Gefährlicher Schnellschuss

Das neue Vorratsdaten-Desaster

9. Juni 2015, 14:52 Uhr | Lars Bube

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Geheime Nebenabrede hebelt richterlichen Schutz aus

Daten werden nur auf richterliche Anordnung herausgegeben - mit pikanten Ausnahmen (Foto: Bildergala - fotolia)
Daten werden nur auf richterliche Anordnung herausgegeben - mit pikanten Ausnahmen (Foto: Bildergala - fotolia)
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Dennoch hat die Regierung hier eine gewaltige Hintertüre eingebaut, mit der die vermeintlich strenge Schutz-Regelung gleich wieder ausgehebelt wird. Einer geheimen »Nebenabrede« zwischen Justiz- und Innenministerium zufolge sollen normale Bestandsdaten wie IP-Adressen und Nutzerkennungen im Sinne beschleunigter Abläufe auch direkt von Ermittlungsbehörden angefragt werden können. Während versierte Onlinekriminelle sich davor durch digitale Verschleierung zu schützen wissen, trifft diese Regelung entgegen der Intention vor allem normale Bürger, die sich lediglich kleine Verfehlungen zu Schulden kommen lassen.

Für weiteren Unmut sorgen außerdem die Ausnahmeregelungen für die besonders sensiblen Berufsgruppen mit Schweigepflicht, Zeugnisverweigerungsrecht und andere Geheimnisträger im Rahmen der neuen Vorratsdatenspeicherung. Demnach werden nur die Verbindungsdaten von und zu anonymen Beratungsstellen wie Behörden, Kirchen und sozialen Organisationen gar nicht erst gespeichert. Die Verkehrsdaten von Ärzten, Apothekern, Rechtsanwälte und Journalisten hingegen müssen zwar gespeichert, dürfen im Normalfall allerdings trotzdem nicht abgefragt werden. Deshalb sehen einige Berufsverbände ihre Mitglieder und deren Kunden und Mandaten samt ihrer Daten mit diesem Verfahren nicht ausreichend geschützt.

Die mehrheitliche Zustimmung für das neue Gesetz ist damit trotz großer Koalition alles andere als sicher. Insbesondere aus der Opposition kommen kritische Stimmen von Grünen und Linken. So bezeichnet etwa Jan Korte, Vize der Bundestagsfraktion der Linken, die neuen Regeln als »schwarzen Tag für die Grund- und Freiheitsrechte in Deutschland«. Bei den Grünen halten einige auch die neue Regelung für verfassungswidrig und wollen deshalb im Falle der Verabschiedung des Gesetzes erneut dagegen klagen. Der ehemalige oberste Datenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht in den durch das neue Gesetz entstehenden gewaltigen Datensammlungen eine riesige Gefahr für die Privatsphäre, die sich alleine schon auf IT-Ebene kaum kontrollieren lasse und hält das neue Gesetz denn auch für »grundrechtlich nicht vertretbar«. Daher räumt er einer Klage sehr gute Chancen ein. Dann geht das Hickhack wieder von vorne los. Aber auch in den Reihen der an der Regierung beteiligten SPD gibt es zahlreiche Kritiker, von denen sich allerdings viele nicht öffentlich zu Wort melden wollen. In der Abstimmung könnten sie jedoch das sprichwörtliche Zünglein an der Waage sein.


  1. Das neue Vorratsdaten-Desaster
  2. Geheime Nebenabrede hebelt richterlichen Schutz aus
  3. Keine konkreten Anwendungsfälle bekannt

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