Alter Wein in neuen Schläuchen oder genialer Schachzug? Vermeintlich neue Trends oder Lösungen sind nicht selten nur eine Art Lösungsbundle bereits vorhandener Technologien statt bahnbrechende Neuerung. Und doch steckt hinter Baukasten-Lösungen manchmal mehr Fortschritt als zunächst angenommen.
Im Interview: Jörg Wagenführ, Produktmanager bei BCC, über das Potenzial von Baukasten-Lösungen gegenüber Insel-Lösungen.
funkschau: Herr Wagenführ, wie erklären Sie sich den Trend, neue Lösungen zunehmend aus schon vorhandenen Technologien und Komponenten zusammenzustellen?
Jörg Wagenführ: Das ist die Folge zweier unterschiedlicher Entwicklungen: Zum einen wurden in der Vergangenheit verschiedene Technologien entwickelt, die für sich genommen nur einen begrenzten Wirkungsgrad aufweisen. Erst mit anderen Entwicklungen kombiniert, erschließt sich für den User der volle Nutzenumfang.
funkschau: Können Sie hier ein Beispiel nennen?
Wagenführ: Nehmen Sie Collaboration: IP-Telefonie, Videokonferenzlösungen, Whiteboards und Messaging-Systeme gab es vorher auch schon, doch in ihrer Kombination schaffen sie einen weitaus höheren Produktivitätsgewinn. Die Grundlage dafür ist wie bei vielen anderen aktuellen Trends ein konvergentes IP-Netz.
Die andere Entwicklung - für den IT-Sektor vielleicht sogar die bedeutsamere - ist der Wunsch der Kunden nach fertigen Lösungen. Heute interessiert es kaum noch jemanden, welche Technologien und Techniken hinter einer Lösung stehen. Es geht nur noch darum, wie gut sie funktioniert und welche Features sie hat. Das ist im Endkundensegment spätestens seit dem Aufkommen der Smartphones genauso zu beobachten wie bei Unternehmen.
Das beste Beispiel ist da meine 12-jährige Tochter: Sie beschäftigt sich für die Schule und in ihrer Freizeit rege mit dem Internet. Allerdings interessiert es sie naturgemäß überhaupt nicht, welcher Router für die Anbindung sorgt oder welchen Browser sie verwendet. Nur das eigentliche Surfen ist für sie von Bedeutung. Spätestens mit der nächsten Generation von Berufsstartern wird dieses ungezwungene Verhältnis zur Technik in den Unternehmen absolut präsent sein.
funkschau: Lässt sich dieser Trend auch auf den Netzbereich, aus dem BCC ja ursprünglich kommt, übertragen?
Wagenführ: Auf jeden Fall. Noch vor fünf Jahren war es die Regel, dass ein Kunde verschiedene Zulieferer für Netz, Telefon, Hardware und Server beauftragte. Gleichzeitig musste er dafür bestimmtes Fachpersonal vorhalten.
Heute ist es die Regel, dies alles als Managed Services aus einer Hand zu erhalten. Auch der neueste Trend, das Cloud Computing, nutzt im Grunde nur bestehende Ressourcen und Technologien und nutzt sie im neuen Kontext. Und gerade hier sieht man das Potenzial, das in Lösungsbundles steckt. Durch das intelligente Zusammenfassen einzelner äußerst skalierfähiger Lösungen erhalten die Nutzer hoch-dynamische Services, die sie in Eigenregie so nicht hätten realisieren können.