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VP AI Adoption Sören Michl von IFS:

„Datenqualität ist die Haupt-Ausrede, nicht zu starten“

Mit Agentic AI und Agent-to-Agent-Kommunikation eröffnen sich neue Dimensionen an Möglichkeiten. Doch wie bereit sind Produktionsbetriebe, um KI-basierte Abläufe zu integrieren? Wie sieht es mit der dafür nötigen Datenbasis aus? Und wo sollte man mit der AI Adoption beginnen? Sören Michl von IFS gibt darauf im connect professional-Interview Antworten.

Autor: Sabine Narloch • 11.12.2025 • ca. 3:30 Min

Sebastian Spicker, Managing Director DACH, eröffnete die Veranstaltung für die Fachpresse
© connect professional

IFS, Anbieter von Industrial AI und Cloud-Business-Software für Unternehmen, hat im November auf seinem globalen Event „Industrial X Unleashed“ neue KI-Funktionen und Kooperationen vorgestellt. Dabei wurde auch eine Partnerschaft von IFS Nexus Black und Anthropic angekündigt. Im Zuge der Zusammenarbeit sollen industrielle KI-Anwendungen für Branchen mit hohen Sicherheits- und Verfügbarkeitsanforderungen beschleunigt werden. Im Zentrum steht dabei die Lösung „Resolve“. Mit Hilfe des LLMs Claude sollen sich damit multimodale Daten aus Anlagen analysieren lassen, um Fehler frühzeitig zu erkennen und Wartungsmaßnahmen anzustoßen. Diese Daten können aus Bildern, Videos, Sensorwerten oder Schaltplänen gezogen werden. Dadurch können Techniker beim Einsatz unterstützt werden; zudem soll das präzisere Diagnosen und vorausschauende Entscheidungen ermöglichen.

Im Rahmen eines Presse-Roundtables Anfang Dezember in München wurde unter anderem der Einsatz von Resolve in der Praxis vorgestellt und erklärt. Demnach konnte ein schottischer Spirituosenhersteller mit dieser Lösung Notfallreparaturen reduzieren und Stillstände senken. Doch wie weit sind Unternehmen, um solche Lösungen in ihre Produktionsumgebung zu integrieren? Am Rande der Veranstaltung stand Sören Michl, Vice President AI Adoption bei IFS, im connect professional-Interview Rede und Antwort.

connect professional: Herr Michl, Sie haben Einblick in viele Unternehmen – auf welchen Reifegrad treffen sie dort im Hinblick auf die Unternehmensdaten? Sind die Daten dort „ready“ als Basis für KI-basierte Anwendungen oder AI-Agenten?
Sören Michl: Das ist sehr unterschiedlich und man kann das nicht über einen Kamm scheren. Was ich aber tatsächlich noch nie gehört habe, ist, dass jemand sagt: „Unsere Daten sind super.“ Oftmals ist der Reifegrad beim Thema Daten zumindest relativ weit; meist wäre er auch ausreichend, um auf dieser Grundlage KI-Anwendungen ernsthaft anzugehen. Aber das geschieht mitunter nicht.

connect professional: Warum ist das so?
Michl: Die Datenqualität ist die Haupt-Ausrede, nicht zu starten. Dabei könnte KI ja sogar helfen, diese zu verbessern. Insgesamt gilt: Wenn ein Unternehmen zu lange wartet, weil man hofft, dass die Daten in zwei Jahren optimiert sind, kann man davon ausgehen, dass das nicht eintreffen wird. Der springende Punkt ist also: Unternehmen sollten einfach anfangen, anders wird es nicht funktionieren.

connect professional: Was wäre die Folge, wenn man zu lange wartet?
Michl: Wenn ein Unternehmen beim Thema KI nicht transformiert, wird es abgehängt und riskiert, nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. Es gibt das Zitat des amerikanischen Managers Jack Welch: „When the rate of change on the outside exceeds the rate of change on the inside, the end is near.” Welch ist im Jahr 2020 gestorben, aber sein Zitat ist aktueller denn je. Wir müssen uns bewegen, um effizienter zu sein und um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dieser Wille, etwas zu verändern und sich kontinuierlich zu verbessern, ist enorm wichtig.

Sören Michl, VP AI Adoption bei IFS: „Einen Use Case mit AI-Agenten sollte man dort starten, wo sich voraussichtlich der größte Mehrwert generieren lässt. Schließlich muss man am Ende liefern – Investoren, Stakeholder, das Board wollen Ergebnisse sehen.“
© IFS

connect professional: Welche Haltung gegenüber KI erleben Sie in den Unternehmen? Skepsis, Offenheit, Erklärungsbedarf?
Michl: In der Regel besteht Interesse an KI und man muss auch sagen, dass sich bereits viel bewegt und bewegt hat. Zumal KI vielerorts zur Chefsache gemacht wurde und KI-Themen priorisiert werden. Da gibt es dann einen CIO, der dahintersteht und der auf Board-Ebene Initiativen vorantreiben kann. Auf Skepsis stoße ich weniger. In Unternehmen wird die Möglichkeit zu Mehrwert und Optimierung ja durchaus gesehen.

connect professional: Wenn das Anfangen bei AI-Adoption-Prozessen so schwierig ist: Was empfehlen Sie für den Start?

Michl: Wir sind in Deutschland sehr prozesslastig. Und in diesem Zusammenhang ist ein Statement eines Entwicklers von OpenAI sehr passend. Sinngemäß sagte er: Wenn wir unsere bestehenden Prozesse mit KI verbessern, ist der daraus folgende Mehrwert in Ordnung. Aber der wirkliche Mehrwert stellt sich erst ein, wenn man neue Prozesse um KI-Lösungen herum baut, und somit die Prozesse neu denkt.

Das finde ich einen spannenden Gedanken: Man muss sich von bestehenden Prozessen lösen. Einen Use Case mit AI-Agenten sollte man beispielsweise dort starten, wo sich voraussichtlich der größte Mehrwert generieren lässt. Schließlich muss man am Ende liefern – Investoren, Stakeholder, das Board wollen Ergebnisse sehen.

connect professional: Und was würden Sie künftigen Kunden im Hinblick auf AI-Adoption-Projekte noch mitgeben?
Michl: Dass das Ganze nicht von der IT reingedrückt werden sollte, sondern von der Fachabteilung ausgehen sollte. Die Menschen, die dort arbeiten, kennen ihre Prozesse am besten; sie wissen, wo sie Unterstützung brauchen, und haben Verbesserungsvorschläge. Das geht nur zusammen und nicht, wenn jeder in einem Silo vor sich hinarbeitet.

connect professional: Mit dem Mehrwert beziehungsweise dem Return of Investment bei solchen Projekten ist es allerdings schwierig, diesen wirklich zu beziffern…
Michl: Deswegen haben wir mit unseren KI-Lösungen immer auch einen ROI-Kalkulator entwickelt. Vor der Akquisition haben wir unsere Agentic Plattform selbst eingesetzt, unter anderem für unsere Kundenprozesse und unsere Support-Mitarbeiter. Support Cases wurden analysiert und die Adoption war extrem hoch, die First Time Fix Rate ist stark gestiegen. Wir haben klare Metriken für den Erfolg definiert und diese auch gemessen.