Bitkom-Forum IT-Infrastruktur und Energieeffizienz

Wege in Richtung grünes RZ aufgezeigt

23. November 2007, 0:01 Uhr |

Das Bitkom-Forum "IT-Infrastruktur und Energieeffizienz" am 22. November in Düsseldorf bot eine Fülle nützlicher Informationen zum Stand der Diskussion rund um die Umweltfreundlichkeit oder -schädlichkeit der IT. Fachleute unterschiedlicher Richtungen zeigten zahlreiche Maßnahmen auf, mit denen Unternehmen Energiekosten senken und zeitgleich ökologischer wirtschaften können.

Eine Fülle wichtiger Kennzahlen rund um die technische Seite der Green-IT-Debatte verdichtete Privatdozent Dr. Klaus Fichter vom Borderstep Institut in seinem Vortrag: Laut Fichters Recherchen sind in Deutschland rund 1,6 Millionen Server installiert – weltweit sollen es rund 32 Millionen sein. Ein hinlänglich bekannter Treiber der Green-IT-Diskussion ist die zunehmende Energiedichte pro Rack, die zu einem Entwärmungsproblem in Highend-RZs geführt hat. Die steigenden Energiepreise machen die Problematik auch für Unternehmen relevant, die nicht bereits an die Leistungsgrenze ihrer Klimaanlagen stoßen: Die Energiepreise für Industriekunden in Europa haben zwischen 2000 und 2007 um rund 2 Cent und damit um zirka ein Drittel zugelegt.

Laut Borderstep waren RZs im Jahr 2006 für rund 1,5 Prozent des deutschen Gesamtstromverbrauchs verantwortlich. Der RZ-Verbrauch ist von unter 4 TWh im Jahr 2000 auf 8,67 TWh 2006 angestiegen. Anschaulich wurden diese Zahlen durch Vergleichswerte: 8,67 TWh entsprechen laut Fichter der Jahresstromproduktion dreier Kohlekraftwerke, der 1,5-fachen Jahresproduktion des Kernkraftwerks Brunsbüttel oder dem Jahresverbrauch von 2,5 Millionen deutscher Haushalte. Neben dem RZ-Infrastruktur-Equipment sind vor allem die Server die Stromfresser im RZ; den Problemfall bilden hier vor allem die Volume-Server – also die klassischen, schlecht ausgelasteten x86-Pizzaboxen, die sich in zahlreichen RZs stapeln. Die gestiegenen Strompreise haben die Stromkosten der deutschen RZs laut Fichter von 251 Millionen im Jahr 2000 auf 867 Millionen im Jahr 2006 eskalieren lassen.

Fichter präsentierte zudem die Ergebnisse des Reports der amerikanischen Umweltbehörde EPA für den US-Kongress vom August 2007. Der Bericht zeigt auf, dass je nach Energieeffizienz der RZ-Nutzung der Stromverbrauch weiter deutlich ansteigen kann – oder aber im Best-Practice-Szenario, erst recht bei (wohl nur theoretisch möglicher) State-of-the-Art-Techniknutzung hingegen sogar deutlich sinken und dann stagnieren kann. Der Marktkenner übertrug dies auf deutsche RZs: Hier könne je nach Energieeffizienz-Szenario der RZ-Stromverbrauch im Jahr 2010 zwischen 4,48 und 12,88 TWh liegen – also ein Unterschied fast um den Faktor drei. Fichter empfahl eine ganze Reihe von Maßnahmen. Diese reichen von Best-Practice-Broschüren über den geplanten EU Code of Conduct (Verhaltenskodex) für RZs bis zur Entwicklung einer Branchen-Roadmap für Energieversorgungssysteme sowie für Server-based Computing.

Ralph Wölpert von Lampertz appellierte: "Nutzen Sie jede Möglichkeit zum Energiesparen!" Er verwies unter anderem auf die Möglichkeit des Energy Contractings (Bezug von Strom, aber auch von Kälte und Wärme von einem Service-Provider).

René Wienholtz vom Hosting-Anbieter Strato – der jüngst sehr werbewirksam auf Strom aus regenerativen Quellen umgestiegen ist – stellte die stromsparende Generalüberholung der hauseigenen Plattformen vor. Er mahnte, in der Green-IT-Diskussion sei die Anpassung der Applikationen "ein völlig vernachlässigter Punkt": Multithreaded-CPUs seien die Zukunft, die Software müsse aber darauf angepasst werden, um die Vorteile dieser CPU-Architektur zu nutzen. Zudem seien viel zu viele schlecht programmierte und damit ressourcenfressende Java-Anwendungen im Einsatz.

Dr. Christian Knermann vom Fraunhofer Institut Umsicht stellte seine in der LANline bereits diskutierte Studie vor, die die deutlichen Stromverbrauchsvorteile von TCs gegenüber PCs belegt – auch wenn man für je 20 TCs den Verbrauch und die Kühlung eines Servers mit einrechnet.

Dr. Norbert Reintjes vom Umweltberatungsinstitut Ökopol präsentierte den Stand der Dinge in Sachen Ökolabels für IT-Equipment. Das Umweltbundesamt arbeitet hier zusammen mit dem Bitkom derzeit an Kriterien für PCs, künftig könnten dann solche für Imaging-Geräte sowie für Server folgen.

Spannend war auch der Vortrag von Dr. Behrend Freese von Zimory: Das Deutsche-Telekom-Spinoff hat eine Plattform für den globalen Handel mit RZ-Kapazitäten entwickelt. Ziel ist es, dass Unternehmen künftig über das Marktplatzportal von Zimory überschüssige RZ-Kapazität anbieten oder auch benötigte Kapazität kurzfristig und nach Bedarf anmieten können. Das Konzept basiert auf der Live-Migration virtueller Serverinstanzen über das WAN, von Freese als "Elastic Compute Cloud" bezeichnet. Freese räumte aber ein, das Prinzip könne nur so sicher sein wie der verwendete Hypervisor. Energiewirtschaftlich sinnvoll ist eine solche adaptive, verteilte Infrastruktur bei ausreichender Datensicherheit allemal.

Die Veranstaltung endete mit einer Keynote der LANline zum Thema "Grüne IT – Hype oder langfristiger Trend?" Die Message dieses Vortrags: Natürlich ist Green IT ein Hype, und offensichtlich ist Green IT zugleich ein langfristiger Trend. Die Marketinglastigkeit eines Hypes mag für die Entscheider in Unternehmen lästig sein, aber der Medienrummel weist sie wenigstens auf die Dringlichkeit der anstehenden Entwicklungen hin. So hat die Masse der Unternehmen – jene IT-Abteilungen eben, deren RZs noch nicht mit akuten Stromversorgungs- oder Entwärmungsproblemen zu kämpfen haben – genügend Zeit, die Umstellung auf eine energieeffizientere IT-Infrastruktur strategisch zu betrachten und in Ruhe zu planen.

LANline/Dr. Wilhelm Greiner

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