Jedes zweite Unternehmen in Deutschland verzichtet noch immer auf ein umfangreiches Configuraton-Management und vertraut eher auf Einzellösungen etwa für das System- oder Asset-Management. Dabei könnte eine Komplettlösung den IT-Organisationen in den meisten Fällen helfen, Verbesserungen im IT-Service zu erzielen, wie eine Studie von RAAD Research im Auftrag des IT Service Management Forums (ITSMF) Deutschland e.V. belegt.
41 Prozent der deutschen Unternehmen verfügen über ein Configuration-Management. Damit hat sich
die Quote laut der Studie, für die RAAD zwischen November 2009 und Januar 2010 rund 300 IT-Leiter
beziehungsweise Verantwortlichen für das Configuration-Management großer und mittelständischer
Unternehmen interviewt hat, in den vergangenen beiden Jahren immerhin um rund 15 Prozent erhöht.
Doch insbesondere Organisationen mit relativ einfacher IT – wenigen Servern, PCs und
Netzwerkkomponenten – und wenigen Mitarbeitern sehen keinen Bedarf für ein weitreichendes,
kontrolliertes Configuration-Management. Sie tendieren dazu, einzelne Teilaspekte umzusetzen: So
inventarisieren 89 Prozent ihre IT-Betriebsmittel, 72 Prozent nutzen ein Asset- und
Lizenz-Management. Dies ist kein Widerspruch, sondern zeigt lediglich, dass es an diesem Punkt
unterschiedliche Reifegrade in den IT-Organisationen gibt: Punktlösungen unterstützen eher den
IT-Betrieb. Bei einem komplett eingeführten Configuration-Management stehen hingegen in der Regel
die Sicht auf die Business-Services, planerische, steuernde sowie kaufmännische Gesichtspunkte im
Vordergrund. Vor allem bei Finanz- und professionellen Dienstleistern sind diese Aspekte am
häufigsten umgesetzt.
Gemäß IT Infrastructure Library (ITIL), dem Standardrahmenwerk für das IT-Service-Management
(ITSM), stellt das Configuration-Management einen der wesentlichen Aspekte im ITSM dar. Die
Disziplin eröffnet den Unternehmen die Möglichkeit, die Konfiguration sämtlicher Komponenten
(Hardware, Software, Netzwerk) ihres Systems zu katalogisieren, zu dokumentieren und aus den
gesammelten Daten Schlüsse über die IT-Infrastruktur zu ziehen. Auf diese Weise entsteht ein Modell
der IT-Infrastruktur, anhand dessen sich jede der betrachteten Komponenten identifizieren,
kontrollieren, pflegen und verifizieren lässt.
Reihenfolge individuell festzulegen
Nach ITIL umfasst das Configuration-Management mehrere strukturierte und definierte
Unterprozesse beziehungsweise Funktionen. Allerdings gibt das Rahmenwerk nur Hinweise auf das "Was"
, für das "Wie" finden sich keine verbindlichen Angaben. Die Reihenfolge der Umsetzung der Prozesse
ist daher in starkem Maße von unternehmensindividuellen Rahmenbedingungen abhängig. Daher werden
Abhängigkeiten von IT-Betriebsmitteln und -Services häufig auch als letztes abgebildet.
Die konkrete Einführung, so empfehlen Berater, sollte sich immer danach richten, mit welchen
Prozessen die Organisation die größten Vorteile erreichen kann. Wichtig ist es, die Prozesse
schrittweise einzuführen und zu etablieren, bevor mit der Einführung des nächsten Prozesses
begonnen wird, damit alle Beteiligten lernen können, mit den Veränderungen umzugehen. Der
idealtypische Pfad für Configuration-Management geht in Stufen sukzessive von der Inventarisierung
bis hin zur Finanzplanung.
Diesen Empfehlungen folgen die deutschen Unternehmen, wie die Umfrage zeigt. Die meisten führen
erst dann ein umfassendes Configuration-Management ein, wenn sie an der einen oder anderen Stelle
Schmerzen im ITSM verspüren. Dabei suchen sie am ehesten eine Lösung für Aspekte, die sie als
hochgradig kritisch einstufen.
Die Gründe für die Einführung der ITIL-Disziplin sind vielfältig: Fast alle Befragten, nämlich
97 Prozent, wollen sich Transparenz über die eingesetzten IT-Betriebsmittel verschaffen. Knapp drei
Viertel wünschen sich, Fehler bei geplanten Änderungen von Komponenten oder Anwendungen
nachvollziehen zu können. Und 72 Prozent wollen Fehlerursachen bei Service-Ausfällen und Störungen
identifizieren.
Probleme tatsächlich beseitigt
Diese Ziele werden zu mehr als 95 Prozent erfüllt, wie die Studie belegt. Dies ist ein
deutliches Zeichen, dass die Einführung der ITIL-Disziplin bestehende Konflikte und Probleme in den
IT-Services tatsächlich beseitigen kann. Auf der anderen Seite äußern sich Unternehmen ohne
Configuration-Management nicht generell unzufrieden mit ihrer Situation: 98 Prozent von ihnen geben
an, Fehlerquellen schnell zu finden, wenn ein Service gestört ist. 92 Prozent sind überzeugt,
jederzeit zu wissen, welche Anwendungen in ihrer Infrastruktur laufen. Ebenso viele wissen, welche
Softwarelizenzen ihr Unternehmen besitzt und nutzt – sowie deren Version und Anzahl.
Und noch 78 Prozent wissen im Voraus, welche Auswirkungen System- beziehungsweise
Anwendungsänderungen auf ihre Business-Services haben. Im Umkehrschluss heißt dieses Ergebnis
jedoch, dass mehr als 20 Prozent durchaus mit Problemen kämpfen, die eine strategische
Herangehensweise an das Thema lösen könnte.
Dabei sind in den meisten Fällen nicht ein Mangel an Budget oder Personalressourcen der Grund
dafür, bislang auf ein Configuration-Management zu verzichten. Die überwiegende Mehrheit, nämlich
drei Viertel der Befragten, gibt an, schlicht keinen Bedarf dafür zu haben. Allerdings unterliegt
die jeweilige Meinung Einflussgrößen: So wird der Bedarf am ehesten von Unternehmen mit komplexer
IT formuliert. Die Zahl der IT-Mitarbeiter spielt ebenfalls eine Rolle: Je mehr Mitarbeiter ein
Unternehmen hat, desto eher fehlt ihnen das Geld für die Einführung des Configuration-Management.
Fehlende Personalressourcen spielen bei diesen Unternehmen hingegen keine Rolle. Möglicherweise, so
mutmaßen die Autoren der Studie, wurde in diesen Unternehmen bereits ein kritischer Punkt
überschritten, sodass eine Einführung nun sehr aufwändig und damit auch teurer wäre. Dies würde
dafür sprechen, dass es sinnvoll ist, auch in einer kleineren, noch überschaubaren IT-Umgebung eine
Einführung vorzunehmen, um das mögliche Anwachsen der IT-Komplexität bereits in strukturierter Form
begleiten zu können.
LANline: Nach der RAAD-Studie befasst sich nur die Hälfte der Unternehmen in
Deutschland strukturiert und tiefergehend mit dem Thema Configuration-Management. Wird der
Stellenwert des Configuration-Managements unterschätzt?
Fröschle: Den Nutzen eines umfassenden Configuration-Management sehen heute vor
allem die großen Organisationen. Je kleiner ein Unternehmen, je weniger komplex seine
IT-Infrastruktur und auch die Kritikalität der benötigten Informationen ist, desto weniger haben
sie Bedarf. Diesen Unternehmen reichen Einzellösungen wie eine Inventarisierung, ein Asset- und
Lizenz-Management – oft in Form von Excel-Listen – und vielleicht eine System-Management-Lösung.
Die Beziehung der einzelnen Konfigurationsbestandteile untereinander und in Bezug zu den Services,
die sie abbilden, sind für sie oft nicht so wichtig.
LANline: Gibt es prinzipielle Empfehlungen dafür, was IT-Organisationen als
Basisausstattung für das Configuration-Management benötigen?
Fröschle: Nein, einen Königsweg zum Configuration-Management gibt es nicht. Die
Studie zeigt, dass Unternehmen mit einfachen manuellen Lösungen genauso zufrieden mit ihrer
Situation sein können wie Unternehmen, die über ein ausgereiftes Configuration-Management verfügen.
Außerdem verfügt nicht jedes Unternehmen mit einer komplexen IT-Landschaft über ein umfassendes
Configuration-Management. Jede Organisation muss für sich entscheiden, was sie braucht.
LANline: Haben Unternehmen ohne Configuration-Management denn vielleicht Nachteile
etwa im IT-Betrieb?
Fröschle: Nicht einmal das ist der Fall. Beispielsweise sind Unternehmen ohne
Configuration-Management laut Studienergebnissen beim Auftreten von Service-Störungen nicht
signifikant unzufriedener mit dem Aufspüren von Fehlerquellen als Organisationen mit den
entsprechenden Prozessen und Werkzeugen.
LANline: Heißt das, IT-Verantwortliche können sich völlig entspannt
zurücklehnen?
Fröschle: Stress muss sich an dieser Stelle wirklich keiner machen. Es reicht,
Planungen dann herbeizuführen, wenn sich eine Unzufriedenheit mit der Situation einstellt. Das
bedeutet allerdings nicht, dass sich CIOs hinsichtlich eines Configuration-Managements in das Tal
der Ahnungslosen zurückziehen dürfen. Sie sollten ihre Situation im Unternehmen regelmäßig auf den
Prüfstand stellen. Denn schließlich wird die IT in Zukunft im Gleichschritt mit der Geschäftswelt
komplexer werden. Damit wächst auch die Zahl der durch IT abzubildenden Geschäftsprozesse in Zeiten
modularerer und flexiblerer Software stetig, und in Zeiten heterogener und verteilter
IT-Infrastrukturen – Stichwort Cloud – wird auch die Zahl der Schnittstellen wachsen. Außerdem sind
die IT-Abteilungen zunehmend einem Rechtfertigungsdruck hinsichtlich ihrer Kostentransparenz
ausgesetzt.