Cisco Service-oriented Network Architecture

Webservices sind auch Netzwerksache

9. April 2006, 23:35 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Cisco verlagert seinen Fokus immer weiter weg vom klassischen Kerngeschäft. Dazu expandiert der Netzwerkausstatter in neue Märkte und treibt die Innovation per Eigenentwicklung und Zukauf auf den Gipfel des Protokoll-Stacks. Mit der Service-Oriented Network Architecture (SONA) rückt das Unternehmen Webservice-basierten Geschäftsapplikationen auf den Pelz.

Beim Kerngeschäft der Switches und Router sieht sich Marktführer Cisco immer härterem
Konkurrenzdruck ausgesetzt. Deshalb setzt der Anbieter einerseits auf Expansion und wagte im
November durch den Kauf von Scientific Atlanta den Schritt in den Consumer-Elektronikmarkt. Ziel
ist hier eine durchgängige IPTV-Lösung einschließlich der Multimedia-Endgeräte. Andererseits
betreibt das US-Unternehmen mit Nachdruck den Ausbau seines Portfolios in Bereiche, die es "
Advanced Technologies" (fortschrittliche Techniken) nennt: Voice over IP, Security, Wireless LAN,
Data-Center-Equipment, Storage und die Optimierung des WAN-Zugriffs auf Applikationen. Hier bietet
sich laut Dr. Bernd Heinrichs, Mitglied der Geschäftsführung von Cisco Deutschland, "erheblich mehr
Potenzial, als wir bisher abgeschöpft haben". Netzkomponenten sollen nun nicht nur IP-Pakete
durchreichen, sondern Informationen zielgerecht transformieren und somit als in Netzwerkhardware
eingebettete Middleware dienen.

Dieses Ziel vor Augen propagiert Cisco seit geraumer Zeit ein Vorgehen aus den drei Stufen "
integrierter Transport", "integrierte Services" und "integrierte Applikationen". Die erste Stufe,
abgedeckt durch IIN (Intelligent Information Network), sieht Heinrichs bereits bei 40 Prozent der
Cisco-Kunden implementiert. Die zweite Stufe zeige sich in Form von Virtualisierung und
(Re-)Zentralisierung. Implementiert haben diese Stufe laut Heinrichs aber erst 20 Prozent der
Cisco-Anwender. Die dritte Stufe hat der Konzern im Sommer 2005 gezündet: Unter dem Namen AON
(Application-Oriented Networking) stellte Cisco Lösungen mit applikationsbezogener Intelligenz vor
(siehe "Router als Briefträger", LANline 8/2005, Seite 6). Mit AON sollen die Netzkomponenten ihr
Transportverhalten an den Anforderungen der Business-Transaktion ausrichten, also zum Beispiel
Bestellungen je nach Höhe mal nach A, mal nach B lenken. Dieser laut Heinrichs "einflussreichste
Schritt" im Cisco-Stufenplan ziele zwar auf das gehobene Anwendersegment, finde aber auch beim
Mittelstand Zuspruch.

Mit SONA richtet Cisco seine Strategie am verbreiteten Architekturansatz SOA (Service-Oriented
Architecture) aus. Denn IT funktioniert heute nach dem Siloprinzip: Die Intelligenz sitzt in
voneinander getrennten, verteilten Applikationen. Jede dieser Anwendungen beginnt zur Abarbeitung
einer Anfrage "bei null". Dies erzeugt hohen Netzverkehr aufgrund redundanter Prozessschritte und
zahlreicher Nachrichtenströme der Server untereinander. In serviceorientierten Architekturen
hingegen kommunizieren die Applikationsbausteine per Middleware-Standardsprache XML (Extensible
Markup Language) und synchronisieren ihre Arbeit. Eine Anwendung bezieht somit via XML laufend
aktuelle Daten von anderen Applikationen.

Diese XML-basierte Koordination der Nachrichtenströme (Message Brokering) ist als
Middleware-Thema bisher serverseitig implementiert – also Terrain von Microsoft, IBM, BEA und Co.
Cisco hingegen propagiert, das XML-Message-Brokering auf das gemeinsam genutzte IP-Netzwerk zu
verlagern: XML-fähige Netzwerkbasisdienste sollen es erlauben, Transaktionen direkt auf dem
Netzwerkgerät selbst auszuführen. Zum Beispiel hat Cisco durch Kooperation mit dem SONA-Partner SAP
die Business-One-Middleware der Walldorfer auf einen Einschub für seine ISR-Access-Router
(Integrated Services Router) gepackt. Nutzt ein Unternehmen mit Filialnetz SAPs
Business-One-Lösung, dann ließen sich Transaktionen beschleunigt auf dem Blade des Access-Routers
durchführen.

Ciscos SONA-Framework und SOA greifen damit laut Heinrichs ineinander: SONA trägt den
Collaboration-Anteil bei. Dies bringt Cisco in direkte Konkurrenz zu Anbietern wie Microsoft, die
diese Collaboration-Komponente auf dem Server ansiedeln. Da aber heutige Anwendungen meist nicht
für den verteilten WAN-Einsatz gedacht sind, ist wohl jeder Versuch hilfreich, die
Geschäftsprozesse durch enge Verzahnung des Netzwerks mit Business-Applikationen zu verbessern.


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