Langsam aber sicher scheint Wimax mit seinen Versprechungen von der kompromisslosen Kommunikation ohne Kabel Ernst zu machen - ob als vollwertige DSL-Alternative, als Träger für mobiles Internet oder als Medium für mobile Multimedia-Echtzeitkommunikation. Doch so imposant die technischen Fortschritte, so zäh das Roll-out.
Schöne neue Wimax-World in Wien: Zumindest bei den Herstellern scheint sich der jüngste
Wimax-Standard IEEE 802.16e-2005 auf breiter Front durchgesetzt zu haben. Im Gegensatz zum älteren
802.16d-2004 unterstützt dieser auch bewegte Clients und empfiehlt sich daher auch als Basis für
einen künftigen Mobilfunkstandard – im Wettbewerb zu den auf UMTS basierenden Entwicklungen. Einer
Einschätzung von Peter Ziegelwanger zufolge, CTO beim österreichischen
Broadband-Wireless-Access-Operator Wimax Telecom, ist Wimax weitaus ökonomischer realisierbar als
UMTS – die Kosten für die Infrastruktur lägen pro Megabyte bei etwa einem Zehntel. Ob
Chiphersteller wie Intel, Qualcomm, Nextwave, Fujitsu Microelectronics etc., Provider-Ausrüster wie
Alvarion, Alcatel-Lucent, Motorola, Nortel Networks, Nokia-Siemens oder Endgerätebauer wie
Motorola, Samsung und viele weitere – sie alle setzen inzwischen auf die mobile Wimax-Variante.
Mit verantwortlich für die vergleichsweise hohe Effizienz von Wimax ist die Anwendung von
technischen Verfahren, die auf eine Verbesserung der Funkausleuchtung zielen. Dazu zählt etwa MIMO
(Multiple Input Multiple Output), eine Technologie, die früher störende Signalreflexionen positiv
umsetzt und zur Signalverstärkung nutzt. In zahlreichen WLAN-Installationen verbessert MIMO so
schon seit längerem die Performance beziehungsweise Reichweite. Weniger bekannt sind "
strahlformende" Technologien, die sogar in der Lage sein sollen, Signale "um Störquellen herum" zu
leiten. Zumindest an den Basisstationen ist hierfür in der Regel ein Array mit möglichst vielen
Antennensegmenten erforderlich. Eine Software kontrolliert in Echtzeit, welcher Funkstrahl an
welchem Segment im Moment die stärkste Verbindung zum mobilen Empfänger hat. Dementsprechend wird
das Array für diese Verbindung geschaltet. Noch besser funkti-oniert das Verfahren, wenn diese
Technik auch am mobilen Gerät zum Einsatz kommt – der erhöhte Energieverbrauch setzt hier
allerdings Grenzen. Auch diese Technik ist bereits in WLAN-Systemen im Einsatz – beispielsweise
beim US-Hersteller Ruckus, der damit WLANs multimediafähig macht.
Auf der Wimax-World gab es bereits einen Wimax-Notebook-Adapter zu sehen, der die
Mehrantennentechnik für ein abgestripptes MIMO-Verfahren unterstützt. Das israelische Unternehmen
Runcom zeigte entsprechende Basisbandchips und Referenzdesigns. Die Runcom-Entwicklungen finden
beispielsweise in PC-Cards von Kyocera (die damit Nortel Networks beliefern) und Cameo
Communications (geplante Verfügbarkeit: drittes Quartal 2007) Verwendung. Runcom nennt das
verwendete Verfahren SIMO (Single Input Multiple Output), da zwar zwei Antennen den Empfang
übernehmen, jedoch nur eine aktiv sendet. Auch Karten für PCI-Express soll es in Kürze geben – das
Referenzdesign dafür hat Runcom bereits fertig. Damit waren die Israelis schneller als Intel, die
voraussichtlich erst Ende dieses Jahres mit einem Chipsatz für Laptop-Karten herauskommen. Dafür
hat der Halbleitergigant das Tempo für die Integration von Wimax in seine Centrino-Plattform
deutlich angezogen. Das entsprechende, interne Wimax-Modul soll entgegen früherer Ankündigungen
noch in diesem Jahr Marktreife erlangen. Es könnte dann ab Mitte 2008 standardmäßig in
Intel-basierten Laptops verbaut sein. 2008 soll auch ein kombiniertes Wimax/WLAN-Produkt folgen.
Das Engagement von Intel für die Integration von 3G-Technik (UMTS) in die Centrino-Plattform ("
Santa Rosa") hat sich indes verflüchtigt. Die entsprechende Partnerschaft mit Nokia wurde bereits
vor mehreren Monaten gekündigt.
Auch die Zahl der Mobiltelefone, die Wimax unterstützen, wird wohl bald drastisch zunehmen.
Schon im Herbst vergangenen Jahres hat Intel entsprechende erste Chip-Sets an Motorola geliefert,
die damit in Sachen GSM/Wimax-Dualmode-Handys Weltpremiere feiern durften. Der Clou: Intels "Wimax
Connection 2250"-Chip ist sowohl zu den Spezifikationen IEEE 802.16d-2004 als auch 802.16e-2005
kompatibel. Doch die Integration verschiedener Funktechniken ist damit noch keineswegs ausgereizt.
Es sind bereits Smartphones in der Pipeline, die darüber hinaus via GPS-Modul (Global Positioning
System) auch noch als mobiles Navigationssystem einsetzbar sind. Entsprechende Pläne verkündeten
auf der Wimax-World das taiwanische Unternehmen Dmedia und die israelische Technologieschmiede
Comsys. Das GSM-/Wimax-/GPS-Smartphone aus der Baureihe "S301" soll voraussichtlich Mitte 2008 auf
den Markt kommen. Als Vertriebspartner in Deutschland ist Aldi im Gespräch. Zuvor soll es von
Dmedia laut Ankündigung auf der Wimax-World jedoch noch ein GSM-/Wimax-Dual-Mode-Smartphone geben,
in dem ein mobile Wimax-Prozessor (802.16e) von Comsys schlägt.
Ist es die Ruhe vor dem (An-)Sturm oder sind es bereits klare Vorboten für die breit angelegte
Ablehnung einer Technologie, die sich gerade erst anschickt, in ein marktgerechtes Gewand zu
schlüpfen? Seit der Versteigerung der Broadband-Wireless-Access- (BWA) Lizenzen Mitte Dezember
vergangenen Jahres halten sich die Gewinner der Auktion größtenteils sehr bedeckt. Möglicherweise
liegt die Zurückhaltung jedoch auch in einem Dilemma begründet, in dem die künftigen Wimax-Provider
stecken müssen: Was nehmen – 802.16d oder 802.16e? Die Vorteile von letzterem hinsichtlich Diensten
und Perspektiven scheinen zwar zwingend – nicht aber aus aktueller deutscher Sicht. In Deutschland
nämlich schreibt der geltende Frequenznutzungsplan für Wimax ausschließlich einen festen Funkdienst
vor. Und selbst wenn sich die Bundesnetzagentur – etwa aufgrund einer kürzlichen Empfehlung der
Europäischen Kommission, Funkfrequenzen technologieneutral zu vergeben – zur Umwidmung der
versteigerten Wimax-Frequenzen entschließen sollte, sind die Bedingungen für einen mobilen
Wimax-Dienst in Deutschland eher suboptimal. Dafür würden sich nämlich gemäß funkphysikalischer
Gesetzmäßigkeiten die Frequenzbänder 2,3 und 2,5 GHz anbieten, während in Deutschland die
Wimax-Frequenzen im 3,5 GHz-Band liegen. Insofern scheint für Wimax-Provider in Deutschland die
Wahl des 802.16d-Standards opportun, zumal Produkte hier erheblich günstiger sind als bei 802.16e
und zudem ausgereift und in breiter Auswahl verfügbar. Letztlich wird die Entscheidung aber sicher
vom mittel- bis langfristigen Geschäftsmodell abhängen und hier dürften nach Einschätzung von
Beobachtern noch einige Überraschungen auf den deutschen Wimax-Markt warten.
Mit der Deutschen Breitbanddienste (DBD, bundesweite Lizenz) und Televersa (Regionen Oberpfalz
und Niederbayern) lassen bis dato immerhin die beiden deutschen Lizenzgewinner ernsthafte
Infrastrukturausbauten erkennen, insbesondere die Unternehmen, die neu in den deutschen Markt
eingetreten sind, lassen jedoch so gut wie nichts von sich hören. Clearwire Europe und MGM
Productions Group etwa haben weder eine deutsche Website noch eine deutsche Telefonnummer.
Clearwire verfügt über eine Lizenz für das gesamte Bundesgebiet, MGM darf "lediglich" in Oberbayern
aktiv werden. Inquam Broadcom – Ableger des kalifornischen Halbleiterherstellers Nextwave und
ebenfalls ein Gewinner bundesweiter Lizenzen – hat zwar Anfang dieses Jahres eine GmbH gegründet,
macht bislang jedoch ebenfalls wenig Aufhebens. Das Unternehmen tauchte allenfalls als Lizenzleiher
in der Öffentlichkeit auf – ein entsprechender Deal ging vor einigen Monaten mit Neckarcom über die
Bühne. Wie auf der Wimax-World Europe bekannt wurde, will der baden-württembergische Provider ab
sofort mit dem Ausbau einer weitflächigen Wimax-Infrastruktur in Ulm und umliegenden Regionen
beginnen. Das Ziel sei es, insbesondere private Haushalte und kleine Unternehmen in ländlichen
Gebieten mit Breitbanddiensten zu versorgen. Die Technik für den Ausbau kommt von Motorola.
Die Geschäftsstrategie von Inquam zielt zunächst nicht auf einen eigenen Ausbau von
Wimax-Infrastruktur und eigenen Provider-Auftritt. Das Unternehmen strebt vielmehr ein
Partnermodell an, in dessen Rahmen es mit verschiedenen zumeist regionalen Providern kooperieren
will. Wie unternehmensnahe Quellen berichten, ist die Überlassung von Lizenzen gegen Gebühren dabei
nur die Minimalspielart. Vielmehr sind langfristige Partnerschaften angestrebt, bei denen gemeinsam
in den Aufbau der Infrastruktur sowie in die Entwicklung von Geschäftsmodellen und Services
investiert wird. Derzeit liefen mit verschiedenen weiteren potenziellen Wimax-Providern eingehende
Gespräche – wie viele genau und wer diese sind war nicht zu erfahren.
"Es ist jetzt wohl noch nicht die Zeit, in Sachen konkrete Wimax-Angebote groß die Trommeln zu
schlagen", so Scott Wickware, der als Vice President Carrier für rund fünf Milliarden Dollar Umsatz
bei Nortel Networks verantwortlich zeichnet, anlässlich der Wimax-World Europe zu LANline. "Der
große globale Schub wird jedoch kommen, wenn Laptops, PDAs und Smartphones standardmäßig mit Wimax
ausgestattet sind. Im Zuge der dann mit Sicherheit stark ansteigenden Popularität wird auch die
Nachfrage nach Services nach oben schnellen. Wir haben das mit Wi-Fi erlebt, und so wird es auch
mit Wimax sein". Nortel gilt als engagierter Förderer eines offenen, von verschiedenen Herstellern
getragenen, MIMO-gestützten Wimax-Ökosystems, in dem Chipset- und Geräte-Hersteller eng
kooperieren. In Wien zeigte Nortel unter anderem seine entsprechenden Wimax-Lösungen für
Provider.
Ende letzten Jahres gab es in der Wimax-Szene zahlreiche Stimmen, die 2007 zum "Wimax-Jahr"
proklamierten. Dies war wahrscheinlich etwas zu optimistisch. Sollte in den nächsten sechs bis
zwölf Monaten jedoch tatsächlich der Massenverkauf von Wimax-fähigen Endgeräten starten und sollte
das Wimax-Forum endlich zuverlässige Prozeduren für ihre 802.16e-2005-Interoperabilitätstests
bereitstellen, wäre ein Wimax-Jahr 2008 durchaus realistisch.