Broadband World Forum 2006 in Paris

Volle Breitseite

22. November 2006, 23:00 Uhr | Stefan Mutschler/wg

Das Pariser Ausstellungs- und Konferenzzentrum "CNIT" am Fuße des "Grand Arche", der modernen Version des Triumphbogens, bildete den Rahmen für das diesjährige europäische Broadband World Forum (BWF). Die Szenerie könnte nicht besser gewählt sein, denn auch das Forum selbst versucht, eine Art Bogen zu spannen - in diesem Falle zwischen Technikpuristen und Praktikern. In diesem Spannungsfeld bot auch das diesjährige BWF spannende Impulse in Sachen Breitband, von Carrier Ethernet über ADSL2+, VDSL, FTTx und 3G+-Mobilfunk bis hin zu Wimax. Letzteres war als eigenes "Wimax Global Comforum" in die Veranstaltung eingebettet.

Der gesamte Telekommunikationsmarkt weltweit ist derzeit von starken Konsolidierungen geprägt.
In den USA beispielsweise gab es bis vor wenigen Jahren noch "zig" verschiedene
Telefongesellschaften, heute sind es mit Verizon, Sprint-Nextel, Cingular und AT&T nur noch
vier. Ähnliches ist auch in Europa und anderen Regionen zu beobachten. Die gleichen Tendenzen
zeigen sich auch bei den Ausrüstern der Telcos: Alcatel bildet ein Gespann mit Lucent (mit rund
17,2 Milliarden Dollar Umsatz Spitzenreiter im Carrier-Segment), Ericsson mit Marconi (16,2
Milliarden Dollar) und Siemens mit Nokia (15,8 Milliarden Dollar). Aus ehemals sechs separaten
Playern wurden auf diese Weise drei "Super-Player", die so ihren Vorsprung vor den Verfolgern
deutlich ausgebaut haben.

Nortel und Cisco beispielsweise, die Nummern vier und fünf bei den TK-Zulieferern, sind mit
Umsätzen von etwa 6,7 und 5,2 Milliarden Dollar in diesem Segment deutlich abgeschlagen. Vor diesem
Hintergrund sah Eduardo Montes, Mitglied des Management Boards und noch amtierender CEO der Siemens
Communications, in seiner Keynote auf dem BWF eine neue Phase der Konvergenz in der TK-Industrie.
Während in der Vergangenheit Festnetz-Carrier, Mobilfunkanbieter und Internet-Provider jeweils
einen separaten Fokus in getrennten Märkten aufwiesen, sei die aktuelle Phase von Partnerschaften
und überlappenden Services geprägt. Auch dieser Zustand sei jedoch nur vorübergehend: Letztendlich
werde es künftig darauf hinauslaufen, dass es unter einer einzigen Marke ein vollständig
integriertes Angebot mit kombinierten Services auf einer gemeinsamen Plattform gibt.

Auf dem BWF gaben sich die führenden Köpfe und Visionäre der Branche die Ehre. Auch Mike Quigley
war darunter, Chief Operating Officer von Alcatel. Seine Keynote beleuchtete das Thema Konvergenz
aus dem Blickwinkel der TK- und Internet-Provider. Anhand der Untersuchungsergebnisse verschiedener
Marktforscher verdeutlichte er zunächst, wie schnell der Breitbandmarkt in seinen verschiedenen
Ästen wächst. So hätte es Ende 2005 laut Idate bereits mehr als 210 Millionen Breitbandanschlüsse
weltweit gegeben. IDC prognostiziere bis zum Jahr 2008 etwa 111 Millionen Heimnetzwerke, und
Jupiter Research gehe davon aus, dass der Breitbandmobilfunk (3G) von 5,1 Millionen Anwendern im
Jahr 2004 auf 184 Millionen im Jahr 2010 nach oben schnellt.

Quigley sieht die "künstlich aufrecht erhaltenen Trennlinien zwischen Medien, Internet und
Telefonie rapide schwinden". Die Triple-Play-Angebote, die seit diesem Jahr weltweit in größerem
Stil ausgerollt werden, seien dafür ein klarer Beleg. Seiner Einschätzung nach werde es künftig
einen neuen Typ "integrierter Provider" geben. Um hier zu bestehen, müssten bestehende Provider
ihre Modelle hinsichtlich Technologie, Geschäftsausrichtung und ihrer Rolle im TK-Markt grundlegend
neu ausrichten. Auf Technologieseite laufe es klar auf eine "All-IP-" Breitbandinfrastruktur und
verteilte, softwarebasierte Netzwerke hinaus. Wie Siemens will auch Alcatel die Entwicklung dieses
neuen Provider-Typs fördern und mit Produkten und Dienstleistungen begleiten. Dabei sieht Quigley
auch die Rolle der TK-Ausrüster im Umbruch: Sie müssten massiv ihren Dienstleistungssektor ausbauen
und sich als "Pre-Integratoren" in das Szenario einbringen.

Wimax als Basis für 4G

Wimax dürfte wohl zu den am kontroversesten diskutierten Themen in Sachen Breitband gehören.
Während die einen Wimax zumindest in den Industriestaaten kaum mehr nennenswerte Chancen einräumen,
sehen die anderen darin den einzig legitime 4G-Technologie vor UMTS-LTE (Long Term Evolution) und
EDVO Rev. C. Der LTE-Standard wird vom Third Generation Partnership Project (3GPP) vorangetrieben,
der gleichen Organisation, die bereits für GSM, GPRS, UMTS und HSDPA verantwortlich zeichnet. EVDO
Rev C. ist eine Entwicklung des Third Generation Partnership Project 2 (3GPP2), bisher vor allem
durch die (vornehmlich in den USA und Teilen Asiens verbreiteten) Standards CDMA (Code Division
Multiple Access, 3G) und EVDO bekannt. Die deutlich dominierenden Verfechter von Wimax als 4G
(zumindest auf dem BWF) haben bereits die nächste Wimax-Generation im Sinn, an der im IEEE-Gremium
unter der Bezeichnung 802.20 gearbeitet wird. Im Gegensatz zur im Moment gerade erst anlaufenden
802.16e-Generation soll die 20er-Version UMTS auch in Sachen Mobilität in nichts mehr nachstehen –
gleichzeitig aber deutlich höhere Reichweiten beziehungsweise bei gleichen Entfernungen erheblich
höhere Geschwindigkeiten bieten und dabei mit etwa einem Drittel der Energie auskommen.

Als größte Bremse für Wimax identifizierten mehrere Sprecher auf dem BWF regulatorische Hürden –
speziell im Zusammenhang mit der Definition von Frequenzbändern beziehungsweise der Vergabe von
Frequenzen. Angesichts der Engpässe, mit welchen die Technologie derzeit im 3,5- GHz-Frequenzband
zu kämpfen hat, wäre es jetzt an der Zeit, neue Wege einzuschlagen. Als Beispiel wurde
Großbritannien genannt, wo derzeit Wimax-Frequenzen im 2,5-GHz-Band versteigert werden. Die Zahl
der Basisstationen soll sich hier gegenüber 3,5 GHz deutlich reduzieren lassen, was wiederum die
Kosten für den Rollout deutlich senke.

Nortel, auf dem BWF nur durch einige Repräsentanten vertreten (der große Auftritt war der
zeitgleich stattfindenden "Wimax-World" in Boston/USA vorbehalten), gab in Gesprächen am Rande des
BWF seiner Hoffnung Ausdruck, dass Funkfrequenzen künftig intelligenter als bisher und vor allem
unter Beachtung technischer Gegebenheiten verteilt und eigesetzt werden. Die Regierungen sollten
sich dabei jeweils nur darauf konzentrieren, die Frequenzbänder festzulegen. Wie diese am besten zu
nutzen sind, sollte den Marktteilnehmern überlassen bleiben. Nortel verwies in Paris auf seine
Präsentation in Boston, wo das Unternehmen erstmals Wimax mit MIMO (Multiple Input Multiple Output)
sowie IPTV und IMS-Services (IP Multimedia Subsystem) über Wimax zeigte.

Wie bei MIMO-fähigen WLANs, die bereits in vielen Heim- und SOHO-Netzen Einzug gehalten haben,
werden auch im Wimax-Netz die Signale simultan über mehrere Antennen gesendet und empfangen. Höhere
Datenraten, bessere Funkausleuchtung und stabilere Verbindungen sind die Folge. Wie bei der
nächsten Generation von WLANs (802.11n) gilt MIMO als Standardkomponente der nächsten Generation
von Mobilfunknetzen, unabhängig davon, ob diese nun auf Wimax oder einer anderen Technologie
basieren. Als festgelegt gelten für 4G ebenfalls eine erhöhte Kanalbandbreite (skalierbar bis zu 20
MHz, im Vergleich zu fix 5 MHz bei UMTS und fix 0,2 MHz bei GSM), sowie die Ablösung der TDMA-
(Time Division Multiple Access, 2G) und CDMA-Verfahren durch OFDM (Orthogonal Frequency Division
Multiplexing) für die Luftschnittstelle.

Eine klare Trennung der Wimax-Veranstaltung vom BWF bestand nicht. Viele der insgesamt etwa 110
Aussteller sind ohnehin auf mehreren Spielfeldern der Breitbandszene vertreten. Sie widmeten Wimax
dementsprechend eine "Ecke" auf ihrem Stand. Zu den namhaftesten Wimax-Vertretern im
Ausstellungsteil der Veranstaltung gehörten neben Alcatel und Siemens (Nortel war hier nicht
vertreten) beispielsweise Accenture, Ericsson und Huawei. Ebenso war das Wimax-Forum präsent.
Weitere Aussteller auf dem BWF waren etwa Adva, Andrew, Allot, AVM, Cisco, EMC Smarts, Juniper,
Keymile, Lucent, NEC, Nokia, Redback, Tellabs, Vierling, Visionael und ZTE, um nur einige zu
nennen.

Generell stand auf dem BWF vor allem die Unterfütterung von Triple Play "aus allen Rohren" mit
konkreten Ansätzen im Mittelpunkt. Aus deutscher Sicht ergeben sich dabei spannende neue Ausblicke,
speziell seit der Entscheidung des Regulierers, die Deutsche Telekom zum Angebot eines
Bitstrom-Zugangs (von Telefonie entbündelter DSL-Zugang) auf IP-Ebene zu verpflichten. Vielfältige
Breitbandangebote lassen sich erst unter diesen Voraussetzungen in die Praxis umsetzen.


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