Gefährlicher Schnellschuss

Das neue Vorratsdaten-Desaster

9. Juni 2015, 14:52 Uhr | Lars Bube
Die neue Vorratsdatenspeicherung steht schon vor ihrer Verabschiedung wieder auf wackligen Beinen
© bluedesign - fotolia

In den nächsten Wochen will der Bundestag das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung absegnen, das eine Speicherung von Verbindungsdaten wie Telefonnummern und IP-Adressen über zehn Wochen vorsieht. Wozu das konkret nutzen soll, können die Macher allerdings nicht erklären.

Die nächste Runde im Hickhack um die Vorratsdatenspeicherung ist eröffnet. Mehr als fünf Jahre wurde um eine Neuregelung gerungen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die alte Richtlinie zur vorsorglichen Telekommunikationsüberwachung Anfang 2010 für verfassungswidrig erklärt hatte. Vergangenes Jahr hat diese Ansicht auch noch der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigt. Doch jetzt steht das Gesetzgebungsverfahren zur neuen Vorratsdatenspeicherung in Deutschland kurz vor seinem Abschluss. Das Kabinett um Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dem mehrfach überarbeiteten Gesetzentwurf bereits zugestimmt und hofft nun in den nächsten Wochen noch vor der Sommerpause des Parlaments auf das Placet des Bundestages zur Neuregulierung.

Konkret sieht die neue Regelung vor, dass die so genannten »Verkehrsdaten«, zu denen beispielsweise IP-Adressen, Telefonnummern und Verbindungslisten und -Zeiten gehören, jeweils zehn Wochen lang gespeichert werden. Damit ist die Frist deutlich länger als die zuletzt praktizierte Speicherung über maximal sieben Tage, aber gleichzeitig weniger als halb so lang wie die frühere Speicherdauer von sechs Monaten. Die als besonders schützenswert eingestuften Daten zum Standort im Mobilfunknetz müssen von den Providern sogar schon nach vier Wochen wieder gelöscht werden. Damit soll verhindert werden, dass Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden können. Sollten Provider die Daten nicht entsprechend vorhalten, oder sie nicht rechtzeitig löschen, drohen ihnen teure Strafen. Dabei ist diese sichere Vorhaltung und Filterung alles andere als einfach umzusetzen, wie einige Provider kritisieren. Die Kosten dafür werden jedenfalls am Ende die Nutzer tragen müssen.

Der Inhalt der Kommunikation bleibt – außer in Fällen wie einer richterlich genehmigten Telefonüberwachung – weiterhin Tabu und wird daher auch nicht automatisch mit aufgezeichnet. »Der Inhalt der Kommunikation, Daten über aufgerufene Internetseiten und Daten von Diensten der elektronischen Post, dürfen auf Grund dieser Vorschrift nicht gespeichert werden«, schränkt der Gesetzestext klar ein. Im Falle eines berechtigten Interesses, also bei Verdachtsfällen auf schwere Straftaten wie Mord, Kindesmissbrauch, Kriegsver­brechen, Menschen- und Drogenhandel, schwerem Raub und Bandendiebstahl sowie Gefährdung des Rechtsstaates, dürfen die Strafverfolgungsbehörden die Daten mit richterlicher Genehmigung abrufen. Im Normalfall müssen die Betroffenen direkt darüber in Kenntnis gesetzt werden. Lediglich mit einer richterlichen Sondergenehmigung zur Geheimhaltung darf die Information über den Datenabruf erst nachträglich erfolgen. Da der Staatsanwaltschaft mit dem neuen Gesetzentwurf keine Eilkompetenz mehr zugeschrieben wird, kann die richterliche Genehmigung selbst bei Gefahr im Verzug nicht mehr umgangen werden.


  1. Das neue Vorratsdaten-Desaster
  2. Geheime Nebenabrede hebelt richterlichen Schutz aus
  3. Keine konkreten Anwendungsfälle bekannt

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