Oezcan Ekice/mw Oezcan Ekice ist Dipl.Physik-Ing. und als Business Development Manager bei Cisco Deutschland tätig.

Traditionelle DWDM-Architekturen stoßen an Grenzen, sobald es um Triple Play, Gigabit Ethernet oder netzwerkbasierte Speicherdienste geht. Abhilfe schafft hier ROADM (Reconfigurable Optical Add/Drop Multiplexing) - eine Technik, die vor allem mehr Flexibilität bei der Zuordnung von Wellenlängen zu Netzwerkknoten verspricht. Carrier und Provider sind mit ROADM in der Lage, die Servicedichte in ihrem DWDM-Netzwerk zu steigern und Bandbreiten dynamisch zu skalieren - ohne Techniker vor Ort.

Seine Verbreitung verdankt das Wellenlängen-Multiplexverfahren DWDM in erster Linie der überaus
ökonomischen Kapazitätsausnutzung des Mediums Glasfaser. Die unterschiedliche Spektralfarben sind
bei DWDM nach ITU-T (International Telecommunication Union) G.692 definiert. Bei einem
100-GHz-Raster zum Beispiel stehen 40 Kanäle pro Faser zur Verfügung.

Breitbandservices von 10 GBit/s sind kein Problem für DWDM. Als zunehmend kritischer Baustein
innerhalb vieler DWDM-Architekturen erweisen sich jedoch fest konfigurierte optische
Add/Drop-Multiplexer (OADM). Da die Verschaltung zwischen optischem Kanal und Netzwerkknoten dabei
manuell erfolgt, sind nachträgliche Pfadanpassungen zeitraubend und teuer. Außerdem ist die
resultierende Ausfallzeit im betroffenen Netzwerksegment zwangsläufig mit Serviceeinschränkungen
verbunden.

Universelle Serviceplattform DWDM

Wichtigste Aufgabe eines Add/Drop-Multiplexers ist es, die Eingangssignale aus mehreren
physikalischen Kanälen entgegenzunehmen, sie per optischem Multiplexing zu bündeln und über eine
einzelne Faser weiterzuleiten. Auf der Gegenseite werden die Ursprungssignale dann wieder
ausgekoppelt und auf die entsprechenden Knoten verteilt. Welche Wellenlängen bei welchem Netzknoten
abzweigen (drop) und welche hinzukommen (add), muss der Administrator bei einem fixen OADM
ebenfalls im Vorfeld festlegen. Denn nicht alle Signale sollen über die gesamte Strecke hinweg
übertragen werden. So sind zum Beispiel eingeflochtene Überwachungssignale unterwegs zu extrahieren
und weiterzuverarbeiten – was einen weitreichenden Vorteil von OADM offenbart: Die gesamte
Steuerung und Überwachung des Verkehrs erfolgt auf rein optischer Ebene. Es ist keinerlei
zusätzliche Kommunikation über "elektrische" Verbindungen mehr erforderlich. Sobald DWDM vom
High-Touch-Management aufgrund statischer OADM befreit ist, kann sie als universelle
Transportplattform dienen. Dann wird DWDM den extremen Flexibilitätsansprüchen integrierter Daten-,
Sprach- und Multimedia-Dienste ebenso gerecht wie dem wachsenden Bedarf, Bandbreite ad hoc zu
skalieren. Zum Beispiel, um geografisch verteilte Speichernetze via Glasfaser zu einem
übergeordneten SAN (Storage Area Network) zu konsolidieren.

Die Technologie Reconfigurable Optical Add/Drop Multiplexing (ROADM) geht genau in diese
Richtung: ROADMs können per Fernzugriff jederzeit umkonfiguriert werden. Dies hat nicht nur
Auswirkungen auf die operativen Kosten, sondern auch auf das Netzwerkdesign. Denn
DWDM-Architekturen kommen jetzt mit einem einzigen Knotentyp aus, der sowohl für das Add und Drop
einzelner Wellenlängen als auch des gesamten Spektrums (aller 32 Kanäle) zuständig ist. Weil
Wellenlängen dabei individuell per Software bereitgestellt und gemanagt werden, steht einer
direkten Integration von Service Provisioning in den DWDM-Layer nichts mehr im Wege.

Planar Lightwave Circuit (PLC)

Technisch basiert ROADM auf einer "echten" Form von optischem Switching, dem Planar Lightwave
Circuit, kurz PLC. Anders als bei quasi-elektronischen Varianten ist der gesamte Switching-Prozess
mit PLC durchweg optischer Natur. An keiner Stelle muss das Licht in einen elektrischen Impuls
umgewandelt werden. Zur besseren Unterscheidung wird rein optisches Switching im Fachjargon oft
auch "photonisch" genannt. PLC-Bausteine nutzen Silikonscheiben, wie herkömmliche
Halbleiterbauelemente auch. Anstelle von elektrischen Schaltkreisen sind jedoch Lichtwellenleiter
aufgebracht. Dazu werden mikroskopisch kleine "Kabelschächte" in die Silikonoberfläche geätzt und
mit Siliziumoxid verfüllt – demselben Material, aus dem Glasfasern hauptsächlich bestehen.
PLC-Switching arbeitet auf der Basis eines so genannten Mach-Zehnder-Interferometer (MZI). Ein
einfacher PLC-Schalter mit einem Ein- und vier Ausgängen verdeutlicht das Prinzip: Wird ein
Lichtstahl von der Eingangsfaser angekoppelt, durchläuft er zunächst einen optischen Demultiplexer,
der im MZI als Arrayed Waveguide Grating (AWG) realisiert ist. Dabei wird das Licht durch mehrere
planare Freistrahlbereiche gelenkt, die als Beugungsgitter dienen. Durch unterschiedliche
Streckenlängen werden gezielt Interferenzen erzeugt, sodass auf jede Ausgangsfaser nur ein
bestimmter Frequenzausschnitt entfällt. Dank eines Mini-Heizelements lässt sich der Brechungsindex
präzise steuern – und damit auch die Wellenlängen an den Ausgangs-Ports des optischen
DWDM-Schalters.

Multicasting im optischen Netz

Ein einziger PLC-Siliziumträger vereint viele dieser MZI-Gatter, die zusammen eine komplexe
Gesamtarchitektur bilden. Das Eingangssignal lässt sich auf zwei oder mehr Ausgänge verteilen
(Multicasting). Auch die Intensität der Signale kann für jeden einzelnen Pfad exakt geregelt werden
(Weighted Multicasting). Ein bestimmtes Signal könnte beispielsweise gleichmäßig auf alle vier
Ausgänge verteilt werden – ein Multicasting mit dem Verhältnis 1:4. Parallel dazu kann die
Intensität der Ausgangssignale aber in einem ganz anderen Verhältnis stehen, etwa 20:20:20:40
Prozent. Von den praktischen Einsatzmöglichkeiten sticht besonders die Option hervor, die
Aufteilung von Video Streams auf mehrere Empfänger bereits innerhalb des optischen
Transportnetzschicht vorzunehmen. Von anderen Spielarten des optischen Switchings hebt sich PLC
durch eine ungleich höhere Stabilität ab. Die verbreiteten Micro-Electro-Mechanical-Systems (MEMS)
steuern Lichtsignale beispielsweise durch winzige bewegliche Spiegel. Je nach Kippwinkel werden die
Strahlen in unterschiedlichem Grad abgelenkt. Schwachpunkt von MEMS ist die Anfälligkeit der
Mikromechanik, die im Dauereinsatz immer wieder nachjustiert werden muss. Im Gegensatz dazu erweist
sich PLC als äußerst robust. Es gibt keinerlei bewegliche Teile; die Opto-Chips sind unempfindlich
gegenüber Vibration und arbeiten auch bei extremen Luftfeuchtigkeitsschwankungen zuverlässig
weiter.

Dämpfungsfunktion inklusive

Die Fähigkeit, die Signalintensität am Ausgangs-Port flexibel zu regeln, prädestiniert PLC
überdies dazu, die Rolle eines optischen Dämpfers zu übernehmen. In herkömmlichen
Switching-Architekturen ist dafür eine Extra-Komponente verantwortlich: der so genannte Variable
Optical Attenuation, kurz VOA. Hauptaufgabe von VOA ist es, Rauschverlust durch optische
Verstärkung zu vermeiden. Dies geschieht bei DWDM zumeist über einen Erbium dotierten
Faser-Verstärker (Erbium Doped Fiber Amplifier, EDFA). Zur Vergrößerung der Reichweite ermittelt
EDFA den Verstärkungsfaktor aus den durchschnittlichen Leistungswerten der anliegenden Signale.
Treffen mehrere Signale am EDFA ein, bestimmt das stärkste unter ihnen den Verstärkungsfaktor – und
eben dies verursacht Rauschen, was nach wiederholten Verstärkungszyklen zu Signalverlusten führt.
Demgegenüber dämpft PLC die Ausgangssignale individuell. Weil VOA nun eine integrierte Funktion des
Multiplexers ist, reduziert sich die Komplexität, was wiederum zu beträchtlichen Einsparungen bei
den laufenden Administrationskosten führt. PLC liefert somit eine Plattform zur breiten Integration
einer Vielzahl unterschiedlicher Funktionen in ein einziges optisches Switching-Element.

Optical Shared Channel Protection

Mit ROADM verschaffen sich DWDM-Netzwerkbetreiber außerdem zusätzliche Protection-Optionen. Im
Umfeld von SDH (Synchronous Digital Hierarchy) beziehungsweise SONET (Synchronous Optical Network)
bezeichnet Protection die Fähigkeit, im Fehlerfall automatisch auf einen Ersatzweg umzuschalten.
Einfachstes Beispiel wäre ein Vier-Knoten-Doppelring aus zwei Fasern, wobei jeder Knoten über einen
Add/Drop-Multiplexer verfügt: Kommt es in einer der vier Ringsektionen zu einer Störung, schalten
die Multiplexer automatisch auf die redundante Faser um. Diese Topologie ist bekannt unter dem
Namen Multiplex Section Shared Protection Ring (MSSPR). Sie eignet sich prinzipiell nicht nur für
Ringstrukturen, sondern ebenso gut für andere Backbone-Topologien. Da ROADM nun
Any-to-Any-Konnektivität bis herab auf die Kanalebene ermöglicht, lassen sich
Protection-Mechanismen auch auf Wellenlängen innerhalb einer Faser anwenden, was Optical Shared
Channel Protection genannt wird. Um die Verfügbarkeit von Services auf kosteneffiziente Weise
abzusichern, können die Redundanzwerte somit deutlich feiner als bei MSSPR granuliert werden. Zudem
bietet Optical Shared Channel Protection die Möglichkeit, Bandbreiten schon auf der optischen
Transportebene dynamisch zu skalieren. Und genau das macht die Technik so interessant für Carrier
und Provider, die ihre DWDM-Plattform fit machen wollen für die flexible Bereitstellung
unterschiedlicher Dienste.

Die Implikationen rekonfigurierbarer Add/Drop-Multiplexer reichen noch deutlich weiter: ROADM
liefert einen wesentlichen Baustein, um beispielsweise Triple-Play-Services über Netzwerk- und
Protokollgrenzen hinweg vollständig transparent Ende zu Ende bereitzustellen. Bisher erfolgt das
Mapping von IP-Paketen auf SDH-Container auf Basis von LAPS (Link Access Procedure SDH), wie in
ITU-T X-85 definiert. ITU-T X-86 regelt zudem Ethernet over SDH mittels LAPS. Je größer jedoch die
Bandbreite, desto nachteiliger wirkt sich die historisch bedingt limitierte Containergröße aus. Ein
Container ist derjenige Abschnitt innerhalb eines SDH-Rahmens, der für die Nutzlast (Payload)
vorgesehen ist. Die Konstruktion stammt noch aus der Zeit von PDH (Plesiochrone Digital Hierarchy;
plesiochron heißt: fast synchron). Gängige Bitraten waren damals 2 MBit/s; danach wurden die
Container dimensioniert. Bei höheren Übertragungsgeschwindigkeiten mit SDH verschlechtert sich
folglich das Verhältnis von Payload und Overhead, sodass für 100 MBit/s Ethernet beispielsweise 155
MBit/s allein auf STM-1-Signale entfallen (Synchronous Transport Module der ersten
SDH-Hierarchiestufe, analog zu Optical Carrier 3 von SONET).

Abhilfe schaffen hier die General Framing Procedure (GEP, ITU-T G.7041), virtuelle
Containerverkettung (VCAT, Virtual Concatenation, ITU-T G.707) sowie das Link Capacity Adjustment
Scheme (LCAS, ITU-T G.7042). GEP liefert ein einheitliches Verfahren, um Frames praktisch
beliebiger Provenienz auf SDH-Container zu mappen, darunter Fibre Channel, ESCON (Enterprise
Systems Connection), FICON (Fibre Connection) oder Gigabit Ethernet. VCAT vergrößert die Nutzlast,
und LCAS bestimmt, welche Gruppenmitglieder einer Virtual Concatenation Group (VCG) eingesetzt
werden. VCGs können somit individuell hinzugefügt oder entfernt werden. Die Nutzlast von VCGs lässt
sich feinstufig, unterbrechungsfrei und mit extrem kurzer Reaktionszeit an die tatsächlich
verfügbare Bandbreite anpassen. GEP, VCAT und LCAS gelten als die Kerntreiber für Next Generation
SDH/SONET. Ihre gemeinsame Basis ist flexibles Add/Drop-Multiplexing mit ROADM.

Ausblick

Da transparente Ende-zu-Ende-Servicebereitstellung nicht an den Grenzen des optischen
Transportnetzwerks endet, benötigen Carrier und Service-Provider ein effektives Verfahren zum
netzwerkübergreifenden Traffic Engineering. Dafür bietet sich eine verallgemeinerte Variante von
Multi-Protocol Label Switching (MPLS) an: Generalized MPLS, kurz GMPLS, verspricht eine
Flexibilisierung auf allen Ebenen – von den Paketnetzen, die weiterhin traditi-onelles MPLS nutzen,
bis hin zu den optischen Transportnetzen (G.709), in denen dank ROADM nun auch einzelne
Wellenlängen angefordert werden können. Mit GMPLS ist der Weg vorgezeichnet in Richtung einer
vollständigen Konvergenz paketorientierter und DWDM-basierter Netzwerksegmente.


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