All-IP und das Ende von ISDN

Migration ohne Schrecken

15. Juli 2015, 6:00 Uhr | Florian Buzin, Geschäftsführer bei Starface, www.starface.de./pf

Der Countdown läuft: Spätestens 2018 wird ISDN endgültig Geschichte sein. In den meisten Betrieben dürfte die Migration auf IP angesichts der steigenden Zahl Provider-seitiger Vertragskündigungen - Stichwort: All-IP - sogar noch deutlich früher ins Haus stehen. Wer unnötigen Zeitdruck vermeiden will, ist daher gut beraten, das Thema zeitnah aktiv anzugehen. Denn obwohl die IP-Migration noch immer kein Selbstläufer ist, stehen auch für vermeintlich schwierige Problemstellungen inzwischen erprobte Best Practices bereit.

IT-Verantwortlichen mittelständischer Unternehmen nennen typischerweise zwei Gründe, warum sie bislang vor der Umstellung auf eine IP-basierende Telefonieumgebung zurückschrecken: Zum einen misstrauen sie aufgrund eigener Erfahrungen, Medieninformationen oder Gesprächen mit Dritten der Qualität der Sprachübertragung im IP-Netz. Und zum anderen scheuen sie vor dem hohen Projekt- und Investitionsaufwand zurück. Immerhin ist es ja nicht damit getan, die vorhandene ISDN-TK-Anlage durch eine SIP-basierende UCC-Plattform zu ersetzen - schon dies ist ein relativ komplexes Projekt, das tief in die Prozesse im Unternehmen eingreift. Vielmehr sind auch die Endgeräte durch SIP-Telefone zu ersetzen, mitunter neu zu verkabeln und zu provisionieren. Die IP-Migration gilt vielen deshalb auch 2015 als aufwendiges Projekt mit vielen unwägbaren Faktoren und ungewissem Ausgang. Zu Unrecht: In der Praxis jedenfalls erweisen sich beide genannten Hürden als durchaus überwindbar.
 
IP-Telefonie mit Qualitätsgarantie
Die Sprachqualität der IP-Telefonie ist nach wie vor ein heikles Thema. Zwar hat die Technik in den vergangenen Jahren rasche Fortschritte gemacht, und mit SIP hat sich ein Standard etabliert, der ISDN in puncto Feature-Vielfalt ebenbürtig und in Bezug auf Flexibilität sogar überlegen ist. Echtzeitoptimierte Switches, Router, Firewalls und Gateways sowie zunehmend leistungsfähigere QoS-Tools (Quality of Service) tun ein Übriges, um eine einwandfreie Qualität der Sprachübertragung sicherzustellen.
Allerdings greift die Mehrzahl dieser Lösungen nur auf gemanagten IP-Verbindungen. Die Sprachübertragung im öffentlichen Internet hat nach wie vor mit einem ganz grundlegenden Problem zu kämpfen: Die Architektur des Internets ist nicht dafür optimiert, Echtzeitpakete zu übertragen. Warum dies so ist, ist schnell erklärt: Echtzeitanwendungen wie VoIP (Voice over IP) senden Nutzdaten in sehr vielen, kleinen Paketen. Die Qualität der Sprachübertragung hängt anschließend maßgeblich davon ab, wie schnell und reibungslos die Pakete übermittelt werden. Dabei sind in der Regel drei Parameter zu unterscheiden:
Die Latenz, also die Zeit, in der die Daten vom Sender zum Empfänger reisen. Als erstrebenswert gilt dabei ein Wert von 200 ms. Bis 500 ms bleibt die Sprachqualität akzeptabel. Bei höheren Werten ist das Netz für die Sprachübertragung ungeeignet.
Der Jitter definiert, wie gleichmäßig der Transport der Pakete erfolgt. Idealerweise sollte er unter 20 ms liegen. Spätestens ab 45 ms kommen die Pakete hörbar durcheinander. Die Folge sind Sprachverzögerungen und Aussetzer.
Die Paketverlustrate zeigt an, welcher Anteil der Sprachpakete bei der Übertragung verloren geht. Im Idealfall sollte sie ein Prozent nicht übersteigen, da sonst die Sprachqualität merklich beeinträchtigt ist - vor allem dann, wenn mehrere aufeinanderfolgende Pakete verloren gehen ("Burst Loss").
In der Praxis müssen die meisten Unternehmen im Zuge der Migration auf IP feststellen, dass es sehr schwer ist, auf ungemanagten Datenstrecken alle drei Werte konstant im grünen Bereich zu halten. Zum einen, weil die Pakete oft über erhebliche Umwege - Hunderte von Kilometern und Dutzende von Provider-Netzen sind keine Seltenheit - geroutet werden, was in der Echtzeitkommunikation zu erheblichen Latenzwerten führt; zum anderen besteht im WAN schlichtweg keine Möglichkeit, die Sprachübertragung durchgehend zu steuern, da die Übergabe der gängigen QoS-Mechanismen (VLANs, Protokollpriorisierung, Sprachcodierung etc.) nicht zuverlässig von einem Provider zum nächsten erfolgt.
Damit ist die Telefonie über das öffentliche Internet unter Qualitätsgesichtspunkten nach wie vor keine echte Alternative zu ISDN und wird es aller Voraussicht nach auch auf absehbare Zeit nicht werden. Großunternehmen und Konzerne umgehen dieses Problem typischerweise, indem sie über MPLS-Mietleitungen mit verbindlichen SLAs (Service Level Agreements) telefonieren. Doch für den Mittelstand dürfte dies angesichts der hohen Kosten meist keine Option sein. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach einer bezahlbaren Alternative. Um diese Lücke zu schließen, drängen immer mehr Telcos und Service-Provider heute mit einem dritten Ansatz auf den Markt: Next-Generation Networking (NGN) für Business-Kunden.
Bei NGN stellen die Internet-Service-Provider den Unternehmen für die Telefonie einen dedizierten, bedarfsgerecht dimensionierten SDSL- oder ADSL-Anschluss zur Verfügung. Dieser ist physisch vom normalen Internet-Anschluss des Unternehmens getrennt, kann sogar von einem ganz anderen Provider stammen und ist auch separat terminiert. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen VoIP-Anschluss werden die via NGN bereitgestellten Kanäle aber ausschließlich für die Übertragung von Echtzeitprotokollen wie RTP und SIP genutzt und sind auch dafür optimiert.
Da die Sprache später auch im Leitungsnetz des Providers streng vom Internet-Traffic getrennt bleibt, hat der Anbieter die volle Kontrolle über den Datenstrom. Auf diese Weise lässt sich sicherstellen, dass das Routing stets auf dem kürzesten direkten Weg erfolgt. Fest implementierte QoS-Mechanismen wie RTP-Priorisierung und Sprachcodierung nach G.711 stellen die Einhaltung verbindlicher SLAs sicher. In der Praxis schlägt sich dies in ausgezeichneten Messwerten nieder: So betragen die Paketverluste im NGN typischerweise unter fünf Prozent, und auch die Latenzen liegen mit deutlich unter 150 ms weit unter dem Grenzwert, ab dem die Sprachqualität leidet. Jitter ist ohnehin kein Problem, da es im reinen Sprachnetz zu keinen Traffic Peaks kommt, sodass selbst HD-Audio technisch machbar ist.
Voraussetzung für den Einsatz eines solchen Trunks ist, dass auch die IP-TK-Anlagentechnik für NGN-Umgebungen ausgelegt ist. In der Regel bedeutet dies, dass zumindest einer der SIP-Ports der Telefonanlage ausschließlich für die Übertragung von SIP- und RTP-Paketen reserviert sein muss. Der Hersteller Starface beispielsweise stattet seine UCC-Plattformen softwareseitig zusätzlich mit einem festen Provider-Profil aus, das einen einfachen Plug-and-Play-Anschluss ermöglicht und eine durchgängig hohe Dienstgüte gewährleistet.
 
Evolution statt Revolution
Die Integration dedizierter Provider-Profile stellt dabei nicht nur eine einfache Inbetriebnahme sicher, sondern eröffnet den Administratoren auch den Weg zu einer sanften und ressourcenschonenden Migration. In diesem Szenario löst die neue Plattform die vorhandene Anlage nicht von einem Tag auf den anderen ab, sondern ist zunächst als Gateway zwischen das Altsystem und den NGN-Anschluss geschaltet. Die neue Plattform dient somit vorerst lediglich als Schnittstelle zum öffentlichen IP-Netz. Intern verwenden die Anwender ganz einfach ihre bestehende Infrastruktur weiter und nutzen dabei auch sämtliches vorhandenes Equipment weiter - vom ISDN-Telefon über das Analog-Fax bis hin zum CTI-Tool und zur Callcenter-Software.
Die Migration auf IP erfolgt anschließend schrittweise im selbst gewählten Tempo: Wenn etwa Mitarbeiter umziehen oder das Unternehmen neue Anwendungen implementiert, richtet der Administrator diese ganz einfach auf der neuen Anlage ein. Auf diese Weise werden im Lauf der Zeit ganz automatisch immer mehr Benutzer und Apps überführt, bis das Unternehmen die alte Anlage schmerzfrei abschalten kann.
In der Praxis nimmt diese schrittweise Überführung der Migration viel von ihrem Schrecken: Das befürchtete Mammutprojekt zerfällt in viele kleine, über einen langen Zeitraum verteilte Handgriffe. Und auch die hohe Anfangsinvestition entfällt, da sich das vorhandene Equipment zukunftssicher abschreiben lässt und nicht en bloc, sondern über einen langen Zeitraum sukzessive durch SIP-basierende Endgeräte zu ersetzen ist. Als einziger größerer Kostenblock bleibt damit die Anschaffung der neuen UCC-Plattform. Doch selbst leistungsfähige UCC-Systeme für den Mittelstand wie beispielsweise die Appliance Starface Advanced für bis zu 80 Benutzer und mit dediziertem NGN-Port sind heute vergleichsweise erschwinglich.

SIP mit Qualitätsgarantie: NGN-Trunks halten bei allen relevaten Parametern Messwerte ein, die deutlich unter den akzeptablen Grenzen liegen.

Sanfte Migration auf IP-Telefonie: Die Starface-Appliance lässt sich im ersten Schritt als Gateway zwischen ISDN-TK-Anlage und NGN-Trunk zwischenschalten.

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